Fast 50 Prozent will alte Rechnerwelten abloesen

Beim Mittelstand denkt oft die Geschaeftsleitung an Downsizing

22.10.1993

MUENCHEN/HAMBURG (jm) - Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Revicon aus Sulzbach, Taunus, bei mittelstaendischen Unternehmen denkt fast jede zweite Firma aus Deutschlands wirtschaftlichem Mittelbau daran, ihre Grossrechner und Mittlere Datentechnik (MDT) gegen eine Unix/DOS-Loesung abzuloesen. Interessant ist vor allem, dass besonders die Geschaeftsleitungen zu verteilten DV-Konzepten tendieren.

Bei ihrer telefonischen Feldbefragung stuetzte sich die Hamburger Dependance der Revicon Consult GmbH auf eine 1991 gemeinsam mit der Universitaet Oldenburg erstellte Untersuchung "EDV-Nutzung und Unternehmensberatung in mittelstaendischen Unternehmen". In der aktuellen Recherche nahmen von 396 fernmuendlich Angesprochenen 316 Stellung zu den Fragen, die unter anderem den DV-Strategien mittelstaendischer Unternehmen galten.

Die Gretchenfrage der DV - wie man es mit der Abloesung von proprietaeren Grossrechnern und MDT-Systemen zugunsten von DOS/Unix- Systemen halte - beantworteten 154 von 315 Befragten eindeutig: In ihren Unternehmen "wird die Abloesung gemacht" oder der Wechsel steht bevor. Zu diesen Downsizern gesellen sich moeglicherweise noch 14,3 Prozent, die momentan noch unschluessig sind. Strikt abgelehnt wird Downsizing von 67 der Befragten (21,3 Prozent). Eine DV-Mischform, in der Grossrechner und MDT neben PC-Netzen eingesetzt wird, ziehen rund 15,6 Prozent vor.

Immerhin 191 von 314 mittelstaendischen Unternehmen vertrauen ihre DV einer Midrange-Maschine an, bei der es sich laut Revicon ueberwiegend um IBM-Rechner der Application-System-Familie (AS/400) handelt. 28,7 Prozent setzen auf die DOS/ Unix-Rechnerwelt. Hingegen verlassen sich nur 33 Firmen (10,5 Prozent) auf ein Grossrechnersystem. Christopher Koeppler, Leiter der Hamburger Revicon-Niederlassung, wies allerdings darauf hin, der abgefragte Begriff "Grossrechner" koenne missverstaendlich sein. Viele der Unternehmen wuerden noch uralte Hosts nutzen, die mittlerweile eigentlich nicht mehr der Leistungsklasse Grossrechner zuzuordnen seien.

Bemerkenswert an der Umfrage ist auch, dass ein Grossteil der Teilnehmer aus dem geschaeftsverantwortlichen Managementbereich stammt. 39,2 Prozent sind Geschaeftsfuehrer, 27,9 arbeiten als kaufmaennische Leiter, und 4,7 Prozent der Antworten stammen von Controllern. Nur 28,1 Prozent der Gespraechspartner kommen aus den DV-Zentralen.

Die Auswahl hatte Methode, wie Koeppler erklaert: "Wir versuchen in der Regel, mit der kaufmaennischen beziehungsweise der Geschaeftsleitung zu sprechen, weniger mit dem DV-Management." Vor allem in puncto Downsizing und der Abloesung von Grossrechner- und MDT-Systemen habe man naemlich die Erfahrung gemacht, dass DV- Verantwortliche diesen Themen wenig aufgeschlossen gegenueberstuenden.

Grossgeworden mit der herkoemmlichen Rechnerwelt, liessen sich MIS- Manager nur schwer fuer einen Schwenk auf neue Hardware-Topologien erwaermen: "Die MIS-Manager", so Koeppler, "lassen sich eine ganze Menge intelligenter Strategien einfallen, ihre Geschaeftsleitung von der Richtigkeit ihres bisherigen Tuns zu ueberzeugen." Die kaufmaennisch Verantwortlichen der mittelstaendischen Unternehmen seien aber zunehmend unwillig, die Ratschlaege aus der DV-Abteilung widerspruchslos anzunehmen. Immer haeufiger wuerden kaufmaennische Leiter und Geschaeftsfuehrer nachrechnen, wieviel vom Umsatz in das DV-Budget fliessen.

Ein Aufbegehren uebrigens, das sich durchaus in bahrer Muenze auszahlen kann: So berichtete die CW vor einem Jahr (Vgl. Nr. 29 vom 17. Juli 1992, Seite 1: "Verteilte Unix-Umgebung loest...") vom Vorhaben des Geschaeftszweigs General System Sector (GSS) der Motorola Inc., IBM-Mainframes gegen Unix-Server und PCs zu ersetzen. Kuerzlich resuemierte nun William Connor, GSS-IT-Direktor, auf der Unix-Expo ueber die pekuniaeren Aspekte der gewonnenen Downsizing-Erfahrungen.

Motorola unterzog sich naemlich auch der Muehe, die Kosten des eigenen MIS-Departments denen von in gleichen Unternehmensbranchen agierenden Firmen gegenueberzustellen. Ihre Client-Server-Topologie verglich der GSS-Geschaeftsbereich dabei mit fuenf Mainframezentrierten Unternehmen. In die Berechnung fanden alle in DV-Strukturen anfallende Posten Eingang, also sowohl Kosten der gesamten Hard- und Software, der Kommunikation sowie saemtliche Personalzahlungen.

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Gegenueber den verglichenen fuenf Unternehmen, die im Durchschnitt 3,2 Prozent ihres Umsatzes fuer MIS-Ausgaben veranschlagen, wendete die GSS-Division 1991 - also schon vor Abschluss des Migrationsprojektes - nur noch 1,4 Prozent ihres Umsatzes von 3,6 Milliarden Dollar fuer MIS-Kosten auf.

Dabei sparte die GSS bereits 50 Millionen Dollar ein. 1992 betrug der fuer MIS-Ausgaben zu taetigende Anteil am Gesamtumsatz nur noch 1,2 Prozent, was einer Kostenreduktion um 70 Millionen Dollar gleichkam. Fuer das noch laufende Jahr 1993 rechnete der Motorola- Divisionaer vor, dass nur noch jeweils einer von 100 Dollar des erwirtschafteten Umsatzes fuer die DV-Haltung ausgegeben werden muss. Damit wuerden 100 Millionen bisher verplanter Dollar frei.

Abgesehen von der Kostenargumentation stellten sich, so Koeppler, die Manager aus den Chefetagen zudem immer haeufiger sehr praxisbezogene Fragen: So koenne es wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein, etwa bei Management-Entscheidungshilfen erst tagelang auf Ergebnisse aus der Mainframe-Zentrale zu warten, um dann mit tausend Seiten starken Ausdrucken ueberhaeuft zu werden, die zudem wenig handhabbar seien. "Hier bieten Client-Server-Architekturen wesentlich flexiblere Moeglichkeiten als die herkoemmliche proprietaere Rechnerwelt."