Return on Investment (RoI)/Consulting-Verträge erhalten immer öfter eine Erfolgskomponente

Berater in der Pflicht

22.02.2002
MÜNCHEN (jha) - Berater sind teuer. Ihr hohes Salär rechtfertigen sie nicht selten damit, dass sie Einspar- und Wachstumspotenzial aufspüren oder ihre mit hohen Beträgen erkauften Leistungen das Kerngeschäft des Kunden voranbringen. Mit Vertragswerken, die eine erfolgsabhängige Bezahlung regeln, lassen sie sich beim Wort und in die Pflicht nehmen.

Die Gilde der IT-Berater steht immer wieder im (Ver-)Ruf, Luftschlösser zu bauen. Die Consultants kommen ins Unternehmen, nehmen Abläufe, Systeme und Ressourcen in Augenschein, holen Auskünfte und Daten von diversen Abteilungen und Mitarbeitern ein, analysieren das Ganze und präsentieren schließlich dem Topmanagement ein gewaltiges Einspar- oder Wachstumspotenzial, das in ihrem Unternehmen - tatsächlich oder angeblich - schlummert. Doch die Wünsche der Anwender enden nicht bei den Beratungsleistungen, sie verlangen mittlerweile immer häufiger, dass die Consultants das Versprochene auch umsetzen.

"Wir haben mit einem Beratungshaus ein E-Procurement-Projekt angestrebt. Der Partner hat uns ein durchaus interessantes Einsparpotenzial genannt, das sich erzielen ließe. Daraufhin haben wir vorgeschlagen, dass er einen Teil seiner Projektkosten nur dann bezahlt bekommt, wenn die prognostizierten Einsparungen auch nachgewiesen werden können", berichtet Peter Kailing, Projektleiter beim Chemieunternehmen Basell Polypropylen GmbH in Mainz, aus seinem Erfahrungsschatz. Der Dienstleister akzeptierte den Vorschlag und reichte ein Angebot ein, das eine erfolgsabhängige Komponente beinhaltete. Leistungsbezogene Verträge abzuschließen stellt die meisten Service-Provider heute vor keine allzu großen Probleme mehr, sie haben ausreichende Erfahrung bei der Gestaltung derartiger Kontrakte sammeln können. Die einfachste Form, die Malus-Bonus-Regelungen, sind heute gang und gäbe und funktionieren nach dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip. Sie sehen Strafen vor, wenn vereinbarte Projekte aus dem Zeit- und Budgetrahmen laufen. Werden die Vorhaben früher oder billiger abgeschlossen, gibt es Belohnungen.

"Oftmals wird eine Risikokomponente vereinbart, wenn Projekte im Vorfeld nicht in Gänze zu überblicken sind, dem schnellen Start aber keine lange Evaluierungsphase vorausgehen soll", erläutert Holger Reimers, Partner bei Accenture im Bereich Communications und Hightech. "Dann schätzt man gemeinsam das Budget. Kostet das Projekt letztlich mehr, muss das Beratungshaus mit dem Preis runter. Wird hingegen beispielsweise eine Million Euro eingespart, teilt man die Summe analog dem Risiko auf, das die Beteiligten getragen haben. So haben beide Partner ein Interesse, das Vorhaben schnell und günstig abzuschließen."

Derartige Regelungen können motivieren und sich positiv auf den Fortgang eines Vorhabens auswirken. Sie bilden aber in keiner Weise ab, welchen Wert das Projekt für ein Unternehmen darstellt. Die Erfolgskomponente beschränkt sich auf das Projektumfeld. Allenfalls Vereinbarungen, die auch eine Bonus- beziehungsweise Malusregelung an eine gestiegene IT-Akzeptanz bei den Anwendern binden, stellen eine Verbindung zum Unternehmenserfolg her, vorausgesetzt, eine höhere IT-Durchdringung ist gleichbedeutend mit Vorteilen im Kerngeschäft.

Es gibt durchaus Verträge, in denen Erfolg an den Veränderungen von Bilanzposten gemessen wird. Reengeneering- und Konsolidierungsprojekte zielen etwa darauf ab, das IT-Budget zu reduzieren, E-Procurement verspricht Einsparungen im Einkauf beziehungsweise bei den administrativen Kosten. Cap Gemini Ernst & Young hat den Betrieb eines Abrechnungssystems von einem TK-Unternehmen übernommen, und es gelang, die Kosten pro Kundenrechnung zu drücken. Aus den erzielten Einsparungen wurde das Projekt zum Teil refinanziert. "Das klingt ganz einfach, ist es aber nicht", warnt Hartmut Götz, Vice President und Leiter Outsourcing der deutschen Cap-Gemini-Niederlassung in Rüsselsheim. "Im Vorfeld muss man genau definieren, wie die Ergebnisse aussehen sollen, wie die Rollenverteilung ist und welche Beistellpflichten die Partner haben. Von beiden Seiten muss die Bereitschaft da sein, das formulierte Ziel zu erreichen."

Leistungsbezogene Vereinbarungen benötigen ein Umfeld, das Vergleiche zulässt. Im Falle des TK-Unternehmens waren beispielsweise Aussagen über die Kosten pro Kundenrechnung vor und nach dem Projekt erforderlich, ohne solche Angaben fällt jedes erfolgsbetonte Vertragswerk in sich zusammen. Liegen entsprechende Zahlen nicht vor, können sie über das Benchmarking gewonnen werden. Das Ergebnis lässt auch Rückschlüsse über die Leistungsfähigkeit im Branchenvergleich zu. Mit solchen Analysen in der Hand sind Ist- und Sollzustand zu benennen. Allerdings formuliert Kailing auch die Grenzen eines solchen Modells: "Erfolgsabhängige Verträge lassen sich nur dann vereinbaren, wenn stabile Randbedingungen vorliegen", warnt der Basell-Manager, und das ist zumindest bei dem Joint Venture von BASF und Shell derzeit nicht der Fall.

Kailing und seine IT-Mitarbeiter stecken in einem umfangreichen Konsolidierungsprojekt, das durch den Zusammenschluss der drei Kunststoff produzierenden Unternehmen Elenac, Montell und Targor zu Basell ausgelöst wurde. Im Rahmen dieses Vorhabens wird die Zahl der Rechenzentren reduziert und eine europaweite SAP-Einführung vollzogen. Zum Jahresende erwartet Kailing, dass das Rollout der letzten Module zeitgerecht abgeschlossen wird. Zwar verfolgen die Basell-Experten das konkrete Ziel, das IT-Budget zu reduzieren, doch der Endbetrag setzt sich aus einer Vielzahl von Einzelposten und Faktoren zusammen, "auf die der Projektdienstleister keinen Einfluss hat", so Kailing. Man behalte sich etwa die Entscheidung vor, welche Verträge man mit welchen Service-Providern abschließe, ob und welche Teile man auslagern werde und wie viele Mitarbeiter man beschäftigen will - alles Faktoren, welche die Höhe des IT-Budgets verändern. "In einem solchen Umfeld wäre es unfair, den Partner erfolgsabhängig zu entlohnen", meint der Projektleiter.

Accenture-Geschäftsführer Reimers nennt es Baseline. Gemeint ist die Basis, von der aus die Partner starten. Die Kennzahlen müssen eindeutig erfassen, welche technischen, monetären und administrativen Randbedingungen vorliegen, welche Pflichten beide Partner eingehen und welche Ziele sie erreichen wollen. "Wenn neun Monate Datenanalyse erforderlich sind, wenn also der Prozess zur Definition der Baseline zu aufwändig ist, dass sollte man die Finger davon lassen", rät Reimers.

Eine besondere Form der Verbindung von Geschäftszielen mit den Aufgaben von externen Partnern wird oftmals im Outsourcing-Bereich erreicht - allerdings in sehr unterschiedlichen Dimensionen. Die einfachste Form sind Service-Level-Agreements. Sie stellen die Qualität der erbrachten Dienste sicher, sollen also das Preis-Leistungs-Verhältnis fixieren. Hier wird aber ähnlich dem Flatrate-Prinzip entlohnt: Für einen bestimmten monatlichen Betrag bekommt der Anwender definierte Leistung in definierter Qualität. Eine Bezahlung je nach Umsatz fällt an, wenn beide Partner ein Joint Venture gründen. Da sich also Dienstleister wie Anwender das unternehmerische Risiko beim Betrieb der IT teilen, sollten beide am Erfolg des Vorhabens interessiert sein.

Bei all den beschriebenen Risiko- und Erfolgsbeteiligungen hat es der Dienstleister in der Hand, durch eigenes Engagement sein Salär aufzustocken. Heikel wird es indes, wenn Bezahlmodelle ins Spiel kommen, die an steigenden Umsatz- und Verkaufszahlen, Kundenstamm, Lagerumschlag oder gar Aktienkurs geknüpft sind.

Vor allem Letzteres war ein von Dotcoms gerne vorgeschlagenes Entlohnungsmodell, denn gerade sie hatten häufig Bedarf an Beratungsleistung, wenig flüssige Mittel und zumindest zeitweilig eine glänzende Aussicht auf Erfolg an der Börse. Inwiefern sich die Beratungshäuser davon verführen ließen, ist ungewiss - darüber schweigen die Dienstleister heute gern.

Verträge mit UmsatzbeteiligungDoch auch Verträge, in denen das Salär an reine Umsatzziele geknüpft werden, fassen die Häuser nur mit spitzen Fingern an. "Sowohl als Dienstleister wie auch als Anwender würde ich mich auf derartige Kontrakte nur mit größter Vorsicht einlassen", warnt etwa Cap-Gemini-Mann Götz.

Zu viele Einflussfaktoren könnten sämtliche Betrachtungen und Kalkulationen durcheinander wirbeln, und fast nie lässt sich nachweisen, dass "der Erfolg oder Misserfolg beim Umsatzwachstum in einem direkten Zusammenhang zu meinen IT-Aktivitäten steht", meint Götz.

Allerdings scheinen sämtliche Hemmungen zu fallen, wenn Projekte eine gewisse Größenordung übersteigen. Derzeit drängen die finanziell angeschlagenen TK-Unternehmen und ISPs ihre Servicehäuser durchaus erfolgreich dazu, Geschäftsrisiken mitzutragen. Accenture-Partner Reimers berichtet etwa von einem Customer-Care- und Billing-Projekt, dessen Bezahlung an die Entwicklung der Abonnentenzahlen in den nächsten zehn Jahren geknüpft ist. "Die Aufgabe besteht also nicht nur darin, das Projekt schnell und sparsam abzuschließen. Was bleibt, ist das Risiko, dass die erreichbare Zahl der Kunden nicht realistisch eingeschätzt wird", erläutert Reimers. Auf diese Geschäftszahlen hat der Dienstleister keinen Einfluss mehr, denn "er sitzt nicht mit der Geschäftsführung an einem Tisch und kann etwa Marketing-Maßnahmen einfordern".

Dennoch hat sich Accenture bereits mehrfach auf Abkommen eingelassen, welche die Bezahlung an das Umsatzwachstum knüpfen, und zwar erstmals in den USA. Dort entwickelte das Beratungshaus für eine Fluglinie ein Verkaufssystem für Flugscheine und ist auch heute noch prozentual an jedem verkauften Ticket beteiligt. "So etwas ist natürlich keine gängige Praxis im Servicegeschäft, darauf lässt man sich erst ab einem bestimmten Volumen ein", verrät der Accenture-Partner. Als Mindestgrenze nennt er 50 Millionen Dollar Beratungsgebühren und 100 bis 150 Millionen Dollar Servicekosten.

Unabhängig davon, ob geschäfts- oder prozessbezogene Erfolgsprämien ausgelobt wurden, gehen die Dienstleister nie ohne Eigennutz ins Obligo. "Es ist doch kein Geheimnis, dass Berater, die ein Risiko eingehen, sich das auch entlohnen lassen", berichtet Kailing. In einer wie auch immer gestalteten Form sichern sich die Vertragspartner immer ab. Sein Rat lautet zumindest, bei Ausschreibungen auch Verträge mit erfolgsabhängigen Komponenten einzufordern - vielleicht ergeben sich aus den Vorschlägen neue Erkenntnisse. Falls es tatsächlich zu entsprechenden Abschlüssen kommt, sollte sichergestellt sein, dass sich der Vertragspartner nicht auf Positionen zurückzieht, aus denen heraus er den Kontrakt als nichtig erklären kann, weil sich Messgrößen oder Randbedingungen geändert haben.

Bei Kailing kam das Beratungshaus mit dem leistungsbezogenen E-Procurement-Projekt übrigens nicht zum Zuge. Eine Ausschreibung des Vorhabens hatte nämlich offenbart, dass das Beratungshaus einen unverhältnismäßig hohen Basispreis gefordert hatte. Selbst beim Komplettausfall der Erfolgsbeteiligungen hätte der Anbieter noch ein besseres Salär einstreichen können als die Mitbewerber mit ihren Festpreisangeboten oder zeit- und materialabhängigen Abrechnungen. Die Verhandlungen mit dem Partner wurden daraufhin gestoppt und das Projekt an einen Anbieter mit Festpreis vergeben.

Bonbons für BeraterDa Projekte in der Regel von den Leistungen einzelner Mitarbeiter getragen werden, Erfolg und Scheitern also direkt vom Engagement der Beteiligten abhängen, hat sich Hans Peter Thomé etwas Besonderes einfallen lassen: Der SAP-Projekt-Manager, der bereits bei einigen namhaften Anwenderunternehmen SAP-Einführungsprojekte erfolgreich leitete, belohnt neben jedem einzelnen Projektmitarbeiter auch die SAP-Berater. "Wir haben die externen Berater als vollwertige Projektmitglieder in unser Bonussystem einbezogen", erläutert Thomé. "Wir zahlen ihnen daher genau so wie unseren eigenen Leuten je nach Erreichen definierter Meilensteine Prämien zwischen 2000 und 5000 Euro." Diese Prämien werden allerdings über den jeweiligen Arbeitgeber der Berater ausgezahlt und über eine ganz normale Rechnung dem Kunden zurückbelastet. "Die einzelnen Berater wissen allerdings genau, wem sie das Bonbon zu verdanken haben", so Thomé.

Den Abschlussbonus zahlte der SAP-Projekt-Manager aus, wenn das Projekt im vollen Umfang und im vorgesehen Zeitrahmen zu Ende gebracht wurde - und wenn eine Umfrage zur Zufriedenheit der Anwender mit dem implementierten System ein positives Ergebnis erbrachte. Darüber hinaus gab es Meilensteine, die etwa an der Umsetzung von Teilzielen gebunden waren. Wurden sie zeit- und qualitätsgerecht ausgeliefert, gab es maximal zweimal jährlich 2500 Euro pro Mitarbeiter.

Hinter der großzügigen Regelung verbirgt sich Kalkül. Außer auf die Motivationhilfe kam es Thomé darauf an, gute Berater an sein Unternehmen zu binden und somit auch in Folgeprojekten anfordern zu können. Denn der ständige Austausch von Beratern ist Thomé ein Dorn im Auge. Um der häufigen Praxis der Dienstleister, Berater während der Projektlaufzeit abzuziehen, einen Riegel vorzuschieben, wurden für derartige Fälle Strafen in sechsstelliger Höhe vereinbart und der Berater rückwirkend nur zur Hälfte bezahlt. "Der Einsatz von Beratern ist neben den eigenen Personalkosten und den SAP-Lizenzen sowie dem erfoderlichen Ausbau der Hardware- und Netzinstallationen der größte Budgetposten in SAP-Projekten", erläutert Thomé. "Motovierte und kompetente Berater können durch eine zügige Implementierung des Projektes erheblich dazu beitragen, diesen Kostenblock im Griff zu behalten."