Bei der Gestaltung von Bildschirm-Arbeitsplätzen an die Psyche denken

05.09.1980

Mit Hans Augst, Geschäftsführer der Tandberg Data GmbH, Dortmund, sprach Dieter Eckbauer

- Herr Augst, Tandberg hat ein Bildschirm-Terminal auf den Markt gebracht, das - so Ihre Werbung - nach den neuesten ergonomischen Erkenntnissen entwickelt worden ist. Nun werden die technischen Merkmale eines Datensichtgerätes von jedem Hersteller anders bewertet. Was meinen Sie, wenn Sie von Bildschirm-Ergonomie sprechen?

Über Bildschirmergonomie ist schon so viel Allgemeines gesagt und geschrieben worden, dem möchte ich nichts hinzufügen, sondern am Beispiel TDV 2200 den Begriff an einigen Merkmalen erläutern: Großer 15-Zoll-Bildschirm mit gut lesbaren Zeichen bei allen Lichtverhältnissen und ohne störende Spiegelungen; Kipp und drehbar sowie in der Höhe verstellbar; Ermöglicht optimale Positionierung; Tastatur ist abgesetzt und damit beweglich, sie ist extrem flach und paßt auf jeden Schreibtisch.

- Wäre es Ihrer Meinung nach wünschenswert daß sich die Bildschirm-Anbieter auf einheitliche Entwicklungsziele festlegen?

Ja, soweit die weitere Entwicklung nicht gehemmt wird.

- In welchen Ländern sind denn die Anwender in punkto Bildschirm-Ergonomie am meisten sensibilisiert?

Skandinavien hat historisch bedingt früh angefangen. In der Bundesrepublik Deutschland nehmen sich die Gewerkschaften, und dies ist zu begrüßen, sehr intensiv dieses Themas an. In den anderen europäischen Ländern und den USA sind die Verhältnisse zur Zeit noch anders gelagert.

- Man schätzt, daß 1985 in der Bundesrepublik eine Million Datensichtgeräte installiert sein werden. Ungewiß ist, wer dann an diesen Bildschirm-Arbeitsplätzen sitzen wird. Tritt nicht angesichts der Rationalisierung im Bürobereich, die Arbeitsplätze vernichtet, die Ergonomie-Frage in den Hintergrund?

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen wird nicht nur für verbesserte Arbeitsverhältnisse gesorgt, sondern es werden auch neue Arbeitsplätze geschaffen.

- Wir denken an der Bereich der Textverarbeitung. Hier wird doch von den Gewerkschaften, was den zukünftigen Bürokräfte-Bedarf betrifft, mit Zahlen operiert, die diese optimistische These widerlegen sollen.

Als Praktiker weiß ich, daß der permanente Mangel an Schreibkräften uns immer stärker unter den Nägeln brennt. Der sachgerechte Einsatz der Textverarbeitung hat zur schnelleren Reaktionszeit, das heißt hohem Durchsatz und Wegfall von unnötiger Wiederholungsarbeit, geführt. Der Einsatz der Textverarbeitung hat somit zu einer Aufwertung, nicht jedoch im Gesamtbereich zur Verminderung von Büroarbeitsplätzen geführt.

- Schädigt die Arbeit am Bildschirm die Augen?

Bei Berücksichtigung aller heute erarbeiteten ergonomischen Erkenntnissen und Vorliegen normaler Sehfähigkeit, sind Schädigungen des Sehapparates durch Bildschirme nicht bekannt geworden.

- Wird im Bildschirm-Markt über den Preis verkauft oder über das was man Funktionalität nennen könnte?

Im Zeichen sinkender ZE-Preise wird oft übersehen, daß auch Bildschirmterminals ein ständig besseres Preis-/Leistungsverhältnis aufweisen. Dabei nimmt die Zahl der im Bildschirmterminal angebotenen Funktionen im Zuge der Verlagerung von mehr und mehr Computerfähigkeit an die einzelnen Arbeitsplätze zu. Das heißt, sobald die Funktionalität stimmt, kann auch über den Preis verkauft werden.

- Es soll Distributoren geben, die Bildschirmgeräte fernöstlicher Provenienz ab Flughafen Frankfurt aus dem Karton verkaufen - zu Schleuderpreisen.

Im Zuge der aktuellen Japandiskussion scheint mir diese Frage sehr zeitgemäß, aber in ihrem realen Gehalt etwas übertrieben. Wir können jedenfalls sagen, daß uns derartige Mitbewerber bisher nicht begegnet sind.

- Wir hatten vorhin eine Zahl in den Raum gestellt: Eine Million Bildschirm-Installationen in der Bundesrepublik bis zum Jahre 1985. Sie haben dies nicht aufgegriffen, dem aber auch nicht widersprochen. Wieviele Bildschirmgeräte will Tandberg denn in den nächsten Jahren verkaufen?

Die derzeitige Kapazität unserer Fertigung entspricht der heutigen Nachfrage, liegt in einer fünfstelligen Größenordnung und garantiert somit kurze Lieferzeiten.

- . . . so daß wohl für Sie, wenn man davon ausgeht, daß Tandberg einen bestimmten Marktanteil anstrebt, eher das Problem besteht, genügend Bildschirme zu produzieren.

Wir sind natürlich von der bisherigen Nachfrage sehr erfreut und haben alle erforderlichen Maßnahmen für die sich aus diesem Vertriebserfolg ergebenen Kapazitätserweiterungen getroffen. Das heißt, der Kapazitätsausbau ist eingerichtet.

- Man kann also von einer sehr starken Nachfrage sprechen. Werden vor diesem Hintergrund die Bildschirmpreise für den Anwender in den kommenden 24 Monaten stabil bleiben oder werden sie nach unten tendieren ?

Natürlich gehen wir von einer Preis-/Leistungsverbesserung aus, das heißt, daß wir unseren Kunden weitere interessante Verbesserungen zur Verbesserungen stellen werden.

- Wohin geht Ihrer Meinung nach der Trend - zu mehr Intelligenz im Bildschirm oder zu dummen Terminals?

Wie schon gesagt, werden mehr und mehr Computerinformationen am Arbeitsplatz verlangt und eingesetzt. Hierbei wird es zu einer weiterführenden Produktdifferenzierung bei Bildschirmterminals kommen, um noch besser das jeweilige Arbeitsplatzprofil abdecken zu können. Dies bedeutet, daß überwiegend mehr Computerfunktionen gefordert sind, während die einfachen Terminals in Spezialanwendungen ihren Einsatz finden.

- Zurück zum Punkt Bildschirm-Ergonomie: Wird hier nicht viel mit Ergebnissen argumentiert, die letztlich nicht belegbar sind? Der eine sagt eben. Grün vor schwarzem Hintergrund sei angenehm, der andere ist für's genaue Gegenteil - und jeder hat seinen Hausmediziner.

Unterschiedliche Auffassungen existieren meines Erachtens allenfalls im Detail, die sich präzisen Messungen entziehen. Ich glaube, daß in allen ergonomisch-ausschlaggebenden Fragen eine einheitliche Erkenntnisbasis erarbeitet ist. Wir sollten aber bei der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen, bei der bisher diskutierten Hardware-Ergonomie und der sich hier anschließenden Software-Ergonomie, auch an die weiterführenden Fragen der besseren, Anpassung des gesamten Datenverarbeitungsprozesses an die Psyche des arbeitenden Menschen denken. In diesem Bereich, den wir mal mit "Kognitive-Ergonomie" bezeichnen wollen, sind Fragen wie zum Beispiel Antwortzeitverhalten, Fehlertoleranzen und leichte Erlernbarkeit zu behandeln.

Hans Augst

Jahrgang 1939, ist Geschäftsführer der Tandberg Data GmbH, Dortmund, einer gemeinsamen Tochter der norwegischen Tandberg Data A/S, in Oslo und der Siemens AG. Tandberg Data A/S gehört zu 51 Prozent der Siemens AG und zu 49 Prozent dem norwegischen Staat.

Hans Augst kam von der Nachrichtentechnik in die Datenverarbeitung. Bevor er die Aufgabe übernahm, den OEM-Vertrieb für die Tandberg Data GmbH aufzubauen, war er im Bereich der Siemens -Basis-Informationssysteme (BI) beschäftigt.