Jahresrückblick/Firmengründer und -bosse traten en masse zurück

Beim Stühlerücken war die Softwarebranche unschlagbar

22.12.2000
Eine Bombe wie 1999, als Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer über Nacht gefeuert wurde, ist im vergangenen Jahr nicht geplatzt. Doch schlugen heuer die Rücktritte von Microsoft-Chef Bill Gates, CA-Boss Charles Wang oder Corel-Lenker Michael Cowpland heftige Wellen. Beate Kneuse* wirft einen Blick auf das Personalkarussell, das im Jahr 2000 vornehmlich von Softwareproduzenten in Gang gehalten wurde.

Es war ein denkbar schlechter Start ins neue Jahr. Wer geglaubt hatte, der Standardsoftware-Anbieter Baan, zeitweise als ernst zu nehmender SAP-Herausforderer gehandelt, habe die Durststrecke endlich hinter sich, sah sich schon Anfang Januar gründlich getäuscht. Das vierte Quartal 1999 war so rot wie die vorangegangenen Abschnitte, das Gesamtjahr endete mit einem Minus von 289 Millionen Dollar - und von einem Tag auf den anderen war der niederländische ERP-Spezialist ohne Chefin. Baan-Lenkerin Mary Coleman warf angesichts des Debakels das Handtuch. Nur sieben Monate hatte es die noch bei Amtsübernahme hochgelobte Hoffnungsträgerin auf ihrem Stuhl ausgehalten. Doch mit den Vorschusslorbeeren war es schnell vorbei, nachdem auch ihr nicht einfiel, wie die 1998 begonnene Talfahrt von Baan zu stoppen sei. So verließ die begeisterte Tiefseetaucherin Anfang Januar zum Schrecken von Mitarbeitern, Anwendern und auch Analysten das sinkende Schiff. Nur wenige Tage später tauchte sie bei der Internet Capital Group in San Franzisko als Managing Director of Operations wieder auf, einem Unternehmen, das in E-Commerce-Unternehmen investiert.

Bei Baan sprang Chairman und Ex-Philips-Manager Pierre Everaert als Interims-CEO in die Bresche - und musste mit ansehen, wie ein weiterer einstiger Hoffnungsträger das Weite suchte. Denn kaum hatte Mary Coleman ihr Büro geräumt, tat es ihr Finanzchef James Mooney nach. Ihm war bei Amtsantritt bei Baan der Ruf vorausgeeilt, seit Mitte der 90er Jahre eine der treibenden Kräfte der Reorganisation von IBM gewesen zu sein. Bei den Niederländern indes hatte er seine Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen können. Zwar war die CFO-Position mit Robert Ruijter, ebenfalls einem früheren Philips-Mann, schnell wieder besetzt, doch war unverkennbar, dass Baan neben leeren Kassen und zunehmendem Ärger mit Großinvestoren und Börsenaufsicht nun auch noch in einer satten Führungskrise steckte.

Everaert bemühte sich um Schadensbegrenzung. Er berief Mike Shinya zum weltweiten Vertriebschef und Paul Daly zum President für Nord- und Südamerika. Doch die Führungsriege dünnte weiter aus. So nahm Mitte Februar auch Deutschland-Chef Jürgen Richter, seit 1998 in Amt und Würden, seinen Hut. Möglicherweise nicht ganz freiwillig. Gerüchten zufolge sollen in Deutschland die Umsatzvorgaben nicht erreicht worden sein. An seine Stelle trat des Ex-Sennheiser-Manager Stefan Exner - um seinen Posten beneideten ihn wohl nicht viele. Drei Monate später schließlich hatte Baan auch noch den Weggang von Klaas Wagenaar zu verschmerzen. Bis März 1999 als Chief Operating Manager und Finanzchef für die Niederländer tätig und danach als Vorstandsmitglied Leiter für strategische Initiativen, reizte ihn nun der Posten als Finanzchef des finnischen Mobilfunkunternehmens Sonera mehr.

Interims-CEO Everaert musste bald erkennen, dass eine Gesundung aus eigener Kraft kaum noch zu schaffen war. Zwar zog er in Sachen Sanierung alle Register - von Personalkürzungen und Schließen von Niederlassungen bis hin zum Verkaufen von Produktsparten und Anteilen an andere Firmen - im Mai aber war klar, dass nur noch der Einstieg eines finanzkräftigen Partners, sprich: ein Aufkauf, das Unternehmen würde retten können. Nach zahlreichen Störmanövern seitens einer Aktionärsgruppe sowie der niederländischen ING-Banken-Gruppe, die Baan fast in den Ruin stürzte, übernahm der britische Elektronikkonzern Invensys schließlich im August den ERP-Anbieter und tauschte erst einmal die Führungsriege aus. Interims-Lenker Everaert durfte sich wieder in den Aufsichtsrat zurückziehen, worüber er wohl kaum traurig war, Vertriebschef Mike Shinya und Chief Marketing Officer Katrina Roche mussten wie vier weitere Topmanager das Unternehmen verlassen.

Mit dem Aufbau einer neuen Führungstruppe wurde Entwicklungsleiter Laurens van der Tang beauftragt - unter dem wachen Auge von Bruce Henderson, dem Lenker der Invensys-Software- und -Services-Division (ISS). Seither tüfteln alle Beteiligten an der Integration - und das läuft bislang ohne große Schlagzeilen ab.

Neue Verhältnisse bei Microsoft

Zu einer eher unerwarteten Flucht von Topmanagern kam es beim Softwaregiganten Microsoft. Die Abwanderung von Finanzchef Greg Maffai zum Jahreswechsel war noch keine große Überraschung. Der 39-Jährige hatte schon länger mit seinem Abschied geliebäugelt. So war er Ende vergangenen Jahres beim Kabel-TV-Anbieter Road Runner für den Chefposten vorgesehen, sein Wechsel scheiterte aber am Veto von Teilhaber Bill Gates. Anfang Januar aber gab es für Maffei kein Halten mehr. Er übernahm die CEO-Position bei dem kanadischen TK-Anbieter Worldwide Fiber Inc.

Nur zwei Wochen später stand die Branche allerdings Kopf. Reizfigur Bill Gates gab am 13. Januar mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als CEO bekannt und übertrug die Verantwortung an seinen langjährigen Weggefährten Steve Ballmer. Gates wolle künftig neben seinem Verwaltungsratsvorsitz Microsoft als Softwarestratege in der neu geschaffenen Position eines Chief Software Architect neue Impulse bescheren. Nicht die 25 Jahre an der Spitze seines Unternehmens hatten die Kräfte des reichsten Mannes der Welt verschlissen, sondern das seit 1999 laufende Kartellverfahren. Nur einen Tag vor Gates´ Rückzugserklärung war weltweit durch die Medien gegangen, dass Microsoft wegen seiner Monopolstellung und seiner rüden Geschäftspraktiken zerschlagen werden soll. Gates selbst bestritt jeglichen Zusammenhang seiner Demission mit dem Verfahren. Er habe schon vor zwei Jahren mit der Beförderung Ballmers zum President seinen Rückzug eingeleitet. Nun sei er den Weg lediglich zu Ende gegangen.

Unternehmenskenner allerdings mutmaßten, der 44-Jährige wolle sich im Monopolverfahren aus der Schusslinie nehmen. Immer wieder hatte er zuletzt vor Gericht eine denkbar schlechte Figur abgegeben und seinem Unternehmen mehr geschadet als genutzt. Somit wartete auf Gates-Intimus Ballmer eine echte Herausforderung. Eine seiner vorrangigsten Aufgaben war es, das angeschlagene Image des erfolgsverwöhnten Softwareriesen aufzupolieren. Durch Sanftmut und Freundlichkeit war er allerdings in der Vergangenheit noch nie aufgefallen. Wohl auch deshalb beförderte er die frühere Apple-Managerin Linda Stone zum Vice President of Corporate and Industry Initiatives. Sie hatte zuvor bei Microsoft eine Forschungsgruppe geleitet und sollte nun für ein positives Erscheinungsbild des Softwaremolochs in der Öffentlichkeit sorgen.

Herausragende Fähigkeiten sagte man Ballmer in Sachen Mitarbeitermotivation nach. Den Beweis dafür blieb der 43-Jährige zumindest im zurückliegenden Jahr eher schuldig. Hatte schon 1999 die alte Microsoft-Garde - genervt vom Kartellverfahren - Auflösungstendenzen gezeigt, so setzte sich dieser Prozess fort. Immer wieder gingen langjährige Topmanager in mehrmonatige Ferien, um danach zu kündigen. So wie der langjährige Chief Technical Officer Nathan Myhrvold, der sich mittlerweile um junge Biotech-Unternehmen kümmert, oder Vice President Paul Maritz, zuständig für Plattform- und Entwicklungsstrategien, den der vorgezogene Ruhestand lockte. Oder aber sie quittierten gleich den Dienst. So wie Todd Nielsen, Vice President für Entwicklungs-Marketing und Vater der Next Generation Windows Services, dem Kern der neuen Internet-Strategie von Microsoft.

Leiser Abgang bei Computer Associates

Ebenfalls völlig unerwartet, allerdings ohne großes Getöse, ging auch bei Computer Associates eine Ära zu Ende. Im August gab Gründer und CEO Charles Wang das Zepter aus der Hand. Fortan, so verkündete er, werde er nur noch als Chairman fungieren, wolle in dieser Position aber nach wie vor nach neuen Beteiligungen Ausschau halten. Der drittgrößte amerikanische Softwarehersteller war unter seiner Führung immer wieder durch spektakuläre Übernahmen aufgefallen. In diesem Jahr hatte CA mit dem Kauf des Tool-Spezialisten Sterling Software zugeschlagen - ein Schachzug, der Analysten zwar begeisterte, aber letztendlich keinen Zugewinn bedeutete. Insidern zufolge stieß man bei der Integration der Sterling-Werkzeuge in CAs Systemumgebung "Unicenter" auf unerwartete Probleme. Mitte September gab man bekannt, Sterling wieder verkaufen zu wollen - allerdings mit der Begründung, den Börsenkurs stimulieren zu wollen. Der war im Juli nach schwachen Quartalsergebnissen kräftig abgesackt und dümpelte seither vor sich hin, da sich auch die von Investoren vehement geforderten Umstrukturierungen nicht einstellten.

Über seine Rücktrittsgründe hielt sich CA-Boss Wang bedeckt. Möglich, dass er nach 24 Jahren Firmenleitung einfach keine Lust mehr auf Neuausrichtung, Entlassungen und Umbaumaßnahmen hatte, die zunehmend unumgänglicher wurden. Denn das schlechte Ergebnis im zweiten Quartal hatte ans Tageslicht gebracht, dass die Abhängigkeit vom Mainframe-Riesen IBM weitaus höher ist, als Wang und seine Mannschaft dies in den 90er Jahren mit Aufkommen der Client-Server-Welle hartnäckig hatten glauben machen wollen. Big Blue spielte einmal mehr sein beliebtes Spiel der verzögerten Mainframe-Auslieferung und verunsicherte da-rüber hinaus mit lautem Nachdenken über benutzerunabhängige Pricing-Modelle nicht zuletzt viele CA-Anwender, die ihre Investitionen erst einmal einfroren. Nun obliegt es Nachfolger Sanjay Kumar, CA wieder auf Vordermann zu bringen. Dessen Nominierung war keine Überraschung. Schon seit Jahren hatte er Firmenvater Wang treu zur Seite und zuletzt immer häufiger im Rampenlicht gestanden.

Zerwürfnis bei OracleWas Baan, Microsoft und CA recht ist, ist uns nur billig, schien man sich bei Oracle, Informix und Corel zu denken. Auch sie hatten im Laufe des Jahres prominente Abgänge zu vermelden - und das lief nicht immer friedlich ab. Heftige verbale Attacken tauschten Oracle-CEO Larry Ellison und sein Stellvertreter Ray Lane im Juli in aller Öffentlichkeit aus, nachdem der Chief Operating Officer das Weite gesucht hatte. Ellison, als Egozentriker hinlänglich bekannt, erklärte den Ausstieg seines Adjutanten für diesen wenig schmeichelhaft damit, sein COO habe immer nur seine eigene Show gewollt und nicht verkraftet, dass er aufgrund diverser Veränderungen seines Jobs Autonomie eingebüßt habe.

Lane, im Gegensatz zu seinem Chef nicht unbedingt Publicity-gierig, revanchierte sich wenig später mit seiner Version. Ellison habe zunehmend seinen Verantwortungsbereich beschnitten und seine Autorität untergraben. Teilweise seien Treffen der Führungsmannschaft ohne ihn einberufen worden, war er anwesend, habe ihn Ellison bewusst ignoriert. Einmal habe er ihn vor anwesenden Managern niedergeschrien, weil er über einen geplatzten Kontrakt nicht informiert gewesen war. Lane habe mehr und mehr den Eindruck gewonnen, nicht mehr erwünscht zu sein. Dies habe er gegenüber seinem Chef geäußert - und dieser habe nicht widersprochen. Der COO, bis dato immerhin seit acht Jahren für den Datenbankspezialisten tätig, quittierte daraufhin den Dienst. Knapp zwei Monate nach dem verbalen Scharmützel tauchte er wieder auf: als General Partner des kalifornischen Venture-Capitalisten Caufield & Buyers.

Anfang Dezember verlor Ellison einen weiteren hochrangigen Manager. Gary Bloom, als Executive Vice President unter anderem zuständig für das Datenbank- und "Applications"-Geschäft sowie das Marketing, tauschte seine Position gegen den CEO-Posten bei Oracle-Partner Veritas Software ein. Im Gegensatz zu Lanes Ausstieg ging das harmonisch über die Bühne. Zumindest in der Öffentlichkeit wurde keine schmutzige Wäsche gewaschen. Ellison erklärte vielmehr, er freue sich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Bloom in dessen neuer Position.

Ein egozentrischer Firmenchef machte Oracle-Kontrahent Informix nicht zu schaffen. Vielmehr kommen die Kalifornier seit ihren Bilanzmanipulationen vor drei Jahren nicht mehr so recht auf die Beine. Gründer Phil White hatte zwar damals sein CEO-Amt in andere Hände gelegt. Bäume ausreißen konnten aber weder sein direkter Nachfolger Robert Finocchio noch Jean-Yves Dexmier, der im Mai 1999 zum Frontmann ernannt wurde. Informix, einst viel gelobtes Datenbankschwergewicht, dümpelte mehr schlecht als recht vor sich hin. Dexmier wurde im Juli vor die Tür gesetzt. An seine Stelle trat Peter Geyenes, der als Ex-Chef der von Informix gekauften Ardent Software CEO-Erfahrung mitbrachte. Er krempelte die Ärmel hoch und Informix um. Im September wurde bekannt, dass sich der Datenbankhersteller in zwei Unternehmen aufsplittet - in Informix Software und eine noch namenlose, auf E-Business-Lösungen spezialisierte Gesellschaft, die beide als Tochtergesellschaften unter dem Informix-Dach angesiedelt werden.

Damit kam das Personalkarussell erst richtig in Gang. Geyenes übernahm zusätzlich zu seinem CEO-Job bei Informix noch den Chairman-Posten, den zuletzt Finocchio innegehabt hatte, aber ausgestiegen war. Yon Yoon Jorden, erst im Mai zur Finanzchefin avanciert, musste den Platz Anfang November bereits wieder räumen - zugunsten ihres Kollegen Jamie Arnold, der bis dato als Vice President Finance & Operations fungiert hatte. Arnold erhielt gleich einen Zweitjob: Er wurde auch bei Informix´ Datenbanktochter der Herr über die Zahlen. Zentraleuropa-Chefin Barbara Stanley, seit Februar 1998 in München in Amt und Würden, beschloss, ihren Posten aufzugeben und sich in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika um die Neuorganisation von Informix zu kümmern. Ihr folgte Rudolf Künstler nach, der im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn auch schon Datenbankluft bei Oracle geschnuppert hat.

Neue Töne bei Corel

Mitte August gab Michael Cowpland auf. Dem Gründer, CEO und Chairman des kanadischen Softwareproduzenten Corel waren die Ideen ausgegangen, wie er sein in eine gefährliche Schieflage geratenes Unternehmen retten könnte. Anfang des Jahres hatte sich der 57-Jährige die Übernahme von Inprise (ehemals Borland) auf die Fahnen geschrieben mit dem Ansinnen, eine Linux-Company zu schaffen. Sein tatsächlicher Beweggrund aber war, so stellte sich später heraus, durch den Deal an die Bargeldreserven von Inprise zu kommen, um so die eigene malade Cash-Situation aufzubessern.

Doch im Mai platzte der Deal. Zum einen hatten die Kanadier das erste Quartal mit einem deutlichen Verlust abgeschlossen, zum anderen war durch eine Pflichtmitteilung an die amerikanische Börsenaufsicht SEC bekannt geworden, dass Corel spätestens im Juli das Geld ausgehen würde, wenn man keinen Investor finden würde oder die Inprise-Übernahme nicht zustande käme. Das war zu viel für die Corel-Anleger. Der Aktienkurs geriet heftig unter Druck und machte damit die Fusion für die Inprise-Aktionäre unattraktiv. Corel geriet in die schlimmste Krise seiner Firmengeschichte und Chief Technology Officer Derek Burney in die Verlegenheit, nach Cowplands Rücktritt die Geschicke des Unternehmens übergangsweise zu leiten. Anfang Oktober wurde er allerdings offiziell zum CEO ernannt, nachdem sich auf sein Betreiben hin endlich ein Investor gefunden hatte und damit Corels Existenz vorerst gesichert war. Der Retter in höchster Not hieß Microsoft - Cowplands Erzfeind.

Graue Eminenz bei Compaq tritt ab

An der Hardwarefront ging es im abgelaufenen Jahr in Sachen "hire and fire" in den Chefetagen eher friedvoll zu. Einzig die PC-Produzenten, in diesem Jahr allesamt nicht mit glänzenden Ergebnissen verwöhnt, gerieten durch mehrere prominente Abgänge in die Schlagzeilen. So verlor Dell im März seinen Europa-Chef John Legere an den Carrier Asia Global Crossing. Legere war noch nicht einmal ein Jahr im Amt gewesen. Ersetzt wurde er durch Paul Bell, bis dahin Vice President und Co-General Manager für Dells Home-and-Small-Business. Anfang April entschwand Zentraleuropa- und Deutschland-Chef Edmund Bernardi und überließ seinen Platz Mathias Schädel.

Apple hatte gleich für drei Toppositionen Nachfolger zu suchen. Im Februar ging Europa-Frontmann Diego Piacentini - ein Dankesschreiben von Vertriebschef Mitch Mandich für die gute Zusammenarbeit in der Tasche. Ob Mandich ein ebensolches von Apple-Lenker Steve Jobs bekam, als er im Oktober abwanderte, ist nicht bekannt. Möglich ist das aber schon, denn der 51-Jährige galt als enger Vertrauter des Apple-Gründers. Ende November schließlich räumte der für das Marketing zuständige Vice President Steve Wilhite das Feld.

Weitgehend unauffällig in Personaldingen verhielt sich Compaq, was nach dem letztjährigen Management-Abschuss nicht verwunderlich war. Zwar musste man im Mai den Ausstieg des ehemaligen Digital- und Tandem-Topmanagers Enrico Pesatori verschmerzen, den es als CEO und President zum kalifornischen Startup Synaxia Networks zog. Dafür hatte man zwei Monate zuvor mit Jesse Green, bis dato Vice President bei Kodak, endlich einen Chief Financial Officer gefunden. Die Stelle war seit dem Rücktritt von Earl Maison im Zuge des Rauswurfs von Pfeiffer seit April 1999 vakant gewesen. Anfang Oktober horchte die Branche dann aber auf: Chairman Benjamin Rosen, der die Gründung des texanischen PC-Herstellers Anfang der 80er Jahre mitfinanziert hatte und seither Drahtzieher bei allen wesentlichen Personalentscheidungen gewesen war, räumte das Feld.

So wird wenigstens der jetzige Compaq-Chef Michael Capellas wohl nie erleben, was es heißt, bei der grauen Eminenz in Ungnade zu fallen - im Gegensatz zu Firmengründer Rod Canion und dem einstigen Compaq-Retter Pfeiffer.

Gewaltig krachte es dafür beim im Oktober 1999 an den Start gegangenen japanisch-deutschen PC-Gebilde Fujitsu-Siemens. Von einem Tag auf den anderen waren die beiden Geschäftsführer Winfried Hoffmann und Robert Hoog Ende März ihre Jobs los. Ausschlaggebend dafür waren nicht nur die miesen Zahlen - von Oktober bis Ende Januar hatten sich Verluste von immerhin 40 Millionen Euro angesammelt -, auch geschäftliche Unregelmäßigkeiten sollen vorgekommen sein, die eine Firmenrevision ans Licht brachte. An die Stelle des Duos trat zwei Wochen später Paul Stodden.

Der langjährige Siemens-Mann hat seitdem als alleiniger Herrscher die schwierige Aufgabe, das Unternehmen wieder zuverlässig auf Erfolgskurs zu bringen. Dass mit Bernd Puschendorf im Juli der Chef des Großkundengeschäfts ging, machte Stoddens Mission nicht gerade leichter. Puschendorf übernahm den Vertriebsvorstandsposten beim hessischen Systemhaus M+S. An seine Stelle bei Fujitsu-Siemens trat Achim Berg.

Deutsche Softwarechefs im Zwielicht

Die Denker und Lenker deutscher Softwarehäuser standen ihren amerikanischen Kollegen in Sachen Führungsquerelen und wackelige Finanzen nicht nach. Allen voran dabei die am Neuen Markt notierten Unternehmen.

Vor allem bei Brain International, Ixos, CPU und Infomatec hing der Haussegen mächtig schief. Die Branche begeisterte sich noch am ausgebliebenen Super-Gau in Sachen Jahr-2000-Problem, da nahm Helmut Polzer, einer der drei Vorstandschefs von Brain International seinen Hut. Gemunkelt wurde, dass sich der Technik-Frontmann mit seinen beiden Kollegen Kurt Rembold und Thomas Holzer nicht einigen konnte, wie und wo sich das Unternehmen künftig positionieren solle. Brain war 1998 aus der Fusion von Polzers Softwarehaus BIW in Weinstadt und dem Breisacher Pendant Rembold + Holzer entstanden.

Was anfangs als harmlose Unstimmigkeiten von Fusionspartnern erschien, entpuppte sich in den folgenden Monaten als handfeste Krise.

Finanziell stand es keineswegs rosig

Die angestrebte Zusammenführung der beiden PPS-Produktlinien klappte nicht und wurde wieder verworfen. Dafür machte das Brain-Management die Fusion ein Stück weit rückgängig. Im Juli erfolgte - entsprechend der angestammten Produktportfolios von R+H sowie BIW - die Zweiteilung des Unternehmens in Brain Automotive Solutions mit Sitz in Breisach und Brain Industrie Solutions, angesiedelt am alten BIW-Standort in Weinstadt. Auch finanziell stand es keinesfalls rosig. Der Umsatz war in den ersten sechs Monaten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, beim Gewinn vor Steuern war ein Minus von 30 Millionen Mark zu beklagen.

Mitbegründer und Finanzvorstand Holzer strich die Segel und überließ Rembold allein das Feld. Der übertrug Eckhard Rein die Verantwortung für das Finanzressort und gab sich fortan alle Mühe, das schlingernde Schiff wieder auf Kurs zu bringen.

Von Erfolg waren seine Anstrengungen nicht gekrönt. Im September wurde bekannt, dass Brain gut ein Fünftel seiner 1400 Mitarbeiter entlassen wird. Zudem machten Gerüchte die Runde, die profitablen Bereiche des Unternehmens stünden zum Verkauf, weil das Unternehmen Liquiditätsprobleme habe.

Rembold dementierte heftig - um acht Wochen später mit der Baader Wertpapiershandelsbank AG einen Großinvestor an Bord zu holen und selbst das Ruder aus der Hand zu geben. Er überließ den Vorstandsvorsitz Hans-Peter Eitel, der Anfang Oktober als Entwicklungschef zu Brain gestoßen war und die Nachfolge des abgewanderten Peter Faßbinder angetreten hatte. Rembold selbst blieb allerdings im Brain-Vorstand weiter aktiv, als Verantwortlicher von Brain Automotive Solutions. Weniger gut erging es Finanzchef Rein. Nach nur drei Monaten im Amt musste er sich nach dem Einstieg von Baader ein neues Betätigungsfeld suchen.

Sie hatten hochfliegende Pläne und stürzten regelrecht ab. Die Lenker der beiden Augsburger Softwarehäuser CPU Softwarehouse AG und Infomatec Integrated Information Systems AG taten alles, ihre Unternehmen in den Ruin zu treiben. Anleger und Kunden fielen von einem Schrecken in den anderen. Bei CPU, Spezialist von Finanzsoftware, war die Glaubwürdigkeit von Firmengründer und Vorstandschef Joachim Furch bei den Aktionären schon Ende vergangenen Jahres angeknackst. Seit dem Gang an den Neuen Markt im Frühjahr 1999 hatte er die Öffentlichkeit mit Ad-hoc-Meldungen über Zukäufe, Auslandsexpansion und positive Ergebnisentwicklungen förmlich bombardiert. Doch als es brisant wurde, blieb der Ticker kalt. Im November 1999 ließ Furch auf der Comdex durchblicken, dass man am Ende des Jahres entgegen der im September publizierten Meldung, 11,4 Millionen Mark Profit zu erzielen, rote Zahlen in Höhe von rund 4,5 Millionen Mark schreiben werde. Dies sickerte nach Deutschland durch, noch bevor Furch eine offizielle Mitteilung gemacht hatte. Folge: Er rückte ins Visier des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, das Ermittlungen in Sachen Verstoß gegen Insider-Regelung und Ad-hoc-Publizität aufnahm.

Was zunächst noch als unprofessionelles Verhalten eines Börsenneulings angesehen wurde, entpuppte sich im Laufe dieses Jahres als Desaster. CPU musste im April für das abgelaufene Geschäftsjahr ein Defizit von fast zehn Millionen Mark bekannt geben. Auch das Umsatzziel von rund 36 Millionen Mark wurde mit 28,6 Millionen deutlich verfehlt. Die Aktie, seit November ohnehin auf Talfahrt, stürzte weiter ab. Furch versprach bessere Zeiten, ohne dies halten zu können. Für das erste Quartal wurden mit zehn Millionen Mark erneut hohe Verluste ausgewiesen. Immer offensichtlicher wurde, dass sich die CPU-Vorstandschaft mit ihren Expansionsgelüsten völlig übernommen hatte. Furch war nicht länger tragfähig. Im Juni trat der CPU-Gründer zurück - vorgeschoben wurden gesundheitliche Gründe. Seinen Posten übernahm mit Bernd Erlingheuser ein Banker.

Dessen erste Amtshandlung bestand darin, den ohnehin schon entnervten Aktionären auf der Hauptversammlung einen Halbjahresverlust von 21,8 Millionen Mark zu verkünden und für das Gesamtjahr 2000 ein Minus von satten 55 Millionen Mark in Aussicht zu stellen - bei einem erwarteten Umsatz von 20 Millionen. Gleichwohl versicherte er, das Unternehmen verfüge über ausreichende finanzielle Ressourcen für einen soliden Neuanfang, versprach einen harten Sanierungskurs und die Positionierung CPUs in Richtung Systemhaus. Dabei lässt er sich von Manfred Köhler unterstützen, den er im August an seine Seite holte, nachdem die restlichen Vorstandsmitglieder Kay Schleef und Karlheinz Glückstein gefeuert worden waren. Ob das neue Vorstandsduo das Unternehmen retten kann, steht noch in den Sternen. Gelingt es nicht, dürfte CPU im neuen Jahr Übernahmekandidat Nummer eins sein.

Möglicherweise aber drängelt sich diesbezüglich Infomatec vor. Die Überlebenschancen des auf Softwarelösungen für den PC-unabhängigen Internet-Zugang spezialisierten Unternehmens sind nicht minder zweifelhaft. Mitte des Jahres kam ans Licht, dass es die beiden Firmengründer Gerhard Harlos und Alexander Häfele bei Ad-hoc-Meldungen mit der Wahrheit in der Vergangenheit nicht genau genommen hatten. Großaufträge, Vertriebspartnerschaften und Entwicklungskooperationen waren verkündet worden. Bei genauerer Überprüfung stellten sie sich jedoch ein ums andere Mal als Luftblase heraus.

Kaum waren diese und andere Machenschaften publik geworden, war bei Infomatec Feuer unterm Dach. Im September machten Harlos und Häfele Bekanntschaft mit der Augsburger Staatsanwaltschaft und später mit der Untersuchungshaft. Die Ermittler hatten die aufgekommenen Vorwürfe, die beiden Firmengründer hätten im Zusammenhang mit zweifelhaften Ad-hoc-Meldungen Aktien aus ihren Beständen verkauft, unter die Lupe genommen. Die Infomatec-Lenker wiesen jeden Verdacht des Insider-Handels und der Kursmanipulation von sich. Klage hatte aber auch die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre eingereicht - wegen gefälschter Ad-hoc-Meldungen. Grund: Der Anfang Juli angeheuerte Chief Operating Officer Hanspeter Kipfer revidierte Ende August die ursprünglich gemachten Prognosen für das Geschäftsjahr 2000. Statt 90 bis 100 Millionen Euro Umsatz werde Infomatec gerade mal 50 Millionen einnehmen, und in Sachen Ergebnis sei mit einem operativen Verlust von 25,9 Millionen Euro zu rechnen. Zuvor hatte Kipfer auch andere frühere Ad-hoc-Meldungen des Unternehmens korrigiert.

Katzenjammer bei Ixos

In der Folge kündigten Banken ihre Kreditlinien und forderten millionenschwere Darlehen zurück. In einer Liquiditätskrise, behauptete Finanzchef Karl Gruns, stecke Infomatec nicht. Gleichzeitig drohte der Ausschluss vom Neuen Markt. Der jedoch konnte gerade noch verhindert werden, weil Infomatec mit Lang & Schwarz Financial Services sowie Future Securities zwei neue Betreuer für sich gewinnen konnte. Das bisherige Ende der traurigen Geschichte: Harlos und Häfele erklärten ihren Rücktritt. Nachfolger - wen wundert´s - sind noch nicht gefunden.

Er liebäugelte schon lange mit einer Rückkehr in die Softwarebranche. Im Juli war es soweit: Robert Hoog, wenige Monate zuvor als Mitgeschäftsführer bei Fujitsu-Siemens wegen Erfolglosigkeit vor die Tür gesetzt, nahm beim Münchner Dokumenten-Management-Spezialisten Ixos auf dem Chefsessel Platz. Er trat die Nachfolge von Mitbegründer Hans Strack-Zimmermann an, der das Unternehmen erst in die roten Zahlen manövriert und dann das Zepter aus der Hand gegeben hatte, um im Aufsichtsrat unterzutauchen. Sang- und klanglos war kurz zuvor schon Vertriebschef Willy Söhngen verschwunden. Finanzchef Vijay Sondhi erklärte ebenfalls seinen Rücktritt, blieb dem Unternehmen aber treu, bis ein Nachfolger gefunden war. Anfang Oktober übernahm Branchen-Newcomer Peter Rau das Finanzressort von Ixos.

Ob Hoog die schwächelnde Ixos AG wieder auf die Erfolgsspur hieven kann oder sein Posten ein Schleudersitz ist, wird sich zeigen. Mit Hilfe einer umfassenden Restrukturierung will er zunächst einmal Ordnung in den Ixos-Reihen schaffen und die ausgeuferten Kosten in den Griff bekommen. Dass stabile Ergebnisse, sprich: Umsatzwachstum und Profit, von ihm verlangt werden, versteht sich von selbst. Dafür aber bringt er nicht gerade gute Zeugnisse mit. Bei Fujitsu-Siemens waren in seiner kurzen Amtszeit hohe Verluste angefallen.

Weitaus interessanter wird sein, ob es dem Branchenneuling gelingt, den zuletzt von den Münchnern an den Tag gelegten Wackelkurs in Sachen SAP zu begradigen. Zwar ist Ixos im R/3-Umfeld unbestrittener Marktführer bei Archivierungssystemen, weil man sich schon sehr früh auf die SAP-Schiene begeben hat. Doch das Wettbewerbsklima ist rauher geworden und macht den Aufbau zusätzlicher Geschäftsfelder erforderlich.

Keine Zeit mehr für Proberunden

Bislang indes sind Ixos´ Abnabelungsversuche nicht von Erfolg gekrönt. Dies muss Hoog schnell ändern, ohne dabei allerdings das SAP-Geschäftspotenzial zu schwächen. Zeit für Proberunden, so sind Insider überzeugt, hat er dabei nicht. Denn die Kontrahenten lauern nur auf einen Fehler. Noch mehr aber vermutlich darauf, dass die Softwareschmiede die Waffen strecken und sich kaufen lassen muss.