Produkte als Türöffner

Bei Fujitsu bekommen Services mehr Gewicht

11.11.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Als Serviceanbieter den digitalen Wandel seiner Kunden vorantreiben – hier sieht Fujitsu sein künftiges Business. Das Produktgeschäft will der Konzern aber nicht links liegen lassen. Es soll als Türöffner für lukrative Servicegeschäfte dienen.

"Wir wollen eine Digital Transformation Company werden", sagte Rupert Lehner, Leiter des Fujitsu-Business in Zentral- und Osteuropa, zum Auftakt des Fujitsu Forums Anfang November in München. Offensichtlich will sich der Anbieter von IT-Produkten in Zukunft stärker als Serviceanbieter in Position bringen. Man wolle sämtliche Themen rund um die Digitalisierung bei den Kunden adressieren, gab der Manager die Marschrichtung vor.

Bei Fujitsu weht der Wind in Richtung Servicegeschäft.
Bei Fujitsu weht der Wind in Richtung Servicegeschäft.
Foto: Fujitsu

Auch Fujitsu selbst stecke in einer Transformation, sagte Lehner. Der Umbau habe in der Vergangenheit manch harte Entscheidung notwendig gemacht. Damit spielt der Manager, der seit 1990 bei Siemens, Siemens-Fujitsu und Fujitsu arbeitet, auf die Schließung des Werks in Augsburg an, die vor rund einem Jahr bekannt gegeben worden war. Betroffen davon sind rund 1450 festangestellte Mitarbeiter und etwa 350 Leiharbeiter. Im September 2020 soll das Kapitel endgültig abgeschlossen sein. Bis dahin laufe die Produktion in gewohnt guter Qualität, versicherte Lehner.

Für die Mitarbeiter bieten sich Fujitsu zufolge unterschiedliche Optionen. Neben gut 200 Aufhebungsverträgen hätten mittlerweile auch über 150 Angestellte Vereinbarungen über Altersteilzeit und Vorruhestand zugestimmt, hieß es. 350 Mitarbeiter seien an einem anderen Standort in Augsburg untergekommen und eine zweistellige Anzahl von Fujitsu-Angestellten sei zu Kontron gewechselt, das die Motherboard-Fertigung von Fujitsu übernommen hat.

Neues Forschungszentrum in Augsburg

Außerdem will das Joint-Venture FCCL, an dem Fujitsu und Lenovo beteiligt sind, in Augsburg einen neuen Forschungs- und Entwicklungsstandort gründen. Die von der "Augsburger Allgemeinen" kolportierte Joboption für weitere 120 Fachleute sei sicher nicht falsch, ließ Lehner auf dem Forum durchblicken. Fujitsu habe es sich mit den Entscheidungen nicht leicht gemacht, beteuerte der Manager im Rückblick auf die Werksschließung. "Aber: Die Situation war alternativlos."

Aus Sicht von Rupert Lehner, Leiter des Fujitsu-Business in Zentral- und Osteuropa, hat es zur Werksschließung in Augsburg keine Alternative gegeben.
Aus Sicht von Rupert Lehner, Leiter des Fujitsu-Business in Zentral- und Osteuropa, hat es zur Werksschließung in Augsburg keine Alternative gegeben.
Foto: Fujitsu

Den stärkeren Fokus auf Digitalisierungsservices will das Fujitsu-Management allerdings nicht so verstanden wissen, dass dies auf Kosten anderer Geschäftsbereiche gehen könnte. "Das Produktgeschäft wird nicht eingestellt", stellte Lehner in München klar. Das gelte für die Endgeräte sowie die Data-Center-Produkte. Beides werde auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Aber es brauche Anpassungen. Lehner zufolge soll das Produktgeschäft künftig enger mit dem Service-Business verzahnt werden.

Auf dem Fujtsu-Forum haben die Japaner denn auch eine Reihe neuer Produkte vorgestellt. Ergänzt wurde beispielsweise das Portfolio der Mono-Socket-Server aus der Primergy-Serie. Mit mehr Rechenleistung und Speicherkapazität sollen sich die drei neuen Systeme "TX1320 M4", "TX1330 M4" und "RX1330 M4" vor allem für den Einsatz in Edge-Computing-Szenarien eignen, wo hohe Latenzzeiten und eine geringe Bandbreite ein Problem darstellen. So sollen die Server zum Beispiel IoT-Daten am Netzwerkrand lokal verarbeiten und filtern können.

Darüber hinaus hat Fujitsu die nächsten Generationen seiner "Eternus AF-All-Flash"-Arrays und "Eternus DX"-Hybridspeichersysteme vorgestellt. Die neuen Storage-Systeme sollen eine breite Einsatzpalette abdecken. Das reicht von Einsteiger-Array "Eternus AF150 S3", das bis zu 92 TB an Daten fasst, bis hin zum hybriden Highend-System "Eternus DX900 S5", das sich auf bis zu vier Controller skalieren lässt, über die bis zu 70 Petabyte an Daten verarbeitet werden können.

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Für die Verwaltung von Software-definierten Rechenzentren hat Fujitsu den "Infrastrukturmanager" (ISM) angekündigt. Die Management-Suite soll es Anwendern erlauben, ganze IT-Landschaften zu überwachen und zu verwalten. Das beinhaltet Fujitsu zufolge auch Funktionen für die Verwaltung und Steuerung aus der Ferne sowie die Integration von Dritt-Lösungen. Compliance-Funktionen sollen Administratoren eine granulare Überwachung von Systemparametern erlauben. Probleme ließen sich schneller feststellen, bewerten und beheben, verspricht der Anbieter. Kosten und Zeitaufwand für das Update-Management von Firmware könnten um bis zu 90 Prozent reduziert werden.

Von der BS2000 bis Blockchain

In Fujitsus Produktankündigungen wird allerdings auch deutlich, welchen Spagat das Unternehmen leisten muss. So betonte Lehner, dass auch die BS2000-Systeme nach wie vor eine wichtige Rolle spielten. Rund 90 Prozent machten in diesem Bereich mittlerweile Software und Services aus. Dennoch bildeten die Mainframes immer noch eine wichtige Säule des hiesigen Fujitsu-Geschäfts.

Auf der anderen Seite stehen neue Technologien wie zum Beispiel die Blockchain. Auf dem Forum kündigte Fujitsu gemeinsam mit der Rice Exchange (Ricex) an, eine Blockchain-basierte Plattform für den Reishandel auf den Markt zu bringen. Sie soll den Handel durch den Einsatz von Blockchain Distributed Ledger Technology (DLT) digitalisieren und so für ein neues Vertrauen im bis dato stark fragmentierten internationalen Reis-Geschäft sorgen. Käufer, Verkäufer und Service-Dienstleister könnten leichter und effizienter zusammenarbeiten sowie dank der nahtlosen Integration und der verifizierbaren, manipulationssicheren Daten auch Aufgaben wie Versicherung, Transport, Warenprüfung und Abwicklung erledigen.

Fujitsus Chief Technology Officer (CTO) Joseph Reger will in einem Inkubator Zukunftstechnologien wie KI, Blockchain und Quanten-Computing zur Marktreife bringen.
Fujitsus Chief Technology Officer (CTO) Joseph Reger will in einem Inkubator Zukunftstechnologien wie KI, Blockchain und Quanten-Computing zur Marktreife bringen.
Foto: Fujitsu

Um diese neuen Themen voranzubringen, baut Fujitsus Chief Technology Officer (CTO) Joseph Reger derzeit an einem digitalen Inkubator. Aktuell arbeiten hier rund 20 Mitarbeiter in München. Das soll und muss sich allerdings ausweiten, kündigte Reger an. Neben Blockchain-Techniken geht es im Inkubator um die Themenfelder KI und Quanten-Computing. Letzteres beschäftigt die größte Gruppe im Inkubator. Allerdings sei es in diesem Umfeld derzeit auch noch schwierig, geeignete Mitarbeiter zu finden, räumte der Fujitsu-Manager ein.

Brückentechnik ins Quanten-Computing

Reger zufolge besteht die Herausforderung nicht darin, einen richtigen Quantencomputer zu bauen. Der Manager sieht denn auch die jüngste Ankündigung Googles kritisch, die Überlegenheit (Supremacy) des Quanten-Computings nachgewiesen zu haben. So will Reger auch nicht von Supremacy sprechen - dieser Begriff sei zudem im Kontext wie "White Supremacy" vorbelastet -, sondern spricht lieber von Quanten-Vorteilen (Advantage). Die Ankündigung Googles nehme im Grunde gleichzeitig verschiedene Zustände an, wahr und falsch - wie in der Quantenmechanik, erläutert der studierte Physiker mit einem Schmunzeln.

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Für den CTO geht es vielmehr darum, seinen Kunden bei komplexen, rechenintensiven Aufgaben zu helfen. Fujitsu hat dafür den "Digital Annealer" entwickelt, ein nach eigenen Angaben digitales Schaltungsdesign, das von Quantenphänomenen inspiriert ist. Reger spricht von einer Brückentechnologie, mit deren Hilfe sich kombinatorische Optimierungsprobleme wesentlich schneller und effizienter lösen ließen als mit herkömmlichen Compute-Architekturen.

Mit dem "Digital Annealer" will Fujitsu eine Technik gebaut haben, die eine Brücke zwischen dem Quanten-Computing und herkömmlichen Compute-Architekturen schlägt. Der Vorteil: Damit sei man sofort projektfähig, sagt der Herteller.
Mit dem "Digital Annealer" will Fujitsu eine Technik gebaut haben, die eine Brücke zwischen dem Quanten-Computing und herkömmlichen Compute-Architekturen schlägt. Der Vorteil: Damit sei man sofort projektfähig, sagt der Herteller.
Foto: Fujitsu

"Damit sind wir sofort projektfähig", sagte der CTO. Beispielsweise habe man damit im Hamburger Hafen innerhalb weniger Wochen Ergebnisse erzielen können. Auch Firmen wie BMW oder die Telekom nutzten die Technik, letztere für die Optimierung ihrer Netze in der Planung und im Betrieb.

Aktuell ist die Pipeline des Digitalen Inkubators bei Fujitsu mit etwa 30 Projekten gut gefüllt, konstatierte Reger. Allerdings blieben die Technologien nur so lange im Labor, so lange sie Hilfe benötigten. Danach wanderten sie direkt ins Business. Dafür gibt es Reger zufolge einen fest definierten Prozess.

Fujitsu sucht Spezialisten für neue Themen

Um die neuen Technologiefelder ins Laufen zu bringen, kündigte Deutschland-Chef Lehner massive Investments in Personal an. Demzufolge sucht Fujitsu 500 bis 600 neue Mitarbeiter - in erster Linie, um Skills für wichtige Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz (KI), das Internet oft Things (IoT) sowie Blockchain aufzubauen. In jüngster Zeit habe man bereits etwa 200 Experten anwerben können, berichtete der Manager. Es handle sich um die größte Recruiting-Kampagne seit Jahren. Allerdings, so räumt der Manager auch ein, sei es nicht einfach, die richtigen Leute am Arbeitsmarkt zu finden. Lehner bleibt dennoch zuversichtlich.

Als weitere große Aufgabe und Herausforderung sieht es Fujitsu an, die vorhandenen Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Es gebe viel zu tun im Training und hier werde mehr passieren müssen, hieß es auf dem Forum. Lehner zufolge gehe es an dieser Stelle nicht nur um technische Kompetenz, sondern vor allem auch um den Mindset innerhalb der eigenen Mannschaft. Fujitsu-Mitarbeiter müssten mit Kunden auch dann sprechen können, wenn ihre Ansprechpartner nicht in der IT oder im Data Center zu Hause seien. "Es geht heute viel stärker um Business-Themen", konstatierte Lehner.

Die Projekt-Teams von Fujitsu sollen sich künftig als eine Art End-to-End-Service-Factory bei den Kunden positionieren. Von der Ausschreibung über die Konzeption und Auslieferung bis hin zur Implementierung und dem Service will man alles komplett aus einem Guss anbieten. Dabei wird Lehner zufolge Automation eine wichtigere Rolle spielen. Die Mitarbeiter könnten sich dann entlastet von Routineaufgaben auf die höherwertigen Services konzentrieren.

Auch das Partner-Ökosystem wird für Fujitsu noch wichtiger. Angesichts der immer größeren Komplexität und weiter ausgreifenden Vernetzung sei heute kein Anbieter mehr in der Lage, die anstehenden Aufgaben allein lösen zu können. Daher werde Fujitsu auch in Zukunft stark auf Partnerschaften setzen, bekräftigte Lehner. Das reiche von Startups bis hin zu Konzernen wie Microsoft.

Cloud-Kooperationen könnten besser laufen

Allerdings funktioniert noch nicht alles so, wie sich das Fujitsu vorstellt, gerade mit Blick auf die Cloud. Die eigenen Ambitionen in dieser Hinsicht hat der Konzern eingestellt und sucht nun Kooperationen mit den Cloud-Hyperscalern. Beispielsweise arbeitet Fujitsu seit einiger Zeit mit Microsoft in Sachen Azure zusammen. "Mit dem Geschäft sind wir allerdings noch nicht zufrieden", gab Lehner zu. "Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen." Fujitsu will hier nicht nur als Reseller agieren. Interessant werde es vielmehr in bestimmten Kombinationen. Als Beispiel nennt Lehner Fujitsu, SAP und Microsoft Azure.

Diese Cloud-Bündnisse will Fujitsu weiter ausbauen. Seit Mitte Oktober darf sich der Anbieter auch AWS Managed Service Provider nennen und kann damit seinen Kunden Cloud Services von Amazon Web Services (AWS) als Geschäftslösungen anbieten. "Die Kollaboration mit AWS steht für eine entscheidende Schlüsselkomponente des gesamten Cloud Portfolios von Fujitsu", hieß es in einer offiziellen Mitteilung der Japaner. In Kürze werde man auch etwas Vergleichbares in Richtung Google Cloud hören, ließ Paul Patterson, Leiter des Nord- und Westeuropa-Geschäfts von Fujitsu, in München durchklingen.

Der Weg zur Digital Transformation Company sei zu 40 bis 45 Prozent geschafft, sagte Lehner. Bis September 2020 will Fujitsu dann Vollzug melden. Wie sich der Hersteller dabei weiter verändern wird, ließ der Manager offen. Es seien jedoch auch teilweise harte Entscheidungen notwendig.