Moderne Wirtschaftsstrukturen erfordern spezielle Netzservices

Beim Outsourcing sind Netz-User fast immer auf der Gewinnerseite

19.02.1993

Der geographische Radius, innerhalb dessen die Unternehmen heutzutage operieren muessen, um wettbewerbsfaehig zu bleiben, waechst. Bei den Finanzdienstleistungen sind die fuehrenden Anbieter heute bereits weltweit praesent. Auch in Europa muessen die Unternehmen zunehmend laenderuebergreifend vertreten sein.

Dies galt bereits in der Vergangenheit, ist jetzt aber mit der Schaffung des europaeischen Binnenmarktes seit 1. Januar 1993 noch dringlicher geworden. Diese Globalisierung der Geschaeftsaktivitaeten setzt die Kooperation und Integration des wirtschaftlichen Handelns und damit effektive Kommunikationsnetze voraus.

Weiterhin Wachstum bei Value-Added-Networks

Ein Spiegelbild dieser Entwicklung ist die wachsende Nachfrage nach unternehmensweiten und unternehmensuebergreifenden Netzen sowie entsprechenden Services. So erwartet das Kronberger Marktforschungsinstitut IDC beispielsweise im weltweiten Markt fuer Value-Added-Networks bis 1994 ein jaehrliches durchschnittliches Wachstum von beachtlichen 16,4 Prozent.

Ein Grund fuer diese Entwicklung ist die Tatsache, das der Wettbewerb in weltweiten Maerkten immer kuerzere Geschaeftszyklen zur Folge hat. Produkte, zu deren Entwicklung bis hin zur Marktreife frueher fuenf Jahre veranschlagt wurden, gelangen heute bereits nach nur einem Jahr auf den Markt.

Gerade die Telekommunikation ist eine der wesentlichen Techniken, mit deren Hilfe die Unternehmen schneller reagieren koennen. Sie verringert Verzoegerungszeiten bei der Kommunikation zwischen verschiedenen Niederlassungen und senkt zudem auch noch die Geschaeftskosten.

So hilft beispielsweise Electronic Data Interchange (EDI) Ausgaben zu sparen, die bei papiergebundenen Transaktionen anfallen wuerden. Im heutigen internationalen Geschaeftsumfeld steigert die Telekommunikation aber auch die Qualitaet der Management- Informationen, wodurch immer effizienter werdende Berichtssysteme genutzt werden koennen. Hierdurch ist dem verantwortlichen Management beispielsweise eine bessere Kontrolle der Geschaeftsentwicklung in geographisch entfernten Niederlassungen moeglich.

Das verbesserte Angebot bei TK-Mehrwertdiensten hat den Trend zur DV im Netz beguenstigt. Durch das Zusammenwirken von DV, Bueroautomation und Telekommunikation sowie das Aufkommen verteilter Umgebungen favorisieren immer mehr Unternehmen Verarbeitungsmuster, bei denen die Rechnerressourcen nicht mehr zentral an einem Standort zusammengefasst, sondern ueber das gesamte Unternehmen verteilt und durch Kommunikationsverbindungen miteinander gekoppelt sind.

Die Deregulation der TK-Maerkte in Europa, in Deutschland seit 1989 in Paragraph 1, Absatz 4 des Fernmeldeanlagengesetzes institutionalisiert, hat das Monopol der nationalen PTTs groesstenteils gebrochen und alte sowie neue Anbieter mit Diensten auf den Plan gerufen, die besonders auf die Beduerfnisse der Anwender zugeschnitten sind. Unter dem wachsenden Konkurrenzdruck uebertrumpfen sich die Diensteanbieter derzeit mit innovativen Loesungen fuer unterschiedliche Kundengruppen.

Deckten die Anwender in der Vergangenheit ihren TK-Bedarf hauptsaechlich durch den Unterhalt privater Netze, wird diese Praxis mit zunehmenden Anforderungen in Sachen Reichweite

und Komplexitaet immer fragwuerdiger. Zum einen schafft der verstaerkte Einsatz neuer Hardware in den Unternehmen und deren Verbindung untereinander grosse Kompatibilitaetsprobleme, vor allem auch, weil das vorhandene Equipment in der Regel von der Standardisierung unberuehrt bleibt. Generell nimmt zudem die Komplexitaet der verwendeten Technologie zu.

Auch Grossanwender verfuegen heute oft nicht mehr ueber die erforderlichen Ressourcen oder das Know-how, um sich etwa die EDI- oder X.400-Technologie ohne fremde Hilfe nutzbar zu machen. Mit den neuen, sehr schnellen Netzen mit hoher Uebertragungsbandbreite werden die Netzdienste noch komplexer. Ausserdem faellt es den Unternehmen immer schwerer, qualifiziertes Personal fuer die Implementierung und den Betrieb moderner Topologien auszubilden oder zu akquirieren. Gelingt den Firmen dies trotzdem, laufen sie Gefahr, dass ihnen diese Mitarbeiter wieder abgeworben werden.

Generell haben mit den Problemen, die in der Vergangenheit nur den DV-Abteilungen der Unternehmen zu schaffen machten, heute auch die betrieblichen Kommunikationsabteilungen zu kaempfen - sie wachsen unkontrolliert, und die Kosten schnellen in astronomische Hoehen. Dabei rechtfertigt der Nutzen oft nicht den Aufwand. Mit diesem Phaenomen sind insbesondere Unternehmen konfrontiert, die sich durch eine dezentrale Organisationsstruktur auszeichnen.

Fachpersonal bindet ueberfluessige Ressourcen

Ein Unternehmen, das aus autonomen Geschaeftseinheiten besteht, muss die Verantwortung fuer die betrieblichen Netze entweder einer Zentralstelle oder einer speziellen Division uebertragen. Keine dieser Alternativen ist fuer die nicht beruecksichtigten Abteilungen besonders attraktiv und akzeptabel. Hinzu kommt, dass bei einer ueber verschiedene geographische Orte verteilten Organisationsstruktur das Fachpersonal fuer die Netzimplementierung und -unterstuetzung an allen Standorten praesent sein muss, was beachtliche personelle Ressourcen bindet und letztlich Ueberkapazitaeten schafft.

Eine Loesung dieser Probleme sehen heute viele in dem breiten Spektrum der TK-Mehrwertdienste. Beispielsweise koennen dort verschiedene Anwender die Uebertragungs-, Umschaltungs- und Netzverwaltungs-Moeglichkeiten gemeinsam nutzen. Dies bedeutet eine groessere Rentabilitaet, was sich vorteilhaft auf die Betriebskosten des einzelnen Anwenders auswirkt. Zudem koennen die User von hochentwickelten Verwaltungseinrichtungen und anderen Leistungsmerkmalen profitieren, die es heute im Markt gibt.

Routing-Dienste preiswerter genutzt

Die Uebertragungsverbindungen werden hierbei durch Time-Division- Multiplexing-(TDM-)-Merkmale unterteilt, so dass den Kunden individuelle Segmente zugeordnet sind. Eine dynamische Belegung waere zwar zweckmaessiger, ist aber aufgrund noch fehlender Bestimmungen, die die Weiterveraeusserung von Diensten regeln, nicht praktikabel. Da das Netz den Bedarf von zahlreichen Kunden deckt, koennen unterschiedliche Routing-Dienste zu geringeren Kosten in Anspruch genommen werden, als sie ein Unternehmen aufbringen muss, das sein eigenes privates Netz implementiert.

Das benoetigte Switching-System ist ueber die Software so konzipiert, dass ein Standort zwar mit den anderen Stellen des Unternehmens, nicht aber mit den ans Netz angeschlossenen Sites anderer Netzkunden kommunizieren kann. Fuer jeden Kunden erzeugt die Software innerhalb des Netzes ein virtuelles privates Netz. Hierbei kommt der Anwender - was Switching und Uebertragung betrifft - in den Genuss aller Moeglichkeiten, die ein privates Netz bietet, muss dafuer aber wegen der groesseren Teilnehmerzahl weniger zahlen. Die Vorteile dieses Verfahrens schlagen insbesondere bei der Netzverwaltung zu Buche, da durch die besondere Rentabilitaet der jeweilige Betreiber Management-Systeme bereitstellen kann, die sich die einzelnen Anwender vor allem aus Kostengruenden fuer ihre eigenen Netze nicht anschaffen wuerden.

Durch die gemeinsame Nutzung des Netzes kann der Dienstleister zudem aus wirtschaftlichen Gruenden eine groessere Palette hochentwickelter Services und Funktionen anbieten. So machen effiziente Sicherheitsfeatures das gemeinsam genutzte Netz ebenso sicher wie herkoemmliche private Netze. Darueber hinaus werden unterschiedliche Schnittstellen und Protokolle unterstuetzt, um auf diese Weise ein hohes Mass an Connectivity zu gewaehrleisten. Diese Moeglichkeiten stehen mittlerweile nicht nur im Bereich der Datenuebertragung, sondern zunehmend auch bei der Sprach- und Videokommunikation zur Verfuegung.

Netz-Sharing ermoeglicht eine bessere Kontrolle

Gemeinsam genutzte Kommunikationsnetze bieten in der Regel auch umfassendere Informationen zum Netzwerkstatus, mehr alternative Routing-Moeglichkeiten im Stoerfall und - auch wenn das paradox klingen mag - groessere Kontrollmoeglichkeiten als private Netze. Auch die wirtschaftlichen Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen. Fazit: Die Unternehmen koennen die Kosten besser kontrollieren, tragen ein geringeres Risiko, verfuegen ueber eine wirksamere Administration und haben dadurch mehr Kapital fuer das eigentliche Kerngeschaeft zur Verfuegung.

Fuer das Netzwerk-Outsourcing spricht zudem die Tarifneuordnung der nationalen PTTs, die die Betreiber privater Netze mehr denn je dazu zwingt, dreimal nachzurechnen - oft mit dem Ergebnis, dass vorher einkalkulierte Einsparungen wieder hinfaellig werden. Diese Anwender sind folglich gezwungen, entweder laengere Amortisationszeiten in Kauf zu nehmen oder bei der Funktionalitaet Abstriche zu machen. Durch die Tarifneuordnung steigt auch das Kommunikationsvolumen, ab dem private Netze erst wirtschaftlich werden. Einzelne Unternehmen erreichen diese kritische Groesse selten, waehrend bei der gemeinsamen Netznutzung der erforderliche Auslastungsgrad immer gewaehrleistet ist.

Letztlich ist durch den Einkauf von Netzkapazitaeten aber auch in puncto Entwicklung und Installierung eine bessere Kostenkontrolle moeglich. Die Implementierung eines unternehmensweiten Netzes verschlingt durchschnittlich 60 Prozent der Projektkosten. Zudem kommt es hier oft zu Verzoegerungen und anderen Problemen, die die Kosten noch weiter in die Hoehe treiben koennen. Der Diensteanbieter verfuegt hingegen ueber qualifiziertes Personal und ein hoeheres Service- und Qualitaetsniveau sowie in der Regel auch ueber eine entsprechende Zuverlaessigkeit - alles Faktoren, die die Kosten senken.

Zuletzt: Der Anwender traegt keinerlei Risiko. Er kauft bestimmte Dienstleistungen unabhaengig von der Technologie, die die jeweiligen Dienste verfuegbar macht. Insbesondere entfaellt die interne Verwaltung der betrieblichen Netze. Bei dieser bleiben Querelen und Reibungsverluste oft nicht aus, wenn sich verschiedene Geschaeftseinheiten die Verantwortung fuer den Netzbetrieb teilen muessen.

Mehrwertdienste beziehungsweise das Angebot von VAN- Dienstleistern bieten den Anwendern folglich eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zum Betrieb privater Netze. Dennoch gibt es auch hier zumindest eine Einschraenkung, die zunehmend zum ausschlaggebenden Erfolgsfaktor im Netz-Outsourcing-Markt wird: Die Anbieter muessen die immer globaleren Geschaeftsprozesse ihrer Kunden durch entsprechende Support- und Serviceformen unterstuetzen koennen.

Auf diese Situation haben sich jedoch viele Carrier und Dienstleister bereits eingestellt - in Form von Allianzen und Joint-ventures.

*Dr. Manfred Schumacher ist freier Journalist in Wiesbaden.