Marktanteil ausländischer Hersteller in Teilbereichen fast 80 Prozent:

Belgische DV-Industrie kämpft gegen Importe

15.10.1982

BRÜSSEL - Eine jährliche Wachstumsrate von neun Prozent wird für den belgischen Computer- und Peripheriegerätemarkt prognostiziert - von 207-Millionen Dollar 1978 zu geschätzten 317 Millionen 1983. Konfrontiert mit Arbeitslosigkeit in einigen Branchen und bei stagnierenden Investitionen erweisen sich die belgischen EDV-Anwender als konservative Käufer, die an bewährten Produkten und Techniken interessiert sind. Der folgende Beitrag ist die Zusammenfassung einer Studie* des U. S. Department of Commerce.

Viele der für Belgien charakteristischen Klein- und Mittelbetriebe haben noch keine EDV-Anlage, während andere schon so weit sind, auf ein größeres System zu wechseln. Die Verkäufe sowohl von Minicomputern als auch von Universalrechnern sollten zwischen 1978 und 1983 um jährlich 15 Prozent wachsen. So wird sich der gesamte Bereich der Universalrechner, der fast vollständig durch Importe abgedeckt wird, von 75 Millionen Dollar 1978 auf 148 Millionen in 1983 ausdehnen. Der Minisektor soll sich demzufolge von 23 auf 46 Millionen Dollar verdoppeln.

Prognosen sagen für 1983 rund 7000 installierte Minicomputersysteme voraus, ausgehend von 1531 im Jahre 1977. Der Löwenanteil liegt demnach bei Systemen der unteren Preis- und Leistungsklasse. Bescheidener wird die absetzbare Stückzahl von "General Purpose"-Systemen sein, da in diesen Bereichen neue Maschinen meistens nur als Ersatz von alten Anlagen gekauft werden.

BeIgische Anwender bevorzugen komplette Systeme eines Herstellers, so daß der Markt der anschließbaren Peripheriegeräte nur Zuwachsraten von 1,5 Prozent pro Jahr bis 1983 verzeichnet, wo der Gesamtumsatz bei 110 Millionen Dollar liegen soll. Auch in diesem Bereich dominieren die Importe, die jährlich um fünf Prozent steigen.

Voraussichtlich verdoppeln wird sich der Umsatz bei den Kommunikationsrechnern zwischen 1978 und 1983. Die Zuwachsraten der Importe und der einheimischen Industrie halten sich hier etwa die Waage. Die inländische Industrie nimmt trotz harter Konkurrenz amerikanischer und europäischer Hersteller rund 60 Prozent des Marktes ein.

Produzierendes Gewerbe erster EDV-Anwender

Die belgische Fertigungsindustrie hatte Ende 1977 Computer im Wert von etwa 200 Millionen Dollar installiert. Rund die Hälfte aller betriebenen Minicomputer und etwa ein Viertel der kleinen und mittleren Rechner wurden in diesem Industriezweig eingesetzt. Große Unternehmen, eingeschlossen sind Hauptniederlassungen amerikanischer Konzerne, benützen moderne EDV-Methoden wie Datenbankverwaltung und Management-Informationssysteme. Steigende Lohnkosten, vor allem auf dem Bürosektor, könnten jedoch zu einer Wachstumsstagnation der Unternehmen führen und damit auch den Rechnerabsatz einschränken.

Hauptabnehmer von Großrechnern ist der Staat, der 1977 Installationen im Wert von 63 Millionen Dollar getätigt hatte. Im Jahr 1983 sollen die jährlichen Ausgaben für die Datenverarbeitung mit 38 Millionen Dollar ihren höchsten Stand erreichen. Bisher hatte der belgische Staat europäische Hersteller bevorzugt. So war von 1970 bis 1976 Siemens mit 45 Prozent Anteil der größte Lieferant der öffentlichen Hand. Während der letzten Jahre jedoch hat sich auch in Belgien IBM erfolgreich durchgesetzt. Die staatlichen Dienstleistungsbetriebe Post, Telefon- und Telegrafenamt werden 1983 etwa 25 Millionen Dollar für Kommunikationsrechner und entsprechende Peripherie ausgeben. Hier liegen vor allem die Europäer Philips und Siemens gut im Rennen.

Für private EDV-Servicehäuser werden für 1983 Ausgaben auf dem Computersektor von über 16 Millionen Dollar prognostiziert. 40 Prozent der Leistungen dieser Betriebe bestanden 1977 aus reiner Datenverarbeitung, weitere 40 Prozent übernahmen spezielle Dienste wie Consulting, Systemimplementierung so wie die Bereitstellung von schlüsselfertigen Systemen.

Die Bedeutung der bloßen Datenverarbeitung dürfte jedoch in dem Maß abnehmen, wie die vor Ort installierten Minis die Stapelverarbeitung der Rechenzentren reduzieren. Da es in Belgien aber an wirklich gutem EDV-Personal mangelt, steigen die Gewinne der Servicehäuser auf der anderen Seite an.

Der größte Teil der Rechner und der Verarbeitungszeit wird in Belgien von der kommerziellen Datenverarbeitung beansprucht. Ferner ist ein Viertel der Großrechnerzeit für die Datenkommunikation und die Datenfernverarbeitung im Einsatz, während 20 Prozent der Kapazität mittlerer Computer für Kontrollfunktionen benötigt werden.

Eine EDV-Anlage zu mieten steht bei Belgiens Anwendern weiterhin höher im Kurs als sie zu kaufen, doch deutet der steigende Verkauf von kleinen Systemen auf eine graduelle Verschiebung hin. Obwohl die Benutzer nach wie vor dazu neigen, ihre Ausrüstung bei einem einzigen Hersteller zu beziehen, setzt sich doch nach und nach der Trend zu mehreren Lieferanten durch. Trotzdem wird Belgien weiterhin, verglichen mit anderen europäischen Ländern, weit im Rückstand bleiben, was den Einsatz gemischter Hardware in Netzwerken und der verteilten Datenverarbeitung angeht. Eine stetige Expansion ist vor allem für den stark kauforientierten Markt der Add-on-Produkte und den Markt der steckerkompatiblen Geräte vorausgesagt.

Erfolge auf dem belgischen Minicomputermarkt hängen in erster Linie von der Fähigkeit der Hersteller ab, ein komplettes System zu bieten, einschließlich Peripheriegeräten und guter System- und Anwendersoftware. Ebenso wichtige Kriterien für den Verkaufserfolg dürften die Systemimplementierung und die Wartung sein. Immer größere Bedeutung erlangt die spezielle Datenbanksoftware für kleine wie auch für große Unternehmen, die verteilte Datenverarbeitung einsetzen. Unternehmen wie DEC, Honeywell, Hewlett-Packard, IBM, Siemens sowie Norsk Data bieten komplette Systeme mit eigener Software an.

Stark ansteigen wird der Verkauf von Großrechnern, da die Basis der installierten EDV-Anlagen hauptsächlich aus kleineren und mittleren Computern ohne ausreichende Erweiterungsmöglichkeiten besteht. Vor allem die Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen dürften auf diesem Gebiet große Aktivitäten entwickeln, allerdings weniger durch die Marktstruktur in Belgien als durch die Betriebspolitik der Muttergesellschaft bestimmt.

Im Jahr 1978 waren in der Computerindustrie in Belgien rund 25 000 Leute beschäftigt, wovon wiederum etwa 15 000 in der Produktion und im Vertrieb arbeiteten. Die Prognose für 1983 nimmt eine Zahl von über 34 000 Beschäftigten an. 10 000 werden beim Anwender, 17 000 in Produktion und Vertrieb und 6000 in Servicehäusern tätig sein. Die höchsten Zuwachsraten dürften die Softwarehäuser haben, die Programme für Klein- und Mittelbetriebe erstellen.

Auf der Anwenderseite sollen 1983 die angestellten Programmierer von 3500 auf 5000 und die Zahl der Operateure von 2500 auf 3500 steigen. In der Fertigungsindustrie

werden sich keine nennenswerten Zuwachsraten einstellen, da die vermehrte Nachfrage nach EDV-Anlagen hauptsächlich durch den Import abgedeckt wird.

Der Import aus den USA belief sich 1978 auf 101,4 Millionen Dollar, was 39,9 Prozent des Gesamtimports entspricht. 1983 steigt diese Summe auf rund 148 Millionen (35 Prozent) an. Ferner beliefern einige amerikanische Hersteller den belgischen Markt durch ihre europäischen Tochtergesellschaften oder unterhalten in Belgien selbst Produktionsstätten. 80 Prozent der 1977 installierten kleinen, mittleren und großen Anlagen waren amerikanischer Herkunft, 61 Prozent stammten von IBM.

Wegen IBMs marktbeherrschender Position auf dem Universalrechnermarkt sind auch IBMs Peripheriegeräte in Belgien weit verbreitet. Aber auch andere amerikanische Unternehmen, die selbst keine Großanlagen bauen wie Centronics oder ITT, sind auf dem Peripheriemarkt. vertreten. Schalterterminals und Bargeldautomaten kommen von Philips und diversen französischen und deutschen Firmen. Die japanische Konkurrenz wird für 1983 erwartet, zunächst bei Großrechnern und Peripheriegeräten.

Die in Belgien selbst produzierten Computer stammen fast alle von Tochterunternehmen ausländischer Konzerne, in erster Linie von Burroughs, die kleine Systeme und Peripheriegeräte herstellen. Der Umsatz der inländischen Produktion soll 1983 etwa 88 Millionen Dollar (1978 waren es 55,5) betragen.

Die Regierung hat versucht, ausländische Unternehmen zu größerer Aktivität in Belgien zu ermuntern. So wurde Siemens das Angebot eines garantierten Marktes als Gegenleistung für die Errichtung einer Produktionsstätte in Belgien gemacht. Dieser Plan scheiterte jedoch. Auch der Aufbau einer anderen einheimischen Produktion durch ausländische Hersteller scheint derzeit wegen der hohen Kosten für Personal und Produktionseinrichtungen unwahrscheinlich.

*Die 124-Seiten-Studie "The Market for Computers and Related Equipment in Belgium" kostet 15 Dollar und ist erhältlich bei: National Technical Information Service, U. S. Department of Commerce, Springfield, Virginia 22161, Tel.: (703)487-46 50.