Microsoft droht mit gerichtlichen Schritten

Bei Unix-Software Solaris soll Sun Urheberrecht verletzt haben

23.04.1993

Jetzt droht eine Klage von Microsoft - Sun weigere sich, fuer das Windows Application Binary Interface (Wabi) von "Solaris x86", unter dem die Windows-Anwendungen laufen sollen, Lizenzgebuehren an die Gates-Company abzufuehren.

Die Wabi-Schnittstelle, unter der Windows-Applikationen laufen, ohne dass eine MS-Windows-Umgebung noetig ist, enthaelt nach Auffassung von Sun keinerlei Microsoft-Code. Dennoch haben die Wabi-Entwickler der von der Sun-Tochterfirma Sunselect aufgekauften Praxys Technologies Inc., eine Mitteilung erhalten, wonach Wabi die Urheberrechte von Microsoft verletze. Das Unternehmen verlangt nun unter Androhung rechtlicher Schritte Lizenzgebueren in Hoehe von 50 Dollar fuer jede mit Solaris 86x ausgelieferte Wabi-Kopie.

Microsofts Topmanager Paul Maritz liess keinen Zweifel, dass Sunselect selbst im Falle eines Sieges vor Gericht den kuerzeren ziehen werde. Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit Microsoft, so sein Wink mit dem Zaunpfahl, lasse sich verhindern, dass Wabi technisch den kommenden Windows-Applikationen hoffnungslos hinterherhinken werde.

Bisher partizipierte Bill Gates erheblich am Unix-Geschaeft, denn die Betriebssyteme sind durch die Bank mit einer Funktion ausgestattet, unter der die Benutzer - lizenzpflichtig - Microsofts DOS- oder Windows-Betriebssystem laufen lassen koennen. Das koennte sich mit Wabi aendern.

Als Partner sollen USL und Univel fungieren

Bei der offiziellen Einfuehrung am 5. Mai dieses Jahres, so will der Brancheninformationsdienst "Unigram.X" erfahren haben, sollen als Partnerunternehmen die beiden Novell-Tochterunternehmen Unix Software Laboratories (USLund Univel auftreten. Dieselbe Quelle berichtet von einer moeglichen Aufnahme von Wabi in das Common Open Software Environment (COSE), einer einheitlichen Unix-Umgebung, fuer die sich neben USL, Sunsoft und Univel auch HP, die IBM und SCO stark machen. Gelingt es Sunselect, die Lizenzansprueche von Microsoft abzuwehren, dann wird keines dieser Unternehmen mehr Lizenzgebuehren an Microsoft abfuehren wollen.

"Es handelt sich lediglich um Preisverhandlungen", spielt Brian Aiken, Sunsoft-Geschaeftsstellenleiter Central Europe, die Lizenzauseinandersetzung mit Microsoft herunter.

Seine US-Kollegen beharren jedoch darauf, dass Microsoft fuer Lizenzforderungen jede rechtliche Grundlage fehle. Wabi sei inklusive OLE- und DDE- Funktionalitaet das alleinige geistige Eigentum von Praxys Technologies.

Lizenzforderungen auf schwachen Fuessen

Diese Ueberzeugung ruehrt daher, dass das Produkt unter sogenannten Reinstraum-Bedingungen entwickelt wurde. Das bedeutet, dass fuer die Erstellung der Software nur Entwickler eingesetzt wurden, von denen feststand, dass sie keine Kenntnis des Windows-Codes besassen und unter Bedingungen arbeiteten, die ihnen auch keinen Zugang dazu ermoeglichten.

Laut "Unigram.X" leidet diese Darstellung allerdings unter einem Schoenheitsfehler. Ein Teil der Wabi-Entwickler stammt von der Phoenix Technologies Inc., wo sie nicht nur geholfen haben, das Reinstraum-Konzept zu erstellen, sondern auch mit DOS- Entwicklungen befasst gewesen sein sollen.