Vom 9750-Terminal zum Wintel-PC im Intranet

Beim Umstieg auf das Web blieben die Daten erhalten

07.01.2000
Um ihr Richtfunknetz zu planen und zu verwalten, nutzt die Telekom jetzt das Intranet: Die Terminalanwendung aus den 80er Jahren wurde automatisch auf Web-Standard und Client-Server-Architektur umgestellt. Dieter Keil* beschreibt den Umstellungsprozess.

Jeder telefoniert, jeder hört Radio, aber kaum jemand macht sich Gedanken, wie es funktioniert. Unabdingbar ist beispielsweise eine hindernisfreie Verbindung zwischen dem Sender und Empfänger einer Richtfunkstrecke, die nicht selten über mehr als hundert Kilometer reicht. Und genau hier beginnt es, kompliziert zu werden. Denn wo ist ein geeignetes Grundstück, auf das ein Sendemast gestellt werden kann? Welche Kapazitäten sind dort noch frei, welche Überschneidungen, also Störfrequenzen, müssen beachtet werden?

Wenn von Station zu Station Funksignale übermittelt werden, ist das nur über Frequenzen möglich, die sich auf dieser "Strecke" nicht gegenseitig behindern. Gleiche Frequenzen können auf anderen Strecken problemlos verwendet werden. Aber ein Provider wie die Telekom muss darauf achten, dass dort, wo sich mehrere Sender und Empfänger überschneiden, keine Qualitätseinbußen entstehen. Über Jahre hinweg setzte die Deutsche Telekom AG zur Koordination ihres Richtfunknetzes eine zentrale Datenbankanwendung mit der Bezeichnung "Rinet" ein. Sie verwaltet mittlerweile etwa 10000 "Übertragungseinheiten" - hauptsächlich für Telefon, Radio und Fernsehen - mit 50000 registrierten, störungsfreien Frequenzen, dazu 5000 Grundstücke und 40000 "Grundleitungen". Rund 300 Telekom-Mitarbeiter an 40 über Deutschland verteilten Standorten sind damit beschäftigt.

Dank dieser Applikation erhalten Interessenten Auskunft, welche Frequenzen noch in der relevanten Region zu haben sind. Zugeteilt und genehmigt werden sie von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Verständlich, dass die Behörde und die Deutsche Telekom technisch eng zusammenarbeiten.

Die Software beziehungsweise das gesammelte Wissen sollten, so plante die Telekom, auch den Auskunftsstellen zur Verfügung gestellt werden, die bislang noch nicht online zugreifen konnten. Das schrie geradezu nach einer "geschlossenen Benutzergruppe" im Internet - zumal der Netzbetreiber diese Technik bereits für andere Zwecke einsetzte. Aber wie sollte das funktionieren: hier die Internet-Technologie mit grafischer Oberfläche, HTML, Browser etc., dort das Ergebnis zeichenorientierter Kärrnerarbeit durch verdiente Fortran- und Cobol-Programmierer, begonnen anno 1988.

Die zentrale Rinet-Datenbank stand zehn Jahr lang beim Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) in Darmstadt. Stationiert war sie im Host des Rechenzentrums, abgefragt wurde sie per "Green-Screen"-Terminals, so genannt, weil deren Bildschirme nur grüne Buchstaben darstellen konnten.

Da die Datenbasis seit Jahren kontinuierlich an Quantität und Qualität zugenommen hatte, sollte sie unbedingt weiter genutzt werden. Das stellte Klaus Voges vom Entwicklungszentrum Nord der Telekom-Tochter T-Nova zunächst vor ein Problem. "Eine Neuorientierung war unbedingt notwendig, weil auch andere Standorte mit der Datenbank arbeiten sollten", erzählt der Entwicklungsexperte, dessen Schreibtisch in Bremen steht. "Die Antragsabwicklung sollte erheblich erleichtert und beschleunigt werden, was nur durch eine dezentrale Struktur möglich war. Allerdings - und das war die Schwierigkeit - musste die Datenbasis in der vorhandenen, bewährten Struktur unverändert beibehalten werden."

Möglich machte das ein aus dem Hause Siemens stammendes Software-Tool namens "Webtransactions": Innerhalb von drei Wochen ließ sich die Applikation soweit umstellen, dass sie den autorisierten Anwendern mit grafischer Oberfläche und Mausbedienung via Intranet zur Verfügung stand. Die Datenbasis musste dabei nicht angerührt werden. Auch die etablierte Software- und Hardwaretechnik konnte weiterhin genutzt werden: das Betriebssystem BS2000/OSD3 mit UTM-UDS auf einer Siemens-Anlage des Typs H130 D2 mit 9750-Terminal-Zugriff.

Eine Umstellung auf eine modernere, beispielsweise objektorientierte Datenbankbasis wäre möglich und sogar relativ risikolos gewesen, da mit Webtransactions auch neue Datenbankstrukturen bedient werden. Die Anwender hätten auch nach dieser Umstellung unverändert weiterarbeiten können. Aber das Thema Datenbankmodernisierung hat für die T-Nova-Projektleiterin Birgit Körting keine Priorität.

Weitaus wichtiger schätzt die IT-Fachfrau das Dialog-Reengineering ein. "Die Abläufe beziehungsweise Dialoge außerhalb der eigentlichen Programmierung wurden erheblich effizienter gestaltet", berichtet Körting. "Quasi nebenbei" sei der Host entlastet worden, viele Einzelschritte passierten jetzt auf Wintel-Clients - beispielsweise die Plausibilitätskontrollen. "Früher wurden viele Schlüssel benutzt", erinnert sich die Projektleiterin, "heute kommunizieren die Anwender im Klartext mit dem System." Die zuvor sequentiell ablaufenden Dialoge seien durch intuitiv bedienbare abgelöst worden.

Ein Siemens-Mitarbeiter stellte 115 Dialoge in etwa 100 Programmen auf das Intranet um, ohne die Anwendung vorher zu kennen. Die von Voges geleistete Vorarbeit bestand hauptsächlich in der gedanklichen Umsetzung von Schlüsseln in Texte sowie in der Beschreibung des Fehler-Managements und der Auswahllisten. Webtransactions erstellte aus den Parametern und Beschreibungen Auswahllisten und Radio-Buttons oder Hinweistexte, die sich einblenden, sobald der Maus-Cursor ein Eingabefeld berührt. Aus Funktionstasten wurden Klick-Buttons.

Die Mitarbeiter, die mit dem neuen System arbeiten, benötigen keine Lehrgänge, weil sie Hilfe vom System bekommen. Die neue Anwendungsoberfläche über einem Standard-Web-Browser ist intuitiv und ohne großes Expertenwissen bedienbar. So können sich die Telekom-Leute auf ihre Ingenieurarbeiten konzentrieren.

Erst nachdem die Umstellung erfolgreich abgeschlossen war, verbesserte T-Nova-Mann Voges die HTML-Seiten im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild - eine reine Verschönerungsmaßnahme, die aber letztlich auch die Anwender erfreut.

*Dieter Keil ist Redakteur in Hüttenberg.