Bei SAP hängt der Haussegen schief

02.06.2008
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der Betriebsrat moniert schlecht funktionierende Prozesse im Personalwesen.

Die Leistung der SAP in der Personaladministration habe sich drastisch verschlechtert, kritisiert der Betriebsrat der SAP Deutschland AG in einem Infobrief an die Mitarbeiter, der der computerwoche vorliegt. "SAP als Softwarehersteller hat mit Sicherheit die beste Software zur Unterstützung dieser Prozesse, doch die Umsetzung in der Organisation ist denkbar schlecht." Die Personalvertreter machen in erster Linie die mangelhaften Prozesse und Strukturen im Bereich Human Resources (HR) für die Probleme verantwortlich. Diese seien den Anforderungen eines Betriebs mit mehreren tausend Beschäftigten nicht gewachsen. Von der Geschäftsleitung fordert der Betriebsrat daher ein Recovery-Programm, um wieder für akzeptable HR-Service-Levels zu sorgen.

Hier gehe es schließlich um die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Außerdem hingen derzeit noch rund 40 Prozent der Jahresbeurteilungen für 2007 unabgeschlossen im System, weil SAP das Tool für die Performance-Feedback-Dokumente wie geplant Ende März geschlossen habe. Trotz des Staus weigerten sich die zuständigen Manager aber, das Werkzeug wieder zu öffnen, monieren die Personalvertreter. Der Ausweg über einen papierbasierenden Prozess sei für ein hoch technisiertes und marktführendes Softwarehaus "tiefstpeinlich".

SAP-Manager weisen die Vorwürfe zurück. Die Gespräche zur Leistungsbeurteilung hätten wie geplant im ersten Quartal des Jahres stattgefunden, stellt Thomas Birnmeyer, Director Human Resources für SAP in Deutschland, klar. Es könne lediglich sein, dass das eine oder andere Dokument nicht fertig gestellt worden sei: "100 Prozent erreicht man in so einem Prozess nie." Fortsetzung auf Seite 4 Birnmeyer zufolge gibt es immer Manager, die krank beziehungsweise nicht erreichbar sind oder in einer Reorganisation stecken. Es sei SAPs Bestreben, den Prozentsatz pünktlich abgeschlossener Vorgänge kontinuierlich zu erhöhen.

Doch die Unzufriedenheit in der SAP-Belegschaft hat noch andere Ursachen. Ein Insider, der namentlich nicht genannt werden möchte, verweist auf das Shared Service Center der SAP in Prag, das seit rund zwei Jahren einen Teil der HR-Prozesse abwickelt: "Hier hat es erhebliche Unregelmäßigkeiten gegeben." Das liege in erster Linie an der hohen Fluktuation der Mitarbeiter in Tschechien.

Klassengesellschaft bei SAP

Zündstoff birgt nach Angaben des Insiders auch das interne Talent-Management der SAP. Dabei geht es um die Kategorisierung der Mitarbeiter. Der SAP-Kenner berichtet von vier Klassen - den Top Talents (fünf Prozent), den High Potentials (zehn Prozent), den Achievern (80 Prozent) und den Improvern (fünf Prozent). Für Letztere werde ein besonderer Prozess gestartet. Dabei gehe es darum, den Mitarbeiter entweder auf das geforderte Leistungsniveau zu hieven oder sich von ihm zu trennen.

"Diese Aussage ist definitiv falsch", empört sich Volker Merk, Managing Director der SAP Deutschland AG. Es gebe zwar einen Performance-Prozess, in dessen Rahmen die Mitarbeiter beurteilt würden. "Aber es gibt keine Quote von Mitarbeitern, die aussortiert werden sollen." SAP biete den Kollegen vielmehr an, Defizite auszuräumen, ergänzt Birnmeyer. "Die Kategorie Improver gibt es aber nicht."

Auch von Problemen im Shared Service Center in Prag will SAP nichts wissen. Die Mitarbeiterfluktuation liege bei 20 Prozent im Jahr, berichtet Karen Tobiasen, Vice President Human Resources in der Region Emea. "Das ist im Umfeld von Shared Service Centern ein völlig normaler Wert." (ba)