Prüfungsbericht belegt Mauscheleien

Bei Lernout & Hauspie beginnt der Überlebenskampf

12.01.2001
MÜNCHEN (CW) - Der belgische Hersteller von Spracherkennungssoftware Lernout & Hauspie steht wegen Finanzmanipulationen und unlauterer Geschäftspraktiken wirtschaftlich am Abgrund. Eine Rosskur, der rund 20 Prozent der Stellen zum Opfer fallen, soll nun das Ende abwenden.

Nur häppchenweise waren die Umtriebe im L&H-Vorstand und die Bilanzmauscheleien der letzten drei Jahre ans Tageslicht gekommen. Das reichte jedoch aus, um die Börsenaufsichten in den USA und Europa sowie die belgische Staatsanwaltschaft gegen den Hersteller ermitteln zu lassen. Ende letzten Jahres musste sich das mittlerweile finanziell schwer angeschlagene Unternehmen schließlich für zahlungsunfähig erklären - 100 Millionen verschwundene Dollar in der Dependance in Südkorea und Außenstände von 430 Millionen Dollar hatten Anträge auf Gläubigerschutz in den USA und Belgien zur Folge (siehe CW 46/00, Seite 4, CW 48/00, Seite 10, sowie CW 49/00, Seite 11).

Wandel zum TechnologielieferantenDer Antrag beim belgischen Handelsgericht gemäß "Concordaat"-Gesetz gelang allerdings erst im zweiten Anlauf, da der Hersteller nicht die Buchhaltungsunterlagen vorgelegt hatte. Die zunächst auf sechs Monate befristete Schonfrist muss L&H nun nutzen, um den Bankrott abzuwenden. Als ersten Schritt kündigte Chief Executive Officer John Duerden die Entlassung von 1144 der 5800 Mitarbeitern im Lauf der nächsten drei Monate an. Damit verbunden sei eine stärkere Ausrichtung des Unternehmens als Technologielieferant sowie die Schließung der südkoreanischen Dependance, von wo aus der Bilanzskandal seinen Ausgang genommen hatte. Marktbeobachter halten es zudem für möglich, dass die unlängst von L&H erworbenen Firmen Dictaphone und Mendez verkauft werden könnten.

Kurz zuvor hatte Duerden in einer Aufsehen erregenden Aktion einen extern in Auftrag gegebenen Prüfungsbericht veröffentlicht und damit einen tiefen Blick in die skandalösen Bilanzierungspraktiken und Machenschaften im L&H-Management ermöglicht. Dabei kam zutage, dass zahlreiche Transaktionen nicht ordnungsgemäß oder unerlaubt verbucht wurden und dass das Topmanagement hierfür verantwortlich sei. So finden sich suspekte Kompensationsgeschäfte und Transaktionen, in denen Kunden nur nach vorherigen Investitionen durch L&H ihre Außenstände bezahlen konnten. Auch wurden Verträge zurückdatiert oder ein Abkommen nachträglich in mehrere Verträge aufgespalten, um Umsätze vorzeitig ausweisen zu können.

Ferner beklagen die Autoren, dass Vertreter des Managements und des Vorstands sie bei der Aufarbeitung der Geschäftspraktiken behindert hätten. So konnten sie bis heute nicht ermitteln, welche Investoren hinter einer Reihe von Firmen stehen, die laut L&H angeblich Software im großen Stil geordert haben sollen. Ebenso ließen sich die laut L&H in Südkorea "verschwundenen" 100 Millionen Dollar trotz Recherchen der Wirtschaftsprüfer nicht auffinden. Der Bericht empfiehlt dem jetzigen Vorstand, rechtliche Schritte gegen eine Reihe von Mitarbeitern einzuleiten, unter ihnen die Firmengründer Jo Lernout und Pol Hauspie, der frühere CEO Gaston Bastiaens sowie das ebenfalls ausgeschiedene Vorstandsmitglied Nico Willaert. Unterdessen meldet das "Wall Street Journal", dass in Belgien Ermittlungen gegen Pol Hauspie wegen des Verdachts der Geldwäscherei aufgenommen wurden.