Robotron und Telefon sind Zauberworte für DDR-Kooperationen

Bei DV und dem Telefonnetz schalten sich Westfirmen ein

11.05.1990

Die elektronische Datenverarbeitung in der DDR ist untrennbar mit dem Namen Robotron verbunden. Keimzellen des sich wandelnden Kombinats waren der VEB Rafena Radeberg und der VEB Elektronische Rechenmaschinen Karl-Marx-Stadt. Klaus Krakat* untersucht im zweiten Teil seiner DDR-Serie, welche Chancen der größte DV-Hersteller Osteuropas unter künftigen Marktbedingungen hat. Weiterhin stellt er dar, wie problematisch die Bereitstellung eines funktionierenden Telefonsystems für die DDR ist.

Robotron wurde vor allem infolge der sogenannten Kombinatsreform der DDR in den Jahren 1978 bis 1980 durch Betriebseingliederungen stark vergrößert. Anfang 1990 umfaßte das Unternehmen 21 Betriebe, davon 15 Produktionsbetriebe, 4 Vertriebs- und Kundendienstbetriebe, ein Softwarehaus sowie die Robotron-Handel und -Dienstleistungen GmbH (als ehemaligen Außenhandelsbetrieb des Kombinates).

Kombinatsleitung soll zur Holding werden

Auf der Pressekonferenz anläßlich der Leipziger Frühjahrsmesse erklärte der Generaldirektor von Robotron, Friedrich Wokurka, es sei geplant, die Kombinatsleitung in eine Holding-Gesellschaft - voraussichtlich eine AG - umzuwandeln und dieser dann die möglicherweise in GmbHs überführten 21 Robotron-Betriebe zu unterstellen. Weiteren Verlautbarungen zufolge gehöre zur Umstrukturierung auch, daß ehemalige private Betriebsteile, die Anfang der siebziger Jahre in das Kombinat zwangsüberführt wurden, wieder privatisiert würden.

Inzwischen aber scheint der Robotron-Chef mit seiner Idee gescheitert zu sein. Fest steht, daß einige Robotron-Betriebe inzwischen um ihre völlige rechtliche Selbständigkeit kämpfen. Dabei geht es nicht nur um eine Umwandlung des VEB in eine AG, sondern vielmehr um eine Privatisierung des Volkseigentums und um eine neue Mitbestimmungs-Regelung. Eine Vorreiterrolle nimmt hierbei der VEB Robotron-Büromaschinenwerk "Ernst Thälmann", Sömmerda, ein. Unterstützung bei der Durchsetzung der für die DDR modellhaften Pläne wurde bereits von der IG Metall zugesichert.

Wichtig ist darüber hinaus auch für das Kombinat Robotron und seine Betriebe die Erkenntnis, daß für deren Fortbestehen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen eine Reduzierung der bisherigen Fertigungstiefe und die Einstellung unrentabler Produktionen notwendig sind. Wie selbst von Robotron-Mitarbeitern eingeräumt wird, haben daher weder die ESER-EDVA 1057 (ESER: einheitliches System der elektronischen Rechentechnik der Comecon-Länder), der 8-Bit-Personalcomputer PC 1715 W, der 16-Bit-Arbeitsplatzcomputer A 7150 oder der 32-Bit-Supermini RVS K 1840 (DEC-VAX-11/780-kompatibel) Überlebenschancen. Der Entwicklungs-Rückstand gegenüber dem Westen beträgt bei 32-Bit-Superminis rund neun und im Falle von Personalcomputern rund fünf bis sechs Jahre. Hinsichtlich der Anwendungs- breite ist der Abstand noch größer.

Angesichts der Schwemme von IBM-PC/XT/AT-Kompatiblen mit relativ günstigem Preis-Leistungs-Verhältnis werden es jedoch Robotrons 16-Bit-PC EC 1834 (mit sowjetischer CPU K 1810 WM 86, Intel-80286-kompatibel und 640 KB Hauptspeicherkapazität) und dessen in Leipzig vorgestellter Nachfolger, der EC 1834.01, ebenfalls schwer haben, am Markt zu bestehen. Gleiches gilt für die in Leipzig offerierten neuen Robotron-Rechner. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um den neuen 16-Bit-PC EC 1834 (unter anderem mit der Intel-80286-kompatiblen 16-Bit-CPU 80601 aus dem Kombinat Mikroelektronik) und die 32-Bit-Workstation RVS K 1820 (mit Intel-80386-kompatibler CPU 80701 aus der gleichen Quelle). Wie es hieß, war die Workstation als ein besonderes Projekt anläßlich des für April 1990 geplanten SED-Parteitages vorgesehen.

Absatzschwierigkeiten wird es zweifellos bei den im VEB Robotron-Elektronik Hoyerswerda gefertigten Digitalisiergeräten geben. Der Grund: Mit dem Zugriff auf westliche 3D-fähige Rechnersysteme werden die angebotenen und zumeist in die Sowjetunion verkauften Digitalisiergeräte trotz günstiger Preise uninteressant werden und kaum noch Abnehmer finden.

Zu den in Leipzig offerierten neuen Produkten zählte unter anderem das Hotel-Computersystem HCS/R-16, das einen effektiven Kommunikationsverbund in Hotels gewährleisten soll. Die in den vorangegangenen Jahren von Robotron stets hochgelobte LAN-Lösung ROLANET ist nach Aussagen von EDV-Fachleuten aus der DDR "gestorben". Es wird nunmehr von dem optisch vermittelten lokalen Netz LWL-LAN 1 abgelöst. Das neue LAN-Konzept basiert auf dem CSMA/CD-Bus-Zugriffsverfahren mit einer Datenübertragungs-Rate von 500 Kbit pro Sekunde.

Schlechte Versorgung im LAN-Bereich

EDV-Nutzer hatten es bislang in der DDR relativ schwer, von Robotron zufriedenstellend im LAN-Bereich bedient zu werden. So waren einige Betriebe in der Vergangenheit gezwungen, sich eigene Lösungen zu stricken oder auf Umwegen an westliche Erzeugnisse heranzukommen, um zum Beispiel ihre 32-Bit-Superminis LAN-gestützt in einen betrieblichen Rechnerverbund zu integrieren. Doch auch hinsichtlich der Rechnerbeschaffung gab es Probleme: Der Bedarf mußte bisher in den Betrieben bilanziert und begründet werden.

Da die von Robotron jährlich produzierten Rechner nicht ausreichten, um die Bedürfnisse im eigenen Land zu befriedigen, konnte nicht jeder beliebige Betrieb mit der Bewilligung eines Rechners rechnen. Computer, aber teilweise auch Drucker mußte man sich daher über Kompensationsgeschäfte mit anderen DDR-Firmen oder gar aus dem Westen beschaffen.

Aufgrund der Rechnerknappheit in der DDR hat die Berliner Computerhilfe e.V., ein gemeinnütziger Verein für Computer-Sachspenden, unlängst zur Sammlung alter, aber noch funktionstüchtiger Rechner aufgerufen. Unterstützt wird dieser Aufruf durch Institutionen in 0st und West. Die Transporte finden unter der Regie des privaten Paketdienstes United Parcel Service (UPS) statt. Wie es heißt, holt UPS die Geräte unentgeltlich von den Spendern ab und bringt sie zu den vereinbarten Empfängern.

Neben dem Engagement in der Rechentechnik ist Robotron seit langer Zeit auch in verschiedenen anderen Produktionsbereichen aktiv. Dementsprechend wurden auf der Robotron-Pressekonferenz zunächst die Möglichkeiten auf den Gebieten der Schreibmaschinen- und Druckertechnik besonders betont. Rund 150 000 Drucker wurden in der letzten Zeit pro Jahr produziert; knapp 30 000 davon gingen unter dem Markennamen "Präsident" in den Westen. Doch nicht immer lief alles glatt: 1989 zwangen Produktionsprobleme den VEB, etwa 27 000 Drucker bei Epson einzukaufen, um seinen Lieferverpflichtungen nachkommen zu können.

In der Bundesrepublik werden sowohl Drucker als auch Schreibmaschinen über die Firma Horst Grubert vertrieben. Zu den anderen Standbeinen von Robotron sollen künftig die Bildverarbeitung, elektronische Meß- und Prüftechnik, Richtfunktechnik sowie die Heimelektronik zählen. Hiermit erhofft man sich auch gegen harte Konkurrenz auf westlichen Märkten gute Absatz- und Gewinnchancen. Es gibt jedoch "noch einige Arbeit, um dieses Ziel durchzusetzen, gestand ein Robotron-Mitarbeiter auf der Frühjahrsmesse.

Westpartner sollen die Existenz sichern

Noch 1989 und während der ersten beiden Monate 1990 konnte Robotron mit seinen Exporten in den Westen (hauptsächlich Schreibmaschinen und Drucker) keinen überwältigenden Devisenertrag erwirtschaften.

Die Tatsache, daß Robotron verschiedene seiner Rechner künftig nicht mehr produzieren wird und daher die bisher dominierende Position als DV-Produzent innerhalb des Comecon wird aufgeben müssen, veranlaßte sowohl die Leitungen einiger Robotron-Betriebe als auch die Kombinatsleitung selbst, alle sich nur bietenden Kooperationsmöglichkeiten mit potenten westlichen Partnern aufzugreifen.

So wird zum Beispiel zwischen Robotron und der Philips Kommunikations Industrie AG (PKI) in den Bereichen Tele- und Bürokommunikation, Meßtechnik und elektronische Konsumgüter eine Kooperation angestrebt. Weiterhin ist bereits die Bildung eines Joint-ventures zwischen dem Betrieb Robotron-Meßtechnik "Otto Schön", Dresden, und Philips auf dem Sektor der Meßtechnik ins Auge gefaßt worden. Mit dem Robotron-Betrieb Elektronik Radeberg und der Firma Elektroconsult Berlin schloß kürzlich die Bosch-Tochter ANT einen Vertrag über die Fertigung von Baugruppen und die arbeitsteilige Entwicklung von Richtfunkgeräten. Wenigstens zehn weitere Kooperationen sind beabsichtigt, so unter anderem mit der Reiner Pilz GmbH, der Klüssendorf AG oder der Rena Informationstechnik.

Indessen scheint das mit der Pilz GmbH geplante Joint-venture gefährdet zu sein. Der Rat der Stadt Suhl sprach sich nämlich Anfang April überraschend gegen den vorgesehenen Standort der CD-Produktionsstätte aus. Offenbar ließ man sich in seiner Entscheidung davon leiten, daß mit dem Bau auf dem zur Verfügung stehenden Industriegelände eine benachbarte Schießsportanlage beeinträchtigt werden könnte. Das letzte Wort ist hierzu jedoch noch nicht gesprochen. Gleichwohl wird sich das Profil des ehemaligen Computerproduzenten Robotron künftig erheblich verändern: Am Ende des Transformationsprozesses in eine Marktwirtschaft wird es auch hier nur noch verschiedene GmbHs oder AGs ohne eine übergeordnete Spitze geben.

Trostlos ist die Situation der Kommunikationstechnik sowohl im Nah- als auch im Fernbereich. Deren rückständiges Niveau zeigt sich besonders deutlich am Beispiel des DDR-Telefon- wesens: Mit insgesamt 1,76 Millionen Hauptanschlüssen im Jahr 1988 rangierte die DDR noch hinter Kolumbien, jedoch vor Portugal und dem Irak.

Telefonieren ist in der DDR ein Glücksspiel

Gegen Ende des vergangenen Jahres lagen dem Ministerium für Post- und Fernmeldewesen der DDR noch rund 1,1 Millionen Anträge auf Einrichtung eines Telefonanschlusses vor. Diese Situation wurde zusätzlich verschärft durch eine viel zu geringe Leistungsfähigkeit des vorhandenen, zu fast hundert Prozent analogen Vermittlungsnetzes.

Hieraus ergibt sich, daß die DDR im Falle der gegenwärtig vorhandenen Telefonhauptanschlüsse um etwa zehn bis 15 Jahre hinter dem westlichen Standard zurückliegt. Am Rückstand der DDR-Telefontechnik ändert auch die Tatsache nichts, daß inzwischen Digitaltechnik eingesetzt wird. Nach Schätzungen der DDR-Post wären zur Modernisierung des Telefonnetzes etwa zwölf Milliarden Mark notwendig; sowohl die Deutsche Bundespost als auch Siemens rechnen jedoch mit einem höheren Betrag.

Ausgehend von bereits 1989 geführten Gesprächen und Lieferungen westlicher Firmen liegen bereits erste Kooperationsvereinbarungen mit dem Kombinat Nachrichtenelektronik vor. Joint-ventures sind geplant. Siemens, aber auch SEL haben auf der Leipziger Frühjahrsmesse die Richtung der weiteren Entwicklung der DDR-Kommunikationstechnik abgesteckt.

In der Ausschreibung für ein neu zu errichtendes digitales Fernsprechnetz hat sich die DDR-Post zunächst in sechs von neun großen Städten für das Vermittlungssystem EWED von Siemens entschieden. Dies bestätigte der frühere Minister für das Post- und Fernmeldewesen und Generaldirektor der DDR-Post, Klaus Wolf, auf der Leipziger Frühjahrsmesse. Danach steht fest, daß in Dresden, Chemnitz, Neubrandenburg, Rostock, Zwickau und Strausberg den Planungen entsprechend zunächst je eine Orts- und eine Fernvermittlung mit rund 30 000 Teilnehmer- sowie etwa 18 000 Vermittlungsanschlüssen errichtet wird.

Zusammenarbeit bis September 1990 befristet

Nach Angaben eines Siemens-Sprechers wurde zudem mit dem Kombinat Nachrichtenelektronik eine Absichtserklärung auf dem Gebiet der privaten Kommunikationstechnik unterzeichnet. Die Zusammenarbeit ist zunächst auf Ende September 1990 befristet. Als technische Grundlage sei das Kommunikationssystem Hicom von Siemens gewählt worden.

Darüber hinaus hat inzwischen das Berliner Telekommunikations-Unternehmen Krone KG ein Joint-venture mit dem einzigen Hersteller von Telefonen in der DDR, dem VEB Fernmeldewerk Nordhausen, Betrieb des Kombinates Nachrichtenelektronik, geplant. Eine Absichtserklärung ist von den Leitern beider Betriebe bereits unterzeichnet worden. Wie es heißt, will man gemeinsam Fernmeldegeräte entwickeln, produzieren und ein Vertriebsnetz aufbauen.

SEL plant ein Gemeinschaftsunternehmen

SEL beabsichtigt, mit dem Kombinat Nachrichtenelektronik Berlin und dessen Produktions- betrieben VEB Sternradio Rochlitz, VEB Nachrichtenelektronik Arnstadt sowie dem VEB Funk- und Fernmelde-Anlagenbau Berlin ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen. Geplant ist auch hier die gemeinsame Entwicklung, Herstellung und Vermarktung kommunikationstechnischer Anlagen. Unter anderem sollen in einem neuen Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens digitale Vermittlungseinrichtungen in System-12-Technik für öffentliche Kommunikations- sowie Sondernetze gefertigt werden. An dem Joint-venture werden SEL und sein DDR-Partner zu gleichen Teilen beteiligt sein.

In Leipzig war zu erfahren, daß das Kombinat Nachrichenelektronik parallel zu den verschiedenen Kooperationen seine bisherigen Produktionen weitgehend aufrechterhalten will. So soll die digitale Nebenstellenzentrale NZ 400 D weiterhin einen "erstrangigen" Platz einnehmen. Bestätigt wurde dies durch die Tatsache, daß auf der Messe in Anwenderlösungen für eine betriebliche Kommunikation auf Basis dieser Nebenstellenzentrale Fernkopierer von Siemens, Bildtelefone von SEL/Alcatel und Datenübertragungseinrichtungen der belgischen Firma Telindus gezeigt wurden.

Andererseits war jedoch davon die Rede, daß die NZ 400 D künftig kaum Chancen habe, auf westlichen Märkten abgesetzt zu werden und daher auch hier Produktionseinstellungen denkbar seien.

Anlagenbau: Bereits Produktionen eingestellt

Solche Maßnahmen sind im VEB Elektroprojekt und Anlagenbau Berlin, dem Stammbetrieb des Kombinates Automatisierungs-Anlagenbau, bereits beschlossene Sache. Betroffen sind hiervon nach Aussagen eines Kombinatssprechers auf jeden Fall die speicherprogrammierbaren 8-Bit-Steuerungen MRS 704 und 705 und das noch vor einem Jahr in Leipzig mit einem Messepreis prämierte 16-Bit-Industrie- computer-System ICA 700. Für 1989 sollten rund 400 Rechner (ICA 710.20 und ICA 710.30) dieses Systems hergestellt werden; bis zum Frühjahr l990 sind rund 600 Stück ausgeliefert worden. Diskontinuitäten begleiteten die Produktion, weil es nach jüngsten Mitteilungen aus dem Kombinat Lieferschwierigkeiten seitens Robotron gegeben haben soll; der ICA 700 basiert auf wesentlichen Komponenten des Robotron Personalcomputers EC 1834.

In Leipzig war das Kombinat zwar noch mit einer Reihe von Erzeugnissen und Anwendungslösungen aus seinen Betrieben vertreten, im Vergleich zu früheren Jahren fehlte jedoch diesmal die früher übliche Repräsentanz des Kombinates. Zudem zeigten sich dessen Vertreter mit Blick auf künftige Strukturen, Produktionsprogramme und die Beschäftigungslage ratlos. Fest steht auch hier, daß für einige Betriebe beziehungsweise Betriebsteile Kooperationen und die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen mit bundesdeutschen Firmen, insbesondere mit Siemens/KWU, in Sicht sind.

Überführung in die Rechtsform einer GmbH

Parallel hierzu haben in einigen Betrieben die Aktivitäten auf deren Überführung in die Rechtsform einer GmbH begonnen. Das alles vollzieht sich völlig losgelöst von möglichen diesbezüglichen Umwandlungsvorstellungen der noch amtierenden Kombinatsleitung. Fazit insgesamt: Das Kombinat und seine bisherigen Strukturen wird es künftig nicht mehr geben.