Dells Netzwerk-Chef im Interview

"Bei unserer SDN-Lösung bleibt der Anwender flexibel"

10.05.2016
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Niedriger Opex

CW: Denken wir das Modell des Software Abstraction Interface zu Ende. Warum soll ich als Anwender künftig nicht einfach einen dummen Switch in Asien kaufen und eigene Software nutzen?

Burns: Sie haben mit ihrer Argumentation durchaus Recht, und wir leben teilweise bereits in dieser Welt, wenn Sie einmal an Beispiele wie Amazon, Facebook oder Google denken. Aber die Crux ist: diese Idee funktioniert nur bei großen Konzernen mit sehr vielen IT-Spezialisten. Dieser Ansatz ist eventuell noch für einige Großunternehmen tragbar. Für das Gros der Unternehmen wird er aber nicht funktionieren. Zumal für die Unternehmen auch die Betriebskosten eine Rolle spielen - und gerade die sollten bei der Nutzung eigener Software nicht vergessen werden. Deshalb haben wir bei unseren Produkten sehr stark auf einen niedrigen Opex geachtet. Die Anwender suchen nach Partnern, die ihnen bei der Einführung neuer Technologien helfen und die nicht nur das Netzwerk verstehen, sondern auch Know-how in Sachen Security und Storage haben. Zudem übernehmen wir - im Gegensatz zu reinen Whitebox-Anbietern - den Support für Hard- und Software, wovon Sie als Anwender ebenfalls profitieren.

CW: Wenn sie von Opex in Bezug auf das Netz sprechen, haben Sie dann nicht eine Lücke im Portfolio, wenn Ihre Konkurrenten beginnen, die Controller-Intelligenz in die Cloud zu verlagern?

Glaubt am Dell, so punktet des Equipment des Herstellers mit besonders niederem Opex.
Glaubt am Dell, so punktet des Equipment des Herstellers mit besonders niederem Opex.
Foto: Vodafone

Burns: Es gibt viele Möglichkeiten, Opex zu reduzieren. Diese können je nach kundenspezifischer Implementierung deutlich variieren. Im Endeffekt geht es darum, den Netzwerkbetrieb soweit wie möglich zu vereinfachen und zu automatisieren. Bei manchen Kunden mag dies durch intelligentes Skripting funktionieren, durch verbesserte Netzwerkanalyse oder aber durch andere Dinge. Dank unseres Open-Networking-Konzepts, das es Kunden erlaubt, sich frei zwischen verschiedenen Netzwerkbetriebssystemen auf dem Switch zu entscheiden, kann der Kunde die für sich beste Lösung heraussuchen.

CW: Apropos Software. Dell unterstützt verschiedene Netzbetriebssysteme wie etwa das eigene Dell OS oder Cumulus Linux sowie Switch Light OS. Planen Sie weitere Betriebssysteme zu unterstützen?

Burns: Ja, wir werden weitere Systeme unterstützen. So arbeiten wir etwa mit IP Infusion zusammen, die viel Know-how in Sachen MPLS haben. Wir entwickeln uns aber nicht zu einem Switch-Hersteller mit einem Betriebssystem-Bauchladen, sondern suchen unsere Partner sehr sorgfältig aus. Ferner stellen wir sicher, dass wir den Support gewährleisten und mit Case Studies zeigen können, welches Betriebssystem sich für welchen Einsatzzweck eignet. So arbeiten wir etwa in Sachen Virtualisierung mit anderen zusammen, andere Kooperationsmöglichkeiten wären rund um Fabric und Connectivity denkbar.

CW: Und wo positionieren Sie das eigene Dell OS in diesem Szenario?

Burns: Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie und wir haben hier viel investiert. Zudem ist es für uns strategisch wichtig, weiterhin ein eigenes Betriebssystem für den ganzen IP-Stack zu haben, um auch Kunden zu adressieren, die einen eher traditionellen Ansatz bevorzugen. Erst kürzlich haben wir unser Angebot mit dem aktualisierten Netzwerkbetriebssystem OS10, bestehend aus einem Basismodul und verschiedenen optionalen Applikationsmodulen, ergänzt, um unseren Kunden noch mehr Funktion und Flexibilität zu bieten.

CW: Wir haben viel über Ihre Strategie diskutiert, wie sieht es im Alltag aus? Migrieren die Anwender wirklich auf 100 Gigabit/s-Ethernet?

Burns: Sicherlich nicht im großen Stil, denn wir sehen selbst nach 1 Gigabit/s noch Nachfrage. Das Gros der Nachfrage basiert derzeit auf 10 Gigabit/s, wobei auch 40 Gigabit/s immer stärker von Enterprise-Anwendern nachgefragt wird. Einen Massenmarkt für 100 Gigabit/s sehe ich in absehbarer Zeit nicht. In Europa ist 100 Gigabit derzeit hauptsächlich in Forschungsnetzen ein Thema.

CW: Netzwerkkauf ist auch eine Vertrauenssache. Hier hängt viel vom Partner vor Ort ab. Wie sieht es diesbezüglich bei Dell aus?

Burns: Vor einigen Jahren hatten wir in der EMEA-Region etwa 200 spezialisierte Dell-Networking-Partner. Jetzt sind wir bei fast doppelt so vielen. Unser Ziel sind in EMEA 600 Partner im Netz-Business. Wir wollen allerdings auch nicht zu schnell wachsen, denn diese Partner benötigen Schulungen, um das Know-how aufzubauen.