Für jeden etwas: Datenbanken in allen Größen und für alle Einsatzfälle

Bei den PC-Datenbanken herrscht verwirrende Vielfalt

08.06.1990

Mit der explosionsartig zunehmenden Leistungsfähigkeit der Hardware werden PCs für Anwendungsbereiche interessant, die bislang Minicomputern und Großrechnern vorbehalten waren. Ein Beispiel dafür sind Datenbanken. Das Produktangebot wird immer unüberschaubarer.

Der heutige PC-Datenbankmarkt läßt sich in mehrere Bereiche einteilen: Single-User-Systeme, Relationale Datenbanken für DOS, SQL-Server und High-end-Datenbanken, die von anderen Hardwareplattformen und Betriebssystemen wie Unix oder VMS nach unten in den PC-Bereich drücken.

Single-User-Systeme verlieren mehr und mehr an Bedeutung, sie rutschen entweder in den Home- oder den unteren Anwenderbereich ab. Hierzu zählen integrierte Pakete mit Datenbankteil und Einfach-Datenbanken wie beispielsweise Dataease. Diese Programme liegen im Preis zwischen 100)0 und 2000 Mark.

Die integrierten Pakete bieten neben der Datenbank auch meist Textverarbeitung, Kalkulation, Grafik und Kommunikation.

Für den Anwender, der mal schnell eine Aufgabe mit dem PC erledigen und sich dazu keine Programmierkenntnisse aneignen möchte, sind sie sicher noch immer die vernünftigste Lösung.

Datenbanken auf der Basis von DOS

Auch spezielle Adreßdatenbanken, die für Serienbriefe oder persönliche Daten eingesetzt werden, haben weiterhin ihre Berechtigung. Sie ermöglichen es den Anwendern, unabhängig von einer zentral gesteuerten EDV, ihren eigenen Datenbestand aufzubauen und diesen für spezielle Bedürfnisse, etwa Adreßlisten oder kleinere Mailings, zu verwenden.

Die nächste Stufe, die "relationalen" Datenbanken auf DOS-Basis (wobei man hinzufügen muß, daß keine der klassischen PC-Datenbanken je im strengen Sinn relational war), werden wohl die größten Umbrüche erleben. Hier sind vor allem Dbase, Paradox, Foxpro, Knowledgeman und R:Base zu nennen. Ihre Domäne war und ist der Stand-alone-PC, doch der ist - zumindest im professionellen Bereich - am Schwinden.

Andere Hardwareplattformen wie der Macintosh, vor allem aber andere Betriebssysteme wie Unix und OS/2 sowie die immer häufigere Vernetzung - auch in heterogenen Systemen - bringen Unruhe in diesen lange so ruhigen Markt.

Noch ist Dbase Marktführer doch der Klassiker unter den PC-Datenbanken hat unübersehbar mit den veränderten Verhältnissen zu kämpfen.

Seit über einem Jahr schreibt die Herstellerfirma Ashton-Tate tiefrote Zahlen. Verkaufsgerüchte machen die Runde. Zu lange hat man sich auf den durchaus verdienten Lorbeeren ausgeruht und das Geld nicht in die Entwicklung, sondern in den Aufkauf von Firmen investiert.

Als die Konkurrenz - vor allem Clipper und Foxbase, die auf der Basis der Dbase-Programmiersprache wesentlich mehr Leistung boten als das Original - davonzuziehen drohte, wollte Ashton-Tate mit dem ultimativen Produkt einen neuen Standard setzen: eine Datenbank, die auch höchste Ansprüche befriedigt und dabei dennoch sehr einfach zu bedienen ist. Der Schuß ging bislang nach hinten los: Dbase IV enthält mehr Fehler als Features. SQL ist nicht einsetzbar, die einfache Bedienung verliert sich in undurchschaubaren Befehlen.

Noch zehrt Ashton-Tate von der breiten installierten Basis, und viele Anwender hoffen auf das versprochene Update, das die Schwächen der aktuellen Version endlich beheben soll. Wenn es nicht bald kommt oder nicht hält, was man sich von ihm verspricht, dürfte es um Ashton-Tate geschehen sein.

Profitieren werden davon Paradox und Foxpro. Beide versuchen die Führungsrolle zu übernehmen. Foxpro ist der Nachfolger von Foxbase und sowohl zu Dbase III wie auch zu Dbase IV kompatibel. Sein eingebauter Compiler erzeugt den derzeit schnellsten Dbase-Code. Noch allerdings ist auch Foxpro nicht gänzlich ausgereift: Während die neue Oberfläche des interaktiven Datenbankteils mit Fenstern und Mausbedienung zum Besten gehört, was derzeit in diesem Bereich zu haben ist, sind die anderen Teile etwas überarbeitungsbedürftig.

Borland geht mit Paradox einen eigenen und zunehmend erfolgreichen Weg. Das Produkt hat - was den Datenbankteil anbelangt - eindeutig das bessere Design und eignet sich auch für größere Anwendungen auf dem PC. Dennoch kämpft Paradox derzeit noch mit zwei Mankos: dem Ruf von Borland als Billig-Anbieter und den unbefriedigenden Möglichkeiten für die Programmierer. Borlands Ruf ist ein Problem, das hoffentlich bald der Vergangenheit angehört: Die angebotenen Produkte zählen in den meisten Bereichen zum Besten auf dem Markt (das gilt sowohl für die bekannten "Turbo" -Compiler wie auch für das Kalkulationsprogramm Quattro Pro oder Paradox).

Clipper 5.0 soll den Durchbruch bringen

Das Problem der mangelnden Programmierbarkeit wirkte sich bislang vor allem im Fehlen von Applikationen aus: Paradox wurde vorwiegend für den eigenen Bedarf angeschafft. PAL, die eingebaute Programmiersprache, ist mehr eine Abfrageals eine Programmiersprache und erfüllt nicht immer alle Anforderungen eines Anwendungsprogrammierers. Borland hat inzwischen durch die neuen Paradox-Engines für C und Pascal Abhilfe geschaffen. Dahinter verbergen sich Schnittstellen vom Datenbank-Kern zu den Programmiersprachen.

Der Durchbruch bei den Entwicklern dürfte aber durch den neuen "Clipper" kommen: Clipper 5.0 unterstützt Paradox. Clipper, der verbreitetste Dbase-Compiler, ging im letzten Jahr zu Dbase auf Distanz. Zu groß ist bei der Herstellerfirma Nantucket die Angst, bei einem Scheitern von Dbase IV mit in den Abwärts-Strudel gerissen zu werden. So wird das Heil in einer Öffnung gesucht. Neben Dbase und Paradox sollen vor allem auch verschiedene SQL-Server unterstützt werden.

Clipper erzeugt, im Gegensatz zu Foxbase, echte EXE-Files und ist deshalb vor allem bei Entwicklern recht beliebt. Weil jedoch die direkte Bearbeitung von Daten nur über verschiedene Hilfsprogramme möglich ist, wird Clipper nur selten von Endanwendern benutzt.

Die anderen Programme auf diesem Sektor spielen, zumindest hierzulande, nur Außenseiterrollen: R:Base von Microrim wurde in Deutschland zeitweise von Microsoft als Abrundung der Produkt-Palette vertrieben, aber nie richtig unterstützt. ln Amerika dagegen hat das Produkt einen sehr guten Ruf, gerade für professionelle Anwendungen, und hält gut zehn Prozent Marktanteil.

Ebenfalls in einer Außenseiterrolle befindet sich Knowledgeman, das zwar zu den besseren PC-Datenbanken gehört, aber durch eine falsche Modulpolitik mit endlosen Aufpreislisten und das Fehlen eines preisgünstigen Laufzeitsystems für eigenständige Anwendungen nie so richtig Verbreitung gefunden hat.

Diese Datenbanksysteme mit integrierter Programmiersprache liegen durchweg in der Preisklasse zwischen 2000 und 3000 Mark. Sie sind gleichermaßen für Anwender wie Entwickler interessant. Für Anwender deshalb, weil ihre Datenstruktur einfach zu verstehen, die Sprache leicht zu erlernen und die Oberfläche relativ problemlos zu bedienen ist.

Selbst unerfahrene Anwender kommen damit schnell zu brauchbaren Ergebnissen und Entwickler können schnell und komfortabel leistungsfähige Anwendungen erstellen.

SQL ist in diesem Bereich derzeit noch kein Thema: In Dbase IV ist es fehlerhaft, bei Foxpro und Paradox noch in der Entwicklung.

Diesen Systemen erwächst aber derzeit starke Konkurrenz. Grafische Systeme wie Superbase IV oder Omnis V, die bislang unter der schlechten Performance von MS-Windows, für das sie geschrieben sind, zu leiden hatten und deshalb nur ein Schattendasein führten, bekommen in diesem Jahr durch Windows 3.0 gewaltig Rückenwind. Nun können sie ihre Stärke, die einfache Bedienung und die optisch ansprechende Oberfläche voll ausspielen. Superbase IV glänzt zudem durch pfiffige Ideen. Am unteren Bildrand etwa ist ein Datenrecorder sichtbar, der wie ein Kassettenrecorder funktioniert, mit schnellem Vor- und Rücklauf, Pause und Stop-Funktion. Der Umgang mit den Daten wird so zum Kinderspiel. Auch diese Datenbanken liegen preislich im Rahmen von 2000 bis 3000 Mark.

Die zweite Konkurrenz kommt von modernen Programmiersystemen auf der Basis von 4 GL-Sprachen und von Programmgeneratoren. Mit Systemen wie Magic II, Conzept 16 oder Progress, aber auch Generatoren wie Clarion, Sycero oder Matrix Layout sind Applikationen deutlich schneller erstellt als mit herkömmlichen Programmiersprachen der dritten Generation wie C und Cobol oder den in die Datenbank integrierten Programmiersprachen.

Bislang scheiterte der Durchbruch dieser Programmiersysteme vielfach an ihren zu starren Konzepten oder proprietären Dateiformaten, die eine Verbindung mit dem Rest der Datenwelt nahezu unmöglich machten. Durch Schnittstellen zu SQl.-Servern und eine zunehmende Verbreitung der grafischen Oberflächen verlieren beide Punkte zur Zeit aber an Bedeutung.

Das gerade vorgestellte OS/2-Programm Enfin/2 des SPI-Gründers Peter Eichhorst zeigt, wie hier die Zukunft aussehen könnte. Der Programmierer arbeitet mit komplexen Objekten, denen einzelne Aufgaben zugewiesen werden. Es gibt Objekte, die Felder als eine SQL-Tabelle darstellen, andere, die ein Diagramm ausgeben oder eine bestimmte Aktion auslösen. Mit geringem Aufwand kann man in kurzer Zeit komplexe Anwendungen erstellen.

Doch auch der standardisierte Ablauf, etwa bei Magic II, hat Vorteile. In Österreich programmierten einige Bauern verschiedene landwirtschaftliche Anwendungen - Düngemittel-Optimierung, Kälbermast, Saat-gut-Optimierung usw. Gerade wegen des starren Konzepts konnten später alle eigenständigen Module ganz einfach zu einem Gesamtprogramm zusammengebunden werden. Das Programm war so erfolgreich, daß es von Siemens Österreich aufgekauft und nun unter eigenem Namen vermarktet wird.

Im dritten Bereich, dem der Front-ends für SQL, werden sich in Zukunft nahezu alle Programme tummeln, die mit der Verarbeitung von Daten zu tun haben. Seien es speziell entwickelte Front-end-Programme, die durch einfachste Bedienung neue Märkte erschließen sollen, etablierte Programme wie Dbase oder Open Access, die ihrer bereits installierten Basis den Zugang zu SQL-Datenbanken ermöglichen wollen, oder Programme wie 1-2-3 und Excel, für die der Zugriff auf SQL-Daten eine zusätzliche Import-Funktion darstellt. Sie alle werden im Markt der Front-Ends eine Rolle spielen. Gupta hat hierzu ein schönes Konzept vorgestellt, das die Möglichkeiten dieser Technik aufzeigt. "SQL-Base" verwaltet als Server im Hintergrund sämtliche Daten. Als Frontend steht eine optisch attraktive, leicht zu bedienende und leistungsfähige Windows-Applikation zur Verfügung: "SQL-Windows". In ihr gibt es neben einer interaktiven Abfrage-Maske auch eine direkte Schnittstelle zum Server, mit dem die SQL-Tabellen manipuliert werden können.

Es wird nicht einen Sieger geben

Ein weiteres Front-end für diese Server-Datenbank ist das integrierte Paket Open Access III von SPI, das mit allen seinen Modulen direkt auf die Server-Daten zugreifen kann. Mit "SQL-Vision" bietet SPI zusätzlich eine separate Schnittstelle als Add-In für Lotus 1-2-3 und Excel an. Damit können aus den Kalkulationsprogrammen heraus Abfragen an den Server formuliert und die erhaltenen Daten direkt ins Arbeitsblatt übernommen und weiterbearbeitet werden. Über die Dateistruktur muß sich der Anwender keine Gedanken machen: Jedem Feld wird automatisch eine Spalte im Arbeitsblatt zugewiesen.

Noch bevor das Rennen um die Marktanteile für die SQL-Server richtig begonnen hat, steht schon fest: Es wird nicht einen Sieger, sondern eine ganze Reihe von Siegern geben. Oracle, Ingres, Informix, und Progress sind allein durch die bereits installierte Basis so gut im Rennen, daß ihre Datenbanken wohl auch in Zukunft am Markt bestehen werden. IBM bringt seinen Server als Database Manager der Extended Edition von OS/2 unters Volk, wobei es dessen Kompatibilität mit seiner Mainframe-Datenbank DB2 hervorhebt. Microsoft vermarktet den "SQL-Server" von Sybase, und Novell hofft, daß die große Zahl seiner Netzwerk-Kunden dem "Netware SQL"-Server zum Durchbruch verhelfen wird.

Die wesentlichen Mitspieler in diesem Bereich jedoch sind die etablierten großen Datenbankhersteller: Oracle, Ingres, Informix und Progress. Gemeinsam ist allen, daß sie bereits eine breite installierte Basis auf verschiedenen Hardware plattformen besitzen und das PC-Produkt primär als Einsteigerangebot ansehen.

Oracle ist das weltweit größte Softwarehaus und besitzt eine Datenbank, die zwar bekanntermaßen nicht die schnellste, dafür aber auf so gut wie jeder Hardwareplattform verfügbar ist. Wer einmal mit Oracle angefangen hat, kann seine Anwendungen ohne großen Aufwand auf nahezu jeden beliebigen Rechner portieren. Oracle-Anwendungen laufen auch in heterogenen Netzen, die unterschiedlichste Computertypen verbinden.

Ingres gilt als kleines, aber feines Softwarehaus, das eine der besten Datenbanken anbietet. Ein Manko ist aber die geringe Zahl der Hardwareplattformen, für die sie verfügbar ist. Durch seine Einbindung in Open Desktop von SCO könnte Ingres im PC-Bereich unter SCO Unix in Zukunft jedoch deutlich an Bedeutung gewinnen.

PC-Lizenzen sind nicht allzu teuer

Informix gilt derzeit als Nummer eins in der unteren Unix-Welt, ist aber außerhalb nur sehr spärlich vertreten. Informix versucht seine Position über günstige Preise zu halten und findet Rückhalt vor allem bei Programmierern. Eine Vielzahl von fertigen Applikationen sichert ihm ein relativ stabiles Geschäft mit Laufzeitsystemen.

Progress hat seinen Schwerpunkt ebenfalls in der Unix-Welt, ist aber auch offen für andere Systeme. Seine besondere Stärke ist die integrierte 4GL-Sprache, deren Schnittstelle zur Datenbank immer gleich bleibt. So läuft eine auf dem PC geschriebene Anwendung unverändert auf allen verfügbaren 180 Progress-Plattformen. Um das Angebot abzurunden, gibt es mittlerweile sogar eine Schnittstelle zu Oracle. Leider verfügt Progress nicht über Schnittstellen zu anderen Programmiersprachen.

Die Preise für die PC-Lizenzen dieser Power-Datenbanken liegen relativ niedrig: Von knapp über 2000 Mark für die Entwicklungslizenz von Informix bis zu 4000 Mark bei Progress. Allerdings nehmen sich die Hersteller hier ein Beispiel an der deutschen Automobilindustrie und bieten einen guten Teil der Funktionalität nur als Sonderausstattung.

Richtig teuer werden die Lizenzen erst für größere Systeme, wo Lizenzgebühren in fünf- und teilweise sechsstelliger Höhe fällig sind. Hinzu kommt, daß die High-end-Datenbanken aus einem Bereich kommen, in dem sie vorwiegend von technisch versiertem Personal bedient und programmiert werden. Verwöhnte PC-Benutzer ahnen zwar die in den Programmen steckenden Möglichkeiten, tun sich aber schwer mit der häufig etwas spartanischen Oberfläche. Wer einmal mit Foxpro und der Maus Daten in Fenstern über den Bildschirm geschoben hat oder sich mit dem einem Grafikprogramm gleichenden Maskengenerator von Superbase IV vergnügt hat, dem ist nicht klarzumachen, weshalb er sich mit der textorientierten Bedieneroberfläche von Ingres oder Oracle auseinandersetzen soll. So müssen sich die Power-Datenbank-Hersteller schnellstens ein neues Kleidchen stricken - oder sich die Unterstützung der Front-end-Anbieter sichern -, wenn sie im Markt der nach oben strebenden PC-User ein Wörtchen mitreden wollen.

Ingres hat gerade den ersten Schritt getan und eine Entwicklungsumgebung für grafische Benutzeroberflächen vorgestellt. Es fehlt zwar noch der vom PC gewohnte Komfort, doch die Ergebnisse genügen auch höchsten Ansprüchen. Eine allgemeingültige Empfehlung der einen oder anderen Datenbank ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Zu unterschiedlich sind die Philosophien und Zielrichtungen. Wer als Anwender seine Wünsche präzise formulieren kann, wird schnell merken, daß aus dem vermeintlich unüberschaubaren Angebot nur wenige Kandidaten übrigbleiben, die seinen Anforderungen genügen. Der Preis allerdings sollte bei der Auswahl nur eine untergeordnete Rolle spielen. Denn in den Kosten für eine Gesamtlösung, ist der Preis für die Datenbank-Software ein relativ unbedeutender Posten.