Berater hoffen auf Netweaver-Geschäft

07.03.2005
SAPs Integrationsplattform weckt Hoffnungen bei vielen IT-Dienstleistern. Sie spekulieren auf Consulting- und Integrationsaufträge.

Das Geschäft mit Beratungs- und -Integrationsdiensten hat sich noch nicht vom Einbruch der vergangenen Jahre erholt, erste Anzeichen deuten aber auf ein Ende des Abschwungs hin: Die Umsätze sollen in diesem Jahr wieder steigen (siehe Grafik) und der Preisverfall ist offenbar gestoppt. "Die Tagessätze haben sich im Consulting-Geschäft stabilisiert", so Antonio Schnieder, CEO Zentral- und Osteuropa des IT-Dienstleisters Capgemini, im Gespräch mit der computerwoche. "Das gilt aber nur bedingt für das IT-Integrationsgeschäft. Dort sinken die Durchschnittspreise nur noch, weil wir zunehmend Offshore-Kapazitäten einbinden. Die deutschen Tagessätze sind hier auch nicht mehr unter Druck." Befragt nach wichtigen Themen dieses Jahres, fällt dem Capgemini-Manager vornehmlich eines ein: "Alles, was sich um die Integrationsplattform Netweaver rankt, wobei Netweaver ein Synonym für offene Komponententechnik ist. Das ganze Thema steht noch am Anfang der Entwicklung und scheint eine neue Welle zu erzeugen", vermutet Schnieder.

Derzeit taxieren die Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC) das Geschäft mit Netweaver-Beratung und -Systemintegration noch als relativ klein, warnen jedoch davor, den Markt zu unterschätzen: "IT-Dienstleister, die heute nicht in das Netweaver-Geschäft einsteigen, verpassen eine große Chance", mahnt Tobias Ortwein, Berater bei PAC, München. "Das derzeit niedrige Marktvolumen wird der Bedeutung des Netweaver-Konzepts nicht gerecht. Außerdem wächst das Geschäft rasant, so dass es schon bald einen erheblichen Umfang erreichen wird." Diese Geschäftsaussichten sind jedoch kaum einem IT-Dienstleister verborgen geblieben, so Ortwein, nahezu alle bedeutenden Service-Provider bereiten sich auf das kommende Geschäft mit Netweaver vor. "Zurzeit läuft vor allem die Schulungsmaschinerie auf Hochtouren, um die Berater auszubilden, die Netweaver künftig einführen sollen. Damit ist aber auch absehbar, dass hier ein hart umkämpfter Markt entsteht."

Schon einmal haben sich die IT-Beratungshäuser in Aussicht auf große Gewinne auf ein neues Konzept der SAP konzentriert und viel in die Mysap-Ausbildung ihrer Mitarbeiter investiert. Der Ertrag ist bislang dürftig, weil sich nur wenige Anwender zur Migration entschlossen haben. Mit Netweaver, so glaubt Nils Niehörster, Geschäftsführer des auf SAP-Umgebungen spezialisierten Marktforschungshauses Raad Consult GmbH aus Münster, verhält es sich jedoch anders. Das alles beherrschende Thema in den Anwenderunternehmen ist nach wie vor die Konsolidierung der heterogenen IT-Umgebung, weil sie schnelle Erfolge bei der Entlastung der IT-Budgets und einen unmittelbaren und nachweisbaren Return on Investment (RoI) verspricht. "In Integrationsprojekten kann Netweaver das Werkzeug der Wahl werden", sagte Niehörster, um sogleich einzuschränken: "Das muss so aber nicht sein."

Doch es gibt noch weitere Vorhaben, die Anwenderunternehmen derzeit beschäftigen und in denen die SAP-Plattform eine wichtige Rolle spielen kann. Durch die regelmäßige Umfrage, die Raad Consult bei SAP-Kunden vornimmt, zieht sich das Interesse der Nutzer an besseren Geschäftsprozessen. "Die Anwender beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie sie ihre Arbeits-, Produktions- und Verwaltungsabläufe sowie ihre Prozessnetze verbessern können. Das geht einher mit einer außerordentlichen Nachfrage nach Dokumenten-Management-Systemen, Workflow und Portalen", schildert Niehörster.

Die Einführung dieser funktionalen Anwendungen erfordere jedoch Arbeiten an der Infrastruktur, zur Integration seien wiederum Techniken wie Netweaver geeignet. "Das eine bedingt das andere ", fasst Niehörster zusammen.

Abseits des Netweaver-Geschäfts dürfen SAP-Systemhäuser weiterhin auf Projekte mit Release-Migrationen hoffen, denn "ein nicht unerheblicher Teil der Anwender muss noch den Wechsel auf die Release-Stände 4.6 und Enterprise bewältigen", berichtete PAC-Analyst Ortwein. Zudem steigt die Nachfrage nach vertikalen Lösungen. Als Indiz für die wachsende Bedeutung von Branchenlösungen wertet Ortwein auch SAPs kürzliche Akquisition von Retek, einem Anbieter von Software für den Handel.

Luft für Preiserhöhungen

Klassische SAP-Projekte mit horizontalen Funktionen etwa für die Personal- und Finanzabteilung gibt es zwar nach wie vor zuhauf, doch sie werden der darbenden IT-Dienstleistungsbranche nicht den erhofften Schwung verleihen. "Wir sehen in unseren Umfagen viele FI- und HR-Projekte", sagte Niehörster, "doch das sind vor allem Vorhaben bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen. Das Gesamtvolumen, abgesehen von Geschäften mit Outsourcing- und Managed-Application-Services, wird für den IT-Markt keine entscheidende Rolle spielen."

Bei der regelmäßigen Befragung von CIOs stieß Raad Consult auf ein erstaunliches Ergebnis: Einerseits drehen die IT-Leiter zwar jeden Cent zweimal um, bevor sie ihn ausgeben, "lieber noch sparen sie ihn", berichtet Niehörster. Andererseits stufen die Anwender die Dienste ihrer Servicelieferanten mittlerweile als preisgünstig ein. "Die durchschnittlichen Zufriedenheitswerte mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis für IT-Dienstleister sind überraschend gut", staunt der Raad-Consult-Chef. Im Vergleich zu früheren Befragungen geben die CIOs ihren IT-Dienstleistern deutlich bessere Noten als in den vergangenen Jahren - ein Indikator für gesunkene Tagessätze. "Damit wäre die Zeit für eine Preiserhöhung eigentlich reif", spekuliert Niehörster. "Das müssten die Dienstleister aber in einer konzertierten Aktion machen, denn die Anwender haben ihren Einkauf erheblich professionalisiert."

Insgesamt schauen auch die IT-Dienstleister wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Neben Netweaver-Vorhaben erwartet Capgemini-Chef Schnieder wie schon in den vergangenen zwei Jahren weiterhin wachsendes Geschäft mit Projekten zur Verbesserung der Lieferketten sowie zur Vernetzung von der Unternehmen mit ihren Kunden und Lieferanten. Zudem bleibe Customer Relationship Management (CRM) ein wichtiges Thema der Anwender. "Insgesamt geht der Trend weg von reinen Kostensenkungsprojekten, und Gott sei Dank wird auch die Sanierungsberatung weniger", erläutert Schnieder. "Die Kunden fragen immer öfter Projekte nach, die auf Wachstum im Kerngeschäft zielen." Problematisch für hiesige IT-Dienstleister bleibe jedoch, dass sich die Konjunktur im Vergleich zu anderen europäischen Ländern langsam entwickle. Das, so Schnieder, schlage sich auch auf den deutschen IT-Servicemarkt nieder.