T-Online-Chef Keuntje gefeuert?

Bei Telekom und T-Online hängt der Haussegen schief

01.09.2000
BONN (CW) - Telekom-Chef Ron Sommer kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Nach dem teuren Einstieg in die UMTS-Welt bereitet nun die Tochter T-Online Sorgen: Das Unternehmen hat seit einer Woche keinen Chef mehr. Dabei rätselt die Branche, ob T-Online-Vorstand Wolfgang Keuntje selbst das Handtuch geworfen hat oder gefeuert wurde.

Die Nachricht überraschte die Börsen: Fünf Monate nach dem Börsengang der T-Online International AG verließ Vorstand Wolfgang Keuntje am Freitagnachmittag vor einer Woche mit sofortiger Wirkung das Unternehmen. Eine Neuigkeit, die der Aktienmarkt mit einem prompten Kursverlust des T-Online-Papiers quittierte.

Schnell kursierten die Spekulationen über die Gründe für Keuntjes Abgang. Die einen sprachen von schweren Differenzen zwischen Telekom-Boss Sommer und Keuntje über die dauernde Einmischung der Telekom-Zentrale in die Geschäftsbelange von T-Online. Andere mutmaßten dagegen, dass Ron Sommer mit den Fortschritten der internationalen Expansion seiner Online-Tochter unzufrieden sei. Die Telekom selbst trug wenig zur Klärung der genauen Umstände des Rücktritts bei. Sie heizte vielmehr mit Formulierungen wie "Wolfgang Keuntje verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch und nannte für sein Ausscheiden persönliche Gründe" die Gerüchte über einen eventuellen Rausschmiss des Managers an. Zumal sich die Laudatio Ron Sommers für den Ex-Manager lediglich auf Standardfloskeln wie "Keuntje hat maßgeblich dazu beigetragen, dass T-Online seine heutige Führungsposition erreicht hat" beschränkte. Kommissarisch übernimmt nun Telekom-Vorstand Detlev Buchal die Leitung von T-Online.

Unglückliche Hand bei internationaler ExpansionWährend also die wahren Gründe für Keuntjes Weggang weiter im Dunkeln bleiben, ist es in der Branche ein offenes Geheimnis, dass zwischen T-Online und Telekom der Haussegen schief hängt: Nach dem Börsengang im April, der mit der europäischen Expansion im Online-Geschäft begründet wurde, hatte das Internet-Unternehmen bei europäischen Zukäufen eher eine unglückliche Hand. Bislang ist T-Online nämlich neben Österreich nur in Frankreich mit Club Internet präsent. Gespräche über eine Übernahme des britischen Internet-Providers Freeserve, so Zeitungsmeldungen, seien geplatzt, weil T-Online und die Telekom nicht an einem Strang gezogen hätten. Ungewiss ist auch, ob Verhandlungen über den Kauf des schwedischen Portal-Betreibers Spray Networks, der in neun europäischen Ländern aktiv ist, fortgeführt werden. Zumal das Unternehmen nach dem Rücktritt Keuntjes plötzlich kein Interesse mehr an einer Übernahme des spanischen Internet-Anbieters Yacom Internet Factory hat. Verhandlungen diesbezüglich hatte noch Keuntje begonnen. Erschwert werden Expansionen zudem durch den Kurs der T-Online-Aktie, der nur noch geringfügig über dem Ausgabekurs liegt.

Während T-Online mit sinkenden Kursen und Querelen im eigenen Konzern zu kämpfen hat, sorgen die europäischen Konkurrenten für Fakten: Terra Networks, Spaniens größter Internet-Provider fusionierte mit Lycos Europe, und die italienische Internet-Gruppe Tiscali führt Verkaufsverhandlungen mit ihrem niederländischen Konkurrenten World Online.