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Bei SAP kranken die Kliniklösungen

13.02.2003

Auch Wolfgang Steinbeis, Abteilungsleiter für Finanz- und Patientenangelegenheiten der Uniklinken in München, verweist in diesem Zusammenhang auf Machtspiele hinter den Kulissen und die weit verbreitete Angst vor Kompetenzverlusten. Es sei nicht zwangläufig notwendig, dass jede Klinik für sich alleine arbeite, aber "das wird halt so gemacht". Von den im Prüfungsbericht aufgeführten Problemen der Uniklinken in München will Steinbeis nichts wissen: "Davon höre ich zum ersten Mal." Erst auf weitere Nachfragen räumt er punktuelle Schwachstellen der SAP-Lösungen ein. So könnten beispielsweise ambulante Dienste nicht mit IS-H abgewickelt werden. Auch die Probleme mit den Überstundenlisten und Dienstplänen im HR-System beständen weiter. Dies resultiere jedoch daraus, dass HR nur als Datenlieferant für die Bezirksfinanzdirektion verwendet werde und nicht für die Abrechnung selbst, erläutert Steinbeis. Ansonsten gebe es seit Einführung der SAP-Module keine Schwierigkeiten. Alles habe im Zeitplan gelegen.

1996 sah Steinbeis das allerdings noch anders. In einem von ihm mit verfassten Bericht heißt es, nach Einführung von IS-H im ersten Quartal 1996 sei eine "intensive längerfristige Anwenderbetreuung und Nachschulung notwendig" gewesen. Außerdem stellte der Bericht das Server-Konzept der Unikliniken in Frage. Eventuelle Änderungen des Konzepts wollte die IT-Abteilung der Uniklinik nicht bestätigen.

Ein Problem sei, dass SAP keine volle Lösung für den Klinikbereich biete, berichtet Franz Jobst, Arbeitskreissprecher für das Segment Kliniklösungen bei der Deutschen SAP Anwender Gruppe (DSAG). So trennten die Walldorfer zwischen dem abrechnungsrelevanten Bereich (IS-H) und dem behandlungsrelevanten Teil der Lösung (IS-H*med), der von Partnerfirmen wie der GSD in Berlin und T-Systems in Wien erledigt wird. Diese Trennung ist von den Anwendern jedoch kaum wahrzunehmen, so dass unklar bleibt, wo der SAP-Bereich aufhört und Angebote von Drittanbietern ansetzen.

Auch die Zusammenarbeit der DSAG mit der SAP funktioniere nicht reibungslos, kritisiert Jobst. Bei Anträgen und Einwänden verwiesen die SAP-Verantwortlichen gerne auf Drittanbieter und Dienstleister. SAP fürchte wohl um die Rentabilität des Geschäfts und dass sie daraus resultierende Anforderungen nicht in den Griff bekomme. Man müsse immer darauf gefasst sein, dass SAP sage: "Das ist nicht unser Teil." Dadurch entstehe oft der Eindruck, SAP schiebe Kundenbedürfnisse beiseite. So sei beispielsweise der Antrag der DSAG, die Kliniklösung bei den kassenärztlichen Vereinigungen für die Abrechnung von Ambulanzen zu zertifizieren, von SAP abgelehnt worden. Das gehöre nicht zum Portfolio, verlautete aus der Walldorfer Firmenzentrale.

Diese Kritik will Harald Pitz, Produkt-Manager für das Segment Mysap Healthcare, nicht gelten lassen. Das Lösungsangebot beruhe darauf, den Kunden durchgängige Prozesse anzubieten. Dies erfordere jedoch auch eine gewisse Flexibilität. So gebe es Prozesse wie die Abrechnung, die stark standardisiert seien. Andere Bereiche erforderten dagegen individuelle Lösungen, die zusammen mit Partnern und Dienstleistern implementiert werden könnten. So biete SAP beispielsweise im Rahmen der ambulanten Abrechnung die Möglichkeit, Systeme von Partnerunternehmen anzubinden. Die entsprechenden Schnittstellen seien zertifiziert.

Auch die Kritik des Rechnungshofberichts prallt an der SAP ab. Die Ausführungen zeigten lediglich, dass der Prozessablauf in den Klinikeinrichtungen stark durch Gesetze und die Gesundheitsreform geprägt sei. Deshalb gingen die einzelnen Häuser unterschiedliche Wege, berichtet Pitz. Manche würden von Anfang an tiefer in die SAP-Lösung einsteigen, andere setzten noch andere Komponenten ein. An der Grundaussage, dass mit dem Einsatz der kompletten SAP-Kliniklösung Geld gespart würde, könnten auch die Rechnungsprüfer nicht rütteln.

Das sehen Insider jedoch anders. Man müsste einmal eine Liste mit den Schäden aufstellen, die aufgrund von gescheiterten Einführungen und Release-Wechseln entstanden seien, fordert ein betroffener Anwender. Gerade die Stabilität und Fehlerfreiheit von neuen Releases sei in der letzten Zeit nicht vorhanden gewesen. Die Qualität der IS-H-Lösungen habe hier deutlich zu wünschen übrig gelassen. Darunter habe der Ruf der SAP im Gesundheitsbereich gelitten. (ba)