Viele Betriebssysteme, wenig Hardware

Bei den Pen-basierten Rechnern fehlt es noch an den Anwendungen

28.08.1992

MÜNCHEN (CW/IDG) - Die DV-Industrie hat mit Pen-basierten Computern wieder ein neues Terrain aufgetan. Noch spielt sich Pen-Computing jedoch eher in der Theorie als in der Praxis ab. Mit real existierenden Produkten, sowohl Software als auch Hardware, ist es derzeit nicht weit her, konstatieren Branchenbeobachter.

Wer heute schon Pen-basierte Systeme einsetzen will, tut sich offensichtlich schwer: Zuerst gab es keine Betriebssysteme, dann hielten die Hardwarehersteller ihre vorher angekündigten Auslieferungstermine nicht. Nun hakt es außerdem an der verfügbaren Anwendungssoftware, stellt die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" fest. Wie Softwarehäuser gegenüber dem US-Fachblatt äußerten, seien die Hardwareproduzenten schuld daran, daß es erst so wenig Applikationen für Pen-basierte Rechner gebe. "Wir warten auf Maschinen, um unsere Programme zu testen", argumentiert Diana Bury, Produkt-Manager bei Pensoft.

Erschwerend wirkt sich für Software-Companys unverkennbar die Vielfalt an Betriebssystemen aus. So haben die Unternehmen die Wahl zwischen Pen-DOS, Penpoint, Windows for Pen Computing, dem Momenta-OS oder Penright. Dabei handelt es sich bie dem Microsoft-Produkt Windows for Pen Computing, bei Pen-DOS von CIC und Penright von der Grid Systems Corp. um Betriebssysteme, die auf das basieren. Bei Penpoint der Go Corp., MDE von Momenta und Folio von Pi-Systems ist das nicht so.

Besonders Entwickler, die sich für Penpoint der Go Corp. als Softwaregrundlage entschieden haben, kritisieren gegen über der "Infoworld" das fehlende Hardware-Angebot. Wie den Mitteilungen zufolge aus diesem Kreis zu hören war, werde man Penpoint-basierte Applikationen erst auf den Markt bringen, wenn genügend Rechner erhältlich seien. Indes haben die Unternehmen in das Microsoft-Produkt mehr Vertrauen - zumindest legen die Aussagen der Traveling Software Inc. und der Slate Corp. diese Vermutung nahe. So entschied sich das Slate-Management, Produkte für Stift-betriebene Microsoft-Umgebungen zuerst auszuliefern und die Penpoint-basierten Programme zurückzustellen. Ähnlich sieht es auch bei Traveling aus. Software für Pen-Systeme mit einem auf Basis von das entwickelten Betriebssystem sei von den Kommunikationsspezialisten bereits erhältlich.

Penpoint-Betriebssystem auch auf RISC-Plattform

Nimmt man die nachfolgende Tabelle, scheint die Unsicherheit bezüglich Penpoint jedoch unverständlich. So unterstützen etwa genauso viele Rechner das Go-Betriebssystem wie die Pen-Variante von Windows. Microsoft hat hier offenbar bei den Entwicklern einen Stein mehr im Brett.

Unterstützung erhält Go nun aber von der NCR-Muttergesellschaft AT&T. Macht deren Geschäftsbereich AT&T Microelectronics die kürzlich geäußerte Ankündigung war, dann wird das Angebot von Penpoint-unterstützenden Rechnern Ende des Jahres größer. Wie das kalifornische Unternehmen meldet, soll in etwa sechs Monaten die "Personal Communicators"-Serie vorgestellt werden. Dabei handelt es sich laut AT&T um portable Pen-Computer mit herstellereigenem RISC-Prozessor, die unter anderem Kommunikationsfunktionen wie Fax und E-Mail sowie Sprach- und Handschriftenerkennung bieten.

Die AT&T-Leute, die für die Rechnerserie einen eigenen RISC-Chip mit dem Codenamen "Hobbit" entwickelt haben, setzen dabei ganz auf Go, die den Angaben zufolge ihr Penpoint-Betriebssystem auf die RISC-Plattform portieren wollen. Prototypen mit der Hobbit-CPU existieren bereits. Wie aus der Mitteilung hervorgeht, haben beide Unternehmen kürzlich ein Abkommen getroffen, das neben der Systemsoftware auch die gemeinsame Entwicklung im Bereich der kabellosen Kommunikation vorsieht. Um gezielt diesen neuen Markt der Pen-basierten Systeme anzugehen, gründete AT&T zudem den Geschäftsbereich Personal Communication Systems (PCS). Neben Go arbeite man dort unter anderem auch mit dem Speicherprodukte-Hersteller Sundisk zusammen, heißt es weiter.

Offenbar hat AT&T mit dem neuen Prozessor große Pläne. "Infoworld" hat erfahren, daß der Chip auch anderen Herstellern zur Verfügung gestellt werden soll.

Völlig aus der Betriebssystem-Reihe werden hier wieder einmal die Apple-Systeme fallen, die Branchenkenner 1993 erwarten. Die Taschenbuch-großen Personal-Digital-Assistants (PDAs) implementieren das Newton-OS, ein Apple-spezifisches Betriebsystem, das speziell für diese Rechner entwickelt wurde. Auch die Kalifornier ans Cupertino setzen dabei auf einen eigenen RISC-Chip. Der Prozessor wird von der britischen ARM Ltd. entwickelt und soll eineinhalb- bis zweimal schneller sein als die 40-MHz-Variante der 68030-CPU von Motorola.