Nach der harten Entscheidungsphase stehen neue Hürden bevor:

Bei Software und Hardware alle nur denkbaren Störungen miterlebt

07.04.1989

Stellt das Fach-Chinesisch der Anbieter bei der Auswahl des PPS-Systems die erste Hürde dar, so beginnen die handfesten Probleme mit der Systemeinführung, meint Siegfried Balle*. Die Zielvorgaben und Zeitpläne erweisen sich als unrealistisch, Mitarbeiterschulungen als mangelhaft und das Betriebspersonal steht dem neuen Arbeitsumfeld kritisch gegenüber.

Vor der Einführung unserer EDV wurden zirka 90 Prozent aller Aufträge kundenbezogen gefertigt. Die gesamte Administration basierte auf vorgedruckten Formularen, wie zum Beispiel auftragsbezogene Stücklisten. Jede Abteilung bearbeitete eigene Listen und bei zunehmender Anzahl brachte dies immer größere, vor allem organisatorische Probleme mit sich; daß hierbei der Überblick mehr und mehr verloren ging, leuchtet jedem ein. So wurden sowohl in der Fertigung als auch im Einkauf mehrfach hintereinander die gleichen Teile bestellt, die bei neuester Organisation hätten zusammen aufgegeben werden können. Außerdem konnten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten nicht mehr eindeutig abgegrenzt werden. Es kamen mehr Aufträge herein und immer weniger konnten termingerecht durch das Technische Büro, die Fertigung sowie durch andere Abteilungen geschleust werden. Ergebnis war, daß die Umsätze stagnierten, während der Auftragsbestand immer stärker wuchs. Abhilfe war nur durch die Anschaffung eines geeigneten PPS-Systems zu schaffen.

Nach Einholung von mehreren Angeboten kristallisierten sich drei Computerunternehmen heraus. Bei vielen Gesprächen tauchten unzählige Fragen - meist in der Sprache der Profis und Programmierer - auf. Die Fragen konnten vielfach nur unzulänglich beantwortet werden, weil wir alle zuwenig Einblick in diese komplizierte Thematik hatten.

Schwierig in unserer Entscheidungsfindung war, daß die ausgewählten Unternehmen zwar einen Namen auf dem Markt hatten, die passende Software - die für uns viel wichtiger erschien - jedoch nicht anbieten konnten. Zur Hardware war es unschwer Vertrauen zu haben. Aber wie gut war die Software? Was mußte die Software mit Blick auch in die Zukunft können? Es bleibt festzuhalten, daß bei detaillierten Verhandlungen grundsätzlich jeder alles konnte. Jeder Anbieter bot das gleiche Ziel, jedoch auf verschiedenen Wegen.

Schließlich und endlich haben wir uns für die Firma Weigang als Softwareanbieter in Verbindung mit HP als Hardwarelieferant entschieden. Hier hatten wir das Gefühl verstanden zu werden. Natürlich war auch mit ausschlaggebend, daß die Standardprogramme unsere Belange voll abdeckten, und wir den Eindruck hatten, daß besonders der Bereich AV/Fertigungssteuerung von Weigang sehr gut konzipiert war.

Als schwierigsten Punkt sahen wir die Material- und Zeitwirtschaft an, da wir 60 Prozent kundenbezogen fertigten. Als eine Erleichterung betrachteten wir die Erarbeitung von Standardprodukten, welche teilweise als Halbfertigprodukte ans Lager gehen. Schon damals hatten wir auch die Betriebsdatenerfassung BDE und CAD im Auge. Beide wurden inzwischen eingeführt.

Zunächst bildeten wir einen Arbeitskreis von fünf Personen, der sich aus dem Bevollmächtigten des Vertriebes, des Einkaufs, der Arbeitsvorbereitung, der Technik und

des EDV-Hauptverantwortlichen zusammensetzte. Dessen Sitzungen fanden über zwei Jahre regelmäßig statt.

Die Verantwortung lag bei den Abteilungen. So waren zum Beispiel unser Technischer Bereich und der Verkauf verantwortlich für Art. Nummern, Bezeichnungen, Benennungen und Suchbezeichnungen, der Verkauf für alle im Artikel-Stamm erforderlichen Zusatzinformationen, wie Preise, Herstellerkosten, Rabatte, Provisionen und so weiter. Unsere Arbeitsvorbereitung setzte sich in erster Linie mit Charakterschlüssel, Beschaffungszeiten, Lagerkennzeichen, Dispositionsarten, Maschinenkenndaten und so weiter auseinander. Insbesondere waren die Mitarbeiter im Stücklistenaufbau gefordert. Unser Einkauf setzte Lieferanten, deren Artikel und Beschaffungszeiten, welche aufgrund von alten Karteien bekannt waren, in die EDV-Sprache um.

Aus heutiger Sicht hätte man mehr Schulungen besuchen sollen. An dieser Stelle möchten wir nicht verhehlen, daß auch die angebotenen Kurse nicht ganz unproblematisch waren. Nicht alle Personen verfügten über den gleichen Wissenstand. Detailwissen konnte deshalb nicht vermittelt werden. Auch würden wir begrüßen, wenn die EDV-Handbücher und deren Übersichtlichkeit verbessert würden. Ich glaube, daß dies wohl auch für andere EDV-Anbieter gilt. Wir können sagen, daß wir alle nur denkbaren Störungen, sei dies auf dem Hardware- oder auch auf dem Softwaresektor, miterlebt haben. Wir betrachten dies jedoch als völlig normal. Man kann durch Fehler nur lernen. Mit der Zeit wurden wir im Umgang mit der EDV immer sicherer, so daß Alltagsprobleme von uns selbst gelöst werden konnten. Nur gravierende Fehler in der EDV werden heute an die Firma Weigang im Softwarebereich beziehungsweise an HP im Hardwarebereich gemeldet.

Etwas schwierig war die einheitliche Behandlung der Artikelstämme. Auch heute noch müssen wir uns dazu zwingen, die gleiche Schreibweise zu benützen, da wir keine "sprechenden" Nummern eingeführt haben. Wir bedienen uns der Bezeichnung A und B, nach der wir auch individuell selektieren und sortieren können.

Wie bei allem Neuen, wird unterschiedlich reagiert. Lösbare Aufgaben wurden teilweise zum Riesenproblem gemacht. Die meisten Mitarbeiter waren jedoch mit Sachverstand dabei, um die neuen Aufgaben zielgerecht zu erledigen. Wir konnten zum Beispiel feststellen, daß die Kaufleute schneller mit dem neuen Medium vertraut waren als die Techniker.

Nachfolgend nenne ich die wichtigsten Argumente der einzelnen Abteilungen nach der erfolgreichen Einführung der EDV.

- Arbeitsvorbereitung (AV)

Dieser Personenkreis war am meisten gefordert. Die AV ist diejenige Abteilung, die von der EDV am meisten profitiert hat. Durch die Einführung der BDE-Betriebsdatenerfassung haben wir einen umfassenden Überblick. Diese Abteilung wäre unmöglich in der Lage, den gleichen Arbeitsaufwand bei gleichem Personalstand ohne EDV zu vollziehen.

- Einkauf

Wir erledigen alle Bestellungen schneller. Eine Suche nach Lieferanten und Stöbern in alten Akten entfällt. Terminverfolgung und das gesamte Mahnwesen sind effizienter geworden. Durch zum Teil Sonderprogramme sind wir heute in der Lage, Bestände, Reservierungen und Verbrauch sofort abzurufen. Unsere Inventur von immerhin über 25 000 Teilen erledigen wir in drei Tagen. Dabei genauer und übersichtlicher als früher.

- Verkauf

Hier werden neben der AV die meisten EDV-Eingaben durchgeführt. Auch hier verbesserte sich die Übersicht. Routinen werden schneller abgewickelt. Wichtig sind hier vor allem List-Programme und aufbereitete Statistiken. Kundenspezifische Aussagen sind jederzeit abrufbar. Täglich verfügen wir über Auftragseingang und Umsätze und dies noch aufgeteilt nach Vertretern, Produktgruppen, Verkaufsgebieten und so weiter.

- Konstruktionsabteilung

Diese Abteilung tat sich bei der Umstellung schwer. Eine kompetente und verantwortliche Person war anfänglich nicht vorhanden. Es erfolgten mehrfache Korrekturen, Unterbrechungen sowie Fehleingaben. Inzwischen hat sich auch die Konstruktion mit der EDV angefreundet und EDV-gerechtes Arbeiten ist zur Routine geworden.

- Betrieb

EDV-gerechtes Denken war für die Leute an der Maschine und auch für die Meister schwierig und auch zum Teil belastend. Aber auch dort hat sich die Situation verbessert. Vor allem die Meister können ohne die EDV auch heute nicht mehr leben. Für den Mann an der Maschine hat sich jedoch nicht viel geändert. Sehr viel problematischer verlief die Einführung der BDE. Sie fühlten sich überwacht. Wir müssen aufpassen, daß das An- und Abmelden sehr genau erfolgt.

In letzter Zeit hatten wir doch größere Probleme. Unser BDE ist mit einer automatischen Nachtsicherung gekoppelt. Wenn diese ausfällt, ist BDE nicht eingeschaltet und es kann nicht gemeldet werden. Durch weitere Eliminierung von Schwachstellen in der Datensicherung werden wir systembedingte Störfälle auf ein Minimum beschränken können.

*Siegfried Balle ist Einkaufsleiter und EDV-Hauptverantwortlicher bei der Franke GmbH, Aalen

Das Unternehmen

Die Franke GmbH beschäftigt derzeit 160 Mitarbeiter, davon zwei Drittel gewerbliche und ein Drittel in der kaufmännischen/ technischen Verwaltung. In der Konstruktion und Entwicklung sind fünfzehn Personen beschäftigt. Das Unternehmen fertigt und vertreibt Drahtwälzlager, Linearlager sowie Positioniersysteme. Alle Produkte basieren auf der Erfindung des Drahtkugellagers, zirka 40 Prozent sind Standard und 60 Prozent kundenspezifische Produkte. Wesentliche Absatzmärkte sind die Automobilindustrie, die Roboterhersteller, der allgemeine Maschinenbau sowie Institute und Universitäten.