Wenn der Betrieb im Rechenzentrum weitergehen muß:

Bei einer Renovierung ist ein kühler Kopf gefragt

07.10.1988

Nur selten ergibt sich die Gelegenheit, ein RZ während der Werksferien umzubauen und für diese Zeit stillzulegen - allein schon, weil so wenige Betriebe geschlossen Urlaub machen. Wenn während der Bauarbeiten kein Ausweich-Rechenzentrum zur Verfügung steht, wird es der DV-Mannschaft gewiß nicht langweilig. Wie man bei allen Widrigkeiten auf der Baustelle kühlen Kopf behält, beschreibt David Gabel.

Frage: Wie hält man ein Rechenzentrum am Laufen, in dem gerade ein Bautrupp Mauern versetzt?

Gegenfrage: Warum um alles in der Welt sollte man überhaupt ein Rechenzentrum renovieren? Es wäre doch wohl einfacher, ein Neues zu bauen und zu gegebener Zeit umzuziehen!

"Dahinter steckt eine Art Todessehnsucht", witzelt Tom Lalor, einer der Partner der St. John's Consulting Group in Westfield, New Jersey, über die unfreiwilligen RZ-Restaurateure, denen gewiß ein schnieker Neubau auch lieber wäre. "Sicher, oft geht es nicht anders als zu renovieren, weil neue technische Entwicklungen - oder einfach Raumnot - dazu zwingen."

Robert C. Walsh, MIS Director beim Fahrradkonzern Schwinn Bicycle Co. in Chicago, hat mit beidem Erfahrungen - mit dem Verlagern von RZs und mit dem Modernisieren bei laufendem Betrieb. "Natürlich ist der Umzug das kleinere Problem. Aber einfach ist beides nicht", meint Walsh, "aber man lernt jedesmal dazu. Beim nächsten Mal wird es wohl glattgehen."

Anwender und Berater, die mit der Renovierung von Rechenzentren ihre Erfahrungen gemacht haben, stimmen allerdings darin überein, daß diese Aufgabe eine unvergleichliche berufliche Herausforderung darstellt - auch wenn sich nicht jeder seine Erfolgserlebnisse auf solch stressige Weise erschuften mag. Denn die Vermutung drängt sich auf, daß Murphy, der Entdecker des gleichnamigen Gesetzes, ein RZ-Leiter war, der sich damit abplagen mußte, den Computerbetrieb während eines Umbaus aufrecht zu erhalten.

RZ-Verlagerung ist das kleinere Problem

"Nicht nur ein gerüttelt' Maß Planung ist nötig, sondern auch die Abstimmung mit einer ganzen Menge von Leuten", sagt Tom Rodriguez, RZ-Chef des Medical Center an der New York University in Manhattan. Rodriguez wurde seinerzeit zum Projektmanager ernannt, als die Leitung der Uniklinik sich entschloß, die DV von Grund auf zu renovieren. Dazu gehörten eine neue Installation von Wasser- und Stromversorgung, der Einbau von stärkeren Trägern in den Fußboden sowie die Erneuerung des Estrich. Zu guter Letzt war der neue 3090-Mainframe aufzustellen.

Obwohl jede Renovierung ihre Eigenheiten hat, gibt es doch zwei wesentliche Gefahren, die allgegenwärtig sind: Schmutz und Staub, die bei jeder Arbeit an Wänden und Fußböden freiwerden, können den DV-Betrieb sehr plötzlich zum Erliegen bringen. Nicht minder schwer wiegt das andere Risiko, daß nämlich ein plötzlich auftretender Stromausfall das RZ lahmlegt.

Gegen den Dreck gibt es zwei Mittel: Erstens kann man vorübergehend die Bereiche, in denen gearbeitet wird, mit Plastikwänden abtrennen. Zweitens muß man dafür sorgen, daß die Klimaanlage keinen Staub in den sensiblen Computerbereich pustet. "Wir hatten hier jede Menge Plastikwände", sagt Nick Avignone, einer der beiden Projektmanager, die vor kurzem beim Internationalen Währungsfond (IWF) in Washington die Renovierung des Rechenzentrums geleitet haben. "Wir mußten Gänge durch die Baustelle führen, durch die die Operatoren mit den Tapes laufen konnten. Es war ein Tohuwabohu." Zudem, so Avignone, habe man die Klimageräte so austarieren müssen, daß kein Unterdruck im RZ entstand, der den Staub durch die Zugänge hätte ansaugen können.

Auf Unterbrechungen der Stromzufuhr, so sie willentlich geschehen, können sich die User beim IWF frühzeitig vorbereiten. Avignone plant solche Abschaltungen Monate im voraus. Während des Umbaus aber stürzte das System einmal unvorhergesehen ab, weil plötzlich der Strom ganz weg war. Zum Glück waren Spezialisten des Herstellers am Ort in Bereitschaft, die die Platten wieder hochfahren konnten.

Auf RZ-Baustellen ist es unvermeidlich, daß jemand, der sich eigentlich gar nicht an dieser Stelle aufhalten dürfte, an einem zentralen Stromkabel oder einer Datenleitung hängenbleibt. Das einzige, was man gegen solche Zwischenfälle tun kann, ist eine gründliche Vorsorge für die Minuten danach: Der Notfallplan muß nicht nur alle Eventualitäten abdecken, sondern auch möglichst rasch in die Tat umgesetzt werden (können).

Bei jedem Umbau Risikoanalyse machen

Ob auch Vibrationen eine Gefahr darstellen, hängt von der Problemstellung ab. "Wir mußten zwar stellenweise Beton abfräsen, um das Niveau des Fußbodens abzusenken", erinnert sich Avignone, "aber bei uns war das kein technisches Problem, nur eine Belästigung der DV-Mitarbeiter. Deswegen ließen wir diese Arbeiten nachts erledigen." Wenn die Erschütterungen zu stark werden, sollte man allerdings die Drives abschalten. Für die Ermittlung des hinnehmbaren Vibrationspegels gibt es Meßgeräte, die im übrigen der Bauunternehmer bereitstellen sollte.

Das wichtigste Element bei jeder Renovierung, so finden DV-Manager und Berater, ist die Planung dessen, womit keiner rechnet. Wie Alexander Ralston von der RZ-Planungsfirma Kling-Lindquist, die das neue Rechenzentrum des IWF entworfen hat, erklärt, pflegt seine Firma im Vorfeld des Umbaus gemeinsam mit dem Anwender und den Hardwarelieferanten eine Risikoanalyse durchzuführen. Dabei werden nicht nur möglichst alle Fehlerquellen erfaßt, sondern auch Verantwortlichkeiten bis ins Detail festgelegt.

"Bei uns war die Risikoanalyse ein Brainstorming, das uns eine ganze Woche beschäftigt hat", erzählt Avignone. Was herauskam, war ein Dokument mit mehr als 50 Seiten, das Avignone half, die Vernetzung und die Aufgabenverteilung zu planen.

"Verlaß Dich auf niemanden"

Einen Plan kann allerdings nur der machen, der genau weiß, auf was alles er achten muß. Tom Lalor, der Spezialist von der St. John's Consulting Group aus New Jersey, hat eine Checkliste parat, in der sich einige Punkte befinden, die schon deswegen oft vergessen werden, weil man sie für banal hält:

- Sorgen Sie dafür, daß ihre Notfallpläne immer auf dem laufenden Stand sind! Während eines Umbaus ändert sich die Situation ständig.

- Sehen Sie den Einbau von isolierten Bereichen vor! Sie können dann die bereits fertigen Teilbereiche sauberhalten und schon nutzen, während woanders noch die Dreckarbeit im Gange ist.

- Haben Sie ein wachsames Auge auf die Handwerker! Die sind nämlich oft mit den Besonderheiten eines Rechenzentrums nicht vertraut und könnten durch Ungeschicklichkeit schwere Schäden anrichten.

- Vergessen Sie nicht, alle Ausrüstungsgegenstände exakt zu etikettieren, damit jedes Teil später wieder an seinen Platz kommt! Das ist besonders wichtig bei allen Steckern und Kabeln.

- Sorgen Sie vor für den Fall, daß beim Umbau Geräte beschädigt werden! "Präventive Wartung" bedeutet: Der Lieferant muß auf alle Eventualitäten vorbereitet und in der Lage sein, jedes Ersatzteil in der passenden Spezifikation umgehend zu installieren.

- Beauftragen Sie auf keine Fälle einen Bauunternehmer, der keine einschlägige Praxis vorweisen kann! Sprechen Sie mit Referenzkunden des Auftragnehmers über deren Erfahrungen. Überlassen Sie die Auswahl der Baufirma auf keinen Fall allein den Kaufleuten in ihrem Unternehmens!

- Vergewissern Sie sich im eigenen wie dem darüberliegenden Stockwerk, daß nie die Abflüsse verstopft sind! Sonst könnten Sie und Ihre Rechner unversehens nasse Füße bekommen.

Auch wenn nur Leute mit einer gewissen Todessehnsucht dem Renovieren eines Rechenzentrums wirklich einen Reiz abgewinnen können, ist es oft doch notwendig. Aber sorgfältiges Nachdenken darüber, was alles schiefgehen kann - einschließlich eines ausgeklügelten Plans, der kleine wie große Pannen in Betracht zieht - macht alles viel einfacher, zumindest, wenn man die Einhaltung des Plans strikt überwacht.

Robert Walsh hat dafür eine goldene Regel: "Mach Dir eine Liste der fürchterlichsten Probleme, die man sich denken kann. Laß alles noch von jemand anders gegenlesen. Aber verlaß Dich auf niemanden!"