Relationales DB2 konnte Erwartungen der Anwender nicht erfüllen:

Bei Datenbanksoftware verliert IBM an Boden

20.09.1985

MÜNCHEN (CW) - Datenbankmanagementsysteme sind einer der wenigen Bereiche des DV-Markts, in denen IBM nicht als Quasi-Monopolist agiert, sondern sogar an Boden verliert. Die Konkurrenz profitiert davon, selbst wenn auch bei ihr nicht immer alles Gold ist, was glänzt - so zumindest die Aussage der International Data Corp. (IDC) in ihrem Industriereport "Vendors, Users Seek to Manage the Database Management Revolution".

Letztes Jahr waren die IBM-Produkte DL/ 1 und IMS noch die führenden DBMS-Pakete. Ihre Anteile an der Gesamtinstallationsbasis wurde mit 36 beziehungsweise 17 Prozent angegeben. Allerdings: Dem gemeinsamen Anteil beider Produkte von 53 Prozent stand 1983 noch ein Vergleichswert von 65 Prozent gegenüber.

Auch DB2 konnte die Erwartungen des Marktes nicht restlos erfüllen. Vor allem das von älteren DBMS-Produkten übernommene Data-Dictionary bedarf nach Ansicht der IDC-Experten dringend einer Überholung. Ein technologisches Face-Lifting könnte allerdings den wenigen verbleibenden Schönheitsfehlern ohne weiteres beikommen, heißt es in dem Industriereport. Immerhin sei DB2 nach wie vor das einzige relationale Paket eines führenden Anbieters für Grobsysteme und bleibe in bestimmten Einsatzgebieten unübertroffen.

So erlaubt ein relationales System dem DV-Laien, mit einem minimalen Trainingsaufwand seine eigenen Abfragen zu erstellen. Ein großes Handicap läßt sich allerdings nicht wegdiskutieren: Benutzerfreundlichkeit kostet viel Rechenzeit.

Big Blue selbst ermittelte kürzlich in einer Untersuchung, daß ein beschleunigtes IBM-System auf einer 3081 bis zu 80 Transaktionen pro Sekunde erreichen kann. Das reguläre IMCs unter CICS bringt es nur auf durchschnittlich 30 Transaktionen und DB2 schafft gerade 16. Voraussetzungen dafür ist allerdings, daß mindestens 13 dieser Transaktionen indiziert sind, um den Suchvorgang zu erleichtern.

Ausgehend von der Annahme, daß ein qualifizierter Benutzer für 80 Prozent der Transaktionen selbst Indices setzt, stellt sich für die Marktforscher folglich die Frage, ob ein relationales Datenbankmanagementsystem wirklich notwendig ist.

IBM rät den Benutzern im allgemeinen, in mindestens zwei verschiedene DBMS-Pakete zu investieren: Ein traditionelles IMS für die meisten Transaktionsanwendungen und ein DB2 für eine sorgfältig abgegrenzte Datenbank, mit der eine limitierte Zahl von Endbenutzern arbeitet. Um noch effektiver zu sein, wird manchmal auch zusätzlich der Einsatz verschiedener Mainframes und eines erweiterten XA-Betriebssystems empfohlen. Eine "kunstvolle Mischung", rät IDC den Usern, sei wohl die beste Wahl; doch ersetze sie in keiner Hinsicht eine sorgfältige Vorab-Planung.

Während IBM im Datenbankgeschäft um seine Führungsposition bangt (siehe CW Nr. 22 vom 21. Mai 1985, Seite 12) profitiert die Konkurrenz von der momentanen DB-Flaute des Branchenprimus und bläst verstärkt zur Attacke: Cullinet ist dem Marktführer hart auf den Fersen und konnte 1984 seinen IBM-Marktanteil von etwa elf Prozent halten. Damit nahm der Hersteller hinsichtlich der Installationsbasis hinter Big Blue den zweiten Platz ein. Inzwischen bleibt auch diese Position offensichtlich nicht unangefochten, denn Cullinet wird von anderen Anbietern, vor allem von ADR, stark bedrängt.

Cincom Systems, Hersteller von "Total" und dem semi-relationalen "TIS", ist zwar noch nicht in der Lage, sich den 1983 an Cullinet verlorenen zweiten Rang zurückzuerobern. Jedoch verzeichnete das Unternehmen zum ersten Mal innerhalb der 80er Jahre eine Aufwärtsentwicklung, schreibt IDC.

Ihre Ergebnisse von 1983 konnten die Software AG (Adabas) und ADR (Datacom/DB) halten. An der Gesamtinstallationsbasis hatten die beiden Unternehmen einen Anteil von acht beziehungsweise vier Prozent. Mit einer ausgesprochen agressiven Marktstrategie konnte sich ADR 1985 entscheidende Vorteile sichern. CCA (Modell 204) und Intel (System 2000) schafften immerhin ein Prozent.

Bevor sich die gegenwärtige Lage auf dem DBMS-Markt klärt, werden nach Schätzung der IDC noch vier bis fünf Jahre ins Land gehen. Bis dahin aber, so die Marktforscher weiter, könnte sich bereits eine neue Revolution abzeichnen, da DBMS-Funktionen immer mehr auch hardwaremäßig gelöst werden. Hinzu kommt, daß die Sprachen der vierten Generation sowie KI-Software noch zu dem Verwirrspiel beitragen. Eine endgültige Konsolidierung sei deshalb erst abzusehen, wenn diese Technologien langsam aber sicher miteinander verschmelzen.