Neues Konzept zur interaktiven Projektplanung:

Benutzerorientierung zur Verbesserung der Methodenakzeptanz

18.11.1977

LOHMAR (uk) - Einen Mangel an Benutzerorientierung diagnostiziert bei existierenden Systemplanungsmethoden der freie Unternehmensberater Dr. Dietrich Splettstößer. Und dies sei die Hauptursache für "selten überzeugende Rationalisierungserfolge beim Einsatz von DV-Anlagen" und auch Grund für qualitativ häufig unzureichende Informationssysteme. Systemplanungs-Spezialist Splettstößer hat für sein soeben erschienenes Buch "Großprojektierung von Informationssystemen" die zur Zeit anwendbaren Methoden zur Planung und Entwicklung von Informationssystemen analysiert und herausgefunden, daß letztlich nur die Einbeziehung des Benutzers in den Planungsprozeß eine Qualitätsverbesserung von Informationssystemen bringe. Auf der Basis der Methodenanalyse hat er ein Grundkonzept für eine Dialog-Projektierung von Informationssystemen erarbeitet, die eine intensive Benutzer-Planungsbeteiligung ermöglichen soll. In folgendem Beitrag erläutert Dr. Splettstößer seinen Ansatz, der allerdings noch nie konkret realisiert wurde, weil - so Splettstößer - "offenbar noch immer kurzfristig erfolgversprechende anwendungsbezogene Entwicklungsvorhaben gegenüber langfristig wirksamen Methodenverbesserungen bevorzugt werden".

Verantwortlich für die häufig beklagte geringe Qualität der implementierten Informationssysteme sind vielfach unzureichende Systemplanungsmethoden. Die Leistungsfähigkeit der gebräuchlichen Planungsmethoden ist offenbar gering. Eine Verbesserung dieser Methoden würde mit Sicherheit eine Qualitätsverbesserung von Informationssystemen bewirken. Bei dem Bemühen, die Verfahren und Techniken zur Systementwurfserstellung zu verbessern, muß dem Aspekt der Benutzerakzeptanz zunehmend größere Beachtung geschenkt werden.

Untersuchungen der anwendbaren Methoden zur Planung und Entwicklung von Informationssystemen zeigen, daß bisher nur wenige DV-Anwender systematisch Systemplanungsmethoden einsetzen. Im allgemeinen werden hierfür folgende Gründe angenommen:

- Unzureichende Markttransparenz der potentiellen Methodenanwender

- Zu hohe Kosten der Methoden

- Zu geringe Überschaubarkeit des Nutzens von Systementwicklungsmethoden

- Fehlende Kenntnisse und Manpower für die Methodenauswahl

- Unzureichende Methodenbeschreibungen

- Fehlende Kompatibilität der Methoden.

Benutzerorientierung mangelhaft

Bei genauerer Betrachtung ist jedoch festzustellen, daß neben diesen Ursachen vor allem die mangelnde Benutzerorientierung von Methoden ausschlaggebend für die geringe Nutzung ist. Man hat bisher bei der Methodenentwicklung offensichtlich zu wenig daran gedacht, durch welche Maßnahmen die Benutzerakzeptanz von Methoden verbessert werden kann.

Benutzerakzeptanz heißt in diesem Zusammenhang:

Bereitschaft eines DV-Anwenders zur Anwendung geeigneter Methoden im Systemplanungsprozeß. Diese Bereitschaft wird vor allem dann erzeugt werden können, wenn der Methodeneinsatz dazu führt, daß bestimmte psychologische Ziele des Systemplaners gleichzeitig erfüllt werden. Es muß daher versucht werden, Methoden zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Systemplaner und Benutzer entgegenkommen. Dies kann am ehesten dadurch erreicht werden, daß eine unmittelbare Beteiligung des Benutzers am Planungsprozeß für ein Informationssystem stattfindet. Allerdings dürfen dadurch weder die Gestaltungsarbeiten der Systemplaner behindert werden noch unzumutbare Kostenbelastungen entstehen. Beide Anforderungen lassen sich nur durch eine computerunterstützte Systemplanung erfüllen.

Dialog-Projektplanung mit Benutzerbeteiligung

Ich habe auf der Grundlage einer Analyse der anwendbaren Systemplanungsmethoden ein Grundkonzept für eine Dialog-Projektierung von Informationssystemen erarbeitet, bei der eine solche intensive Benutzerbeteiligung ermöglicht werden soll.

In diesem Ansatz werden 5 Verarbeitungsschritte unterschieden:

- Eingabeprüfung und Aufbau der Projektierungsdateien

- Entwurf des Gesamtsystems - Entwurf der Teilsysteme

- Entwurf der Dateien

- Entwurf der Informationsflüsse und Datenverarbeitungsprozesse.

Ich gehe davon aus, daß eine umfassende Systemanalyse abgeschlossen ist und die projektierungsrelevanten Daten in maschinell verarbeitbarer Form bereitstehen. Die Verarbeitungsmodule sind so konzipiert, daß nach der Ermittlung jedes Teilergebnisses Benutzer und Systemplaner gemeinsam darüber entscheiden, ob der vorgeschlagene Entwurf akzeptiert werden kann oder durch die Modifikation von Parametern geändert werden soll. Ein Planungsschritt wird erst abgeschlossen, wenn die Entwicklungsergebnisse allen systemtechnischen und benutzerbezogenen Anforderungen entsprechen. Die Ergebnisse werden gespeichert und als Input für den nachfolgenden Planungsschritt verwendet.

Grundlage für Computerauswahl und Feinprojektierung

Ergebnis dieses interaktiven Planungsprozesses ist eine vollständige Beschreibung des zu entwickelnden Informationssystems. Sie bildet die Grundlage für die Auswahl des optimalen Computersystems und für die Feinprojektierung der DV-Anwendung.

Eine solche computerunterstützte Systementwurfsmethode würde gegenüber den heute verwendbaren Verfahren erhebliche Vorteile besitzen. Sie würde vor allem dazu beitragen, daß

- bestehende Planungslücken und -engpässe beseitigt und sämtliche planungsrelevanten Daten aus der Systemanalyse genutzt werden

- das Risiko einer Fehlentwicklung durch automatisierten Zwangslauf begrenzt beziehungsweise praktisch aus

- die Projektierungsergebnisse weitgehend unabhängig von personellen Engpässen erarbeitet werden - der gesamte Planungsprozeß erheblich beschleunigt wird und damit wesentlich geringere Aufwendungen verursacht als heute.

"Kurzfristdenken" kontra Methodenverbesserung

Trotz dieses hohen Nutzenpotentials einer solchen Planungsmethode sind gegenwärtig noch keine konkreten Realisierungsprojekte in dieser Richtung gestartet worden. Offenbar werden kurzfristig erfolgversprechende anwendungsbezogene Entwicklungsvorhaben noch immer gegenüber langfristig wirksamen Methodenverbesserungen bevorzugt. Es dürfte jedoch angesichts der zu erwartenden Entwicklung der Planungs- und Softwareerstellungskosten höchste Zeit sein, sich von einem solchen Kurzfristdenken zu lösen. Andernfalls wäre zu befürchten, daß die ständig steigenden Entwicklungskosten eine umfassende Planung von Informationssystemen bald nicht mehr zulassen. Welche negativen Konsequenzen dies für die Qualität der implementierten Systeme hätte, ist heute bereits erkennbar.

* selbständiger Unternehmensberater