Individual- oder Standardsoftware: Zweierlei Recht gegenüber dem Lieferanten

Bei weicher Ware kommen viele Juristen ins Schwimmen

29.01.1988

Mangelhafte Software kann ein Grund sein, einen Leasing- oder Kaufvertrag rückgängig zu machen, auch wenn die Hardware in Ordnung ist. Maßgebend ist, ob Komponenten wie Betriebssystem oder Compiler Interpreter als Bestandteil des Systems anzusehen sind. Rechtsanwalt Dr. Franz Otto nimmt Urteile des Bundesgerichtshofs unter die Lupe.

Die rechtliche Einordnung von Verträgen über Softwareleistungen ist schwierig. So ist streitig, ob die kaufvertraglichen Vorschriften des BGB im Falle der Veräußerung mangelhafter Software anwendbar sind. Das wird deshalb bezweifelt, weil das Computerprogramm, die Software zwar auf einem körperlichen Träger (Magnetband, Diskette) festgelegt ist, sein wirtschaftlicher Wert sich aber aus den gespeicherten Informationen und Befehlsfolgen ergibt, die als solche eine geistige Leistung oder doch ein informationelles Gut, jedenfalls ein immaterielles Gut darstellen. Fehlfunktionen von Programmen beruhen regelmäßig nicht auf Mängeln des Datenträgers, sondern auf inhaltlichen Programmängeln, betreffen also insofern den immateriellen Aspekt der Software.

Größtenteils wird danach differenziert, ob die Überlassung der Software in kauf-, miet- oder werkvertragsrechtlichen Formen erfolgt. Dies entspricht im Grundsatz auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der auf die Besonderheiten der jeweiligen Vertragsgestaltung abgestellt hat.

So hat er zunächst die Verpflichtung zur Herstellung eines den speziellen Bedürfnissen des Anwenders entsprechenden Programms nach werkvertraglichen Regeln beurteilt (Urteil vom 11.2.1971 - VII ZR 170/ 69 -). Von einem einheitlichen Kaufvertrag im Fall des Erwerbs eines Computers nebst vorgefertigter Standardsoftware ist das Gericht dann später ausgegangen (Urteil vom 23.3.1983 - VIII ZR 335/81 -). Andererseits hat das Gericht die entgeltliche Gebrauchsüberlassung eines Computers mit Programm als einheitlichen Mietvertrag angesehen (Urteil vom 5.10.1981 - VIII ZR 259/80 -).

Wandlungsrecht bei unzureichender Software

Daß insbesondere vorgefertigte Standardsoftware je nach der betreffenden Überlassungsform ebenso Gegenstand eines Miet- wie eines Kaufvertrages sein kann, findet sich ebenso in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 6.6.1984 - VIII ZR 83/83 -). Auch ist dem Leasingnehmer ein Wandlungsrecht, das heißt das Recht auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages, wegen unzureichender Software gegenüber dem Hersteller zugebilligt worden (Urteil vom 5.12.1984 - VIII ZR 87/83 -). Auch hat das Gericht die Überlassung eines Computerprogramms im Rahmen eines Lizenzvertrages als einen nach pachtrechtlichen Grundsätzen zu behandelnden Vertrag gewertet (Urteil vom 3.6.1981 - VIII ZR 153/ 80-).

Schließlich hat der Bundesgerichtshof für die Überlassung von Standardsoftware im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zwar die Anwendung lizenzvertraglicher Grundsätze bei der unbefristeten Nutzungsüberlassung und einmaliger Gegenleistung, aber auch bei Annahme eines kaufrechtsähnlichen Austauschvertrages erwogen (Urteil vom 25.3.1987 - VIII ZR 43/86 -).

Nach dieser Rechtsprechung kommt es für die rechtliche Einordnung von Softwareleistungen mithin einerseits darauf an, ob es sich um die werkvertragliche Herstellung spezieller Individualsoftware oder um die Überlassung vorgefertigter Standardsoftware handelt, andererseits darauf, ob die Überlassung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses oder im Wege eines einmaligen Erwerbsaktes gegen einmaliges Entgelt erfolgt. Handelt es sich um den Erwerb vorgefertigter, wenn auch komplexer Standardsoftware gegen einmaliges Entgelt zu freier Verfügung, so liegt die Annahme eines Kaufvertrages zumindest nahe.

Wenn beispielsweise der Anwender das Eigentum an den Programmkopien (Compiler, Interpreter) ebenso erwerben soll wie das Eigentum an der Hardware, so liegt kein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Verkauf von Büchern oder Schallplatten vor. Mindestens ist das Kaufrecht auf Fälle der verkaufsweisen Überlassung von Programmkopien mit inhaltlich fehlerhaftem Programm einschlägig.

Bei Mängeln der Software vertritt nun der Käufer vielfach die Auffassung, sein Anspruch auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages müsse sich auch auf die mangelfreie Hardware erstrecken. Voraussetzung dafür ist aber zunächst, daß es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag bezüglich Hard- und Software gehandelt hat. Ein Anspruch auf Rückgängigmachung des gesamten Vertrages ergibt sich aber nicht bereits daraus, daß sich die Beteiligten über den Kauf einer einheitlichen Sache, einer Gesamtheit von Hardware und Software, geeinigt haben.

Zwar erstreckt sich die Wandlung allgemein wegen mangelhafter Bestandteile einer einheitlichen Kaufsache auf den gesamten Kaufvertrag. Wenn aber nur mehrere zusammengehörende Sachen verkauft worden sind, handelt es sich nicht ohne weiteres um eine einheitliche Sache. Es muß vielmehr im Einzelfall festgestellt werden, ob sich die gelieferte Hard- und Software nach der Verkehrsanschauung als Bestandteil eines einheitlichen Gegenstandes oder als Mehrheit von Sachen darstellen. Dafür reicht nicht die Bewertung aus, eine Software wäre ohne Hardware nicht nutzbar und umgekehrt.

Ebensowenig ist die Betrachtung von Bedeutung, erfahrungsgemäß sei es am besten, Hard- und Software aus einer Hand zu beziehen. Dies trifft auf zahlreiche als zusammengehörend verkaufte Gegenstände zu, ohne daß sie allein deshalb bereits einen einheitlichen Kaufgegenstand bilden. Anstelle der Zusammengehörigkeit von Hard- und Softwareproduktion ist überhaupt heute eher eine Verselbständigung beider Märkte zu registrieren.

Immer kommt es darauf an, ob die Hard- und Software ein Gesamtsystem darstellen, das durch eine Trennung in seinem Wesen verändert oder zerstört wird. Wenn Funktionsfehler des Compilers und des Interpreters gerade in ihrer Kombination mit dem Betriebssystem der Anlage vorliegen, kommt es beispielsweise darauf an, ob der Compiler und der Interpreter zusammen mit dem Betriebssystem als von der eigentlichen Hardware trennbare Gegenstände angesehen werden können.

Ist dagegen das Betriebssystem nach der Verkehrsanschauung als integrierender Bestandteil des Computers anzusehen, ist zu prüfen, ob gleiches auch für den Compiler und Interpreter gilt. Maßgebend ist dabei jeweils die zur Zeit der Lieferung bestehende Verkehrsanschauung.

Aber auch wenn sich kein einheitlicher Kaufgegenstand ergibt, bleibt die Frage, ob die Hard- und Software ohne Nachteil voneinander getrennt werden können. Bereits nicht unerhebliche Schwierigkeiten der Beschaffung eines passenden Ersatzes können in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein.

Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 4.11.1987 - VIII ZR 314/86 - vertreten. Sie läßt sich wie folgt generalisieren: Wird eine vorgefertigte Standardsoftware dem Erwerber gegen einmaliges Entgelt auf Dauer zur freien Verfügung überlassen, so sind bei Mängeln der Software die Vorschriften des Kaufrechtes entsprechend anwendbar. Die Wandlung, das heißt Rückgängigmachung des Kaufvertrages, wegen mangelhafter Bestandteile einer einheitlichen Kaufsache erstreckt sich auf den gesamten Kaufvertrag. Ob aber ein einheitlicher Kaufgegenstand oder mehrere als zusammengehörend verkaufter Sachen vorliegen, ist nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen.