Die Familie ist häufig wichtiger als die Karriere

Berater beklagen Immobilität der westdeutschen DV-Manager

20.07.1990

Die Personalberater zwischen Flensburg und Garmisch sind ratlos: Ihre Kandidaten wollen den Wohnort nicht wechseln, obwohl ihnen "Traumangebote" vorliegen. Anhand von Untersuchungsergebnissen und Beispielen zeigt Dietmar Petzold* die Schwierigkeiten seiner Branche, Führungskräfte in andere Orte zu vermitteln.

Hier ist nicht von der "mobilen Vielfalt", dem Motto der internationalen Automobilausstellung 1987, die Rede. Es geht vielmehr um die Entscheidungsfreudigkeit deutscher EDV-Managerinnen und -Manager beim Firmenwechsel, vor allem dann, wenn es gilt, Haus und Hof zu verlassen, um an einem anderen Ort neue Aufgaben in einem neuen Unternehmen zu übernehmen. Meistens beschränkte sich bis jetzt der Wechsel von Wohnort und Schreibtisch dabei sogar nur auf die elf Bundesländer unserer Republik, von eine Karriere in Kanada oder Australien ist nur selten die Rede.

Wie leicht hatte es da einer den ersten Headhunter der Geschichte, Friedrich der Große, der seine Searcher nach Flandern sandte, um Spezialisten für die heimischen Webereien aufzutun. Ihm gelang es offensichtlich allein durch finanzielle Anreizt, qualifizierte Kandidaten zu gewinnen. Wie sieht's denn nun heute mit der Mobilität der EDV-Manager bei uns aus?

Wie SCS-Befragungen ergeben haben, wurden 54 Prozent der heutigen DV-Chefs von außen direkt für diese Position angesprochen und eingestellt, die übrigen sind entweder im eigenen DV-Bereich groß geworden (26 Prozent) oder von anderen Bereichen des eigenen Unternehmens auf den DV-Manager-Stuhl gerückt. Die Außeneinsteiger haben meist (64 Prozent) zuletzt im DV-Bereich eines anderen Unternehmens gearbeitet, oder sie kommen von Dienstleistungsunternehmen (18 Prozent), von Hardwareherstellern (13 Prozent) und aus dem Hochschulbereich (5 Prozent). Aus anderen Befragungen geht hervor, daß der DV-Chef im Durchschnitt bereits seit elf Jahren bei seinem Unternehmen ist, was bei einem Durchschnittsalter von 45 Jahren eine beachtliche Verweildauer darstellt.

Mit welchen Argumenten läßt sich heute ein DV-Manager zu einem Wechsel motivieren? Gehen wir davon aus, daß die neue Position einen erheblichen Karriereschritt darstellt und daß das materielle Gesamtpaket, bestehend aus Gehalt, Firmenwagen, Bonusplan und Altersversorgung, attraktiv ist, so bleiben immer noch genügend familiäre Restriktionen übrig.

Wohnungseigentum bremst die Mobilität

Unterschiedliche Schulsysteme in den einzelnen Bundesländern machen den Wechsel für die Kinder zu einem Risiko. Die berufstätige Ehefrau wird - vor allem, wenn sie in einer beamteten Position ist, massiven Widerstand gegen den Wegzug leisten. Das eigene Haus oder die ideale Wohnung bremsen die Mobilität bei uns enorm, denn noch sind wir weit entfernt vom US-amerikanischen "Way of life", wo man über Nacht sein Eigenheim verkauft, um am neuen Arbeitsort Hunderte von Meilen entfernt ein neues Haus ebenso problemlos wieder zu erwerben.

Eine internationale Unternehmensberatung hat DV-Manager vor kurzem gefragt, wie oft sie aus beruflichen Gründen bereits umgezogen sind. Dabei stellt sich heraus, daß zwei Drittel von ihnen bereits einen solchen Umzug hinter sich haben und im Durchschnitt bei 2,6 Unternehmen im Brot standen. Motive für einen Firmen- und Ortswechsel waren dabei vor allem die Erweiterung des Aufgabenspektrums (42 Prozent) sowie gehaltliche Verbesserungen (20 Prozent).

Der finanzielle Anreiz scheint bei den DV-Oberen nicht so groß zu sein, denn die Einkommenshöhe hängt nicht unmittelbar mit der Verweildauer zusammen, im Gegenteil: Gehaltsstruktur-Untersuchungen zeigen, daß Einsteiger oft höhere Fremdbezüge haben als ihre beharrlicheren Kollegen auf den Manager-Sesseln. Eine Repräsentativbefragung hat sogar ergeben, daß DV-Manager mit höherem Einkommen öfter beruflich umgezogen sind als ihre weniger gut bezahlten, vergleichbaren Kollegen.

Die inzwischen fast überall gewährten Pensionszulagen wirken sich ebenso wie Gehaltfortzahlungs-Regelungen im Krankheitsfall als echte Bremse aus, da sie meist mit der Firmenzugehörigkeit gekoppelt sind.

Fehlt es den deutschen DV-Leitern an Ehrgeiz? Als Karriereziel nennen 25 Prozent einen Platz im Vorstand oder in der Geschäftsführung, 17 Prozent wollen ihre Funktion in einem größeren Unternehmen und mit mehr Verantwortung ausüben, 15 Prozent streben etwas anderes - eine Tätigkeit außerhalb ihrer jetztigen Firma oder ihres Berufsfeldes - an. Immerhin 42 Prozent sagen, daß sie bleiben wollen, was sie jetzt sind!

Wenn das daran liegen sollte, daß fast 59 Prozent ihre Aufstiegsmöglichkeiten im eigenen Unternehmen grundsätzlich als gering einschätzen und 32 Prozent nur als mittelmäßig, so bliebe ja immer noch der Wechsel.

Aber da liegt offensichtlich auch einiges im argen. Viele DV-Manager beklagen bei der Mitarbeitersuche die geringe Mobilität der Kandidaten. Wenn er über Mobilität sinniert, sollte jeder DV-Manager heute vielleicht auch über seine eigene Karriereplanung nachdenken. Er denkt über Hard und Software, über Mitarbeiter und über Unternehmensstrategien nach. Nur denkt er offensichtlich zu wenig über seine eigene Mobilität nach - getreu dem Spruch: "... der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt".

Wenn der Erfolg das beste Parfüm eines Mannes ist - dann ist seine Mobilität ein hervorragendes Outfit. +