Sanierung Ó l'américain:

Bei Datapoint geht es nach Restrukturierung wieder bergauf

25.04.1986

Die Firma Datapoint hatte in den letzten Jahren nicht sehr viel Erfreuliches zu berichten. Das starke Wachstum kam 1981 zum Stillstand und kehrte sich von da an ins Gegenteil. Im letzten Jahr war es höchste Zeit, die verkrusteten Strukturen mit dem eisernen Besen zu säubern. Gleichzeitig begann sich eine Gruppe von Investoren für das angeschlagene Unternehmen zu interessieren. Seither geht es Datapoint wieder merklich besser. Felix Weber* hat mit einer Gruppe europäischer Fachjournalisten den Firmenhauptsitz in San Antonio, Texas, besucht und nachträglich in der Schweiz ein Interview mit Asher B. Edelman, dem neuen Chairman von Datapoint, geführt.

Draußen vor dem Hauptsitz der Firma Datapoint sieht alles nach heiler Welt aus. Solide, zweckmäßige Gebäude, verstreut über ein riesiges Areal. Nicht gerade spartanisch - aber wir sind ja auch in San Antonio, Texas, wo alles eine oder zwei Nummern größer ist, als Europäer es gewohnt sind.

Doch der erste Eindruck täuscht. Datapoint - die Firma entwickelt und baut EDV-Systeme und Computernetze - hat seit Jahren Probleme. Die Krise, in die praktisch die ganze amerikanische Computerbranche hineingeschliddert ist, hinterläßt auch in den Bilanzen von Datapoint tiefe Spuren.

Dabei hatte alles so schön begonnen: Nachdem die Startschwierigkeiten anfangs der 70er Jahre überwunden waren, ging die Firma bald in steten Steigflug über: Von 1976 an waren jährliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen zwischen 25 und 80 Prozent die Regel. Auch die Aktionäre konnten sich wacker mitfreuen: Von 1977 bis 1981 stieg der Preis der Datapoint-Shares praktisch kontinuierlich von 5 auf 60 Dollar.

Daß solch behagliches Wohlergehen verwöhnt und leicht dazu führt daß man der Wirklichkeit sanft, aber sicher entgleitet, hat sich im Fall der Datapoint einmal mehr gezeigt - wobei man den Terminus-"Fall" durchaus doppeldeutig auffassen kann: Abrupt sackte der Gewinn von luftigen 49 Millionen auf lächerliche 2,4. Der verzweifelte Versuch, die Bilanz mit fiktiven Aufträgen wenigstens optisch aufzubessern, mißlang - die Sache flog auf und der Aktienkurs herunter: von 52 auf 11 Dollar. Das war Anfang 1982.

Im Zuge des Aufschwungs der Computerbranche im Herbst 82 rappelte sich die Firma dann zwar nochmals hoch - geriet aber Mitte 84 erneut auf die schiefe Ebene. Monate später - Datapoint verbuchte eben die ersten Verluste nach den sieben fetten Jahren - rief man die Beratungsfirma McKinsey auf den Plan, um das sinkende Schiff vor dem Untergang zu bewahren. Kaum hatten sich die Profisanierer ans Werk gemacht, tauchte plötzlich wie aus dem Nichts Asher B. Edelman auf, eine illustre Figur mit höchst schillernder Vergangenheit, und begann im großen Stil Aktien aufzukaufen.

Die Aussicht auf ein Verwaltungsratsmandat kann wohl kaum Edelmans Hauptmotiv gewesen sein - dieser Hansdampf in allen Gassen besaß ja davon beileibe schon genug: nicht nur in der Computerindustrie, sondern auch bei Management-Beratungsfirmen, verschiedenen Versicherungen sowie - Kunst verdient auch ihre Supermanager - beim American Ballet Theatre.

Edelman hatte mit Datapoint von Anfang an einiges mehr im Sinn.

Die Synergie von McKinsey und Edelman brachte jedenfalls Zug in das heruntergewirtschaftete Unternehmen - soviel Zug, daß es die bisherigen Topmanager gleich reihenweise aus den Sesseln hob: Brauchte die Firma einst 37 Vizepräsidenten so kommt sie heute mit 14 offenbar glänzend aus.

Die Sanierer setzten das Messer nicht nur beim Topmanagement an, sondern auch beim "Fußvolk", das von 6000 Mitarbeitern auf 4100 reduziert wurde.

Und das Fazit? Turbulenzen, wo man hinschaut - aber die Firmengewaltigen sind sichtlich stolz auf ihr Werk: 60 Prozent ließen sich so bei den Ausgaben sparen.

Die Umstrukturierungen bei Datapoint erreichten schließlich ein Ausmaß, das selbst amerikanische Verhältnisse gewohnte Beobachter erstaunt und nach tieferen Gründen grübeln läßt. Nichts mehr blieb heilig - auch das sehr rentable Servicegeschäft nicht. "Weg damit", hieß das Verdikt. Gesagt, getan: Am allerersten Tag des Geschäftsjahres 1986 (das war nach Datapoint-Zählweise im Juli 85) warf man die Service-Abteilung in Form der neugegründeten Firma Intelogic Trace von Bord.

Als Grund für die radikale Maßnahme geben die Verantwortlichen an, die Kunden seien so besser bedient: Sie bräuchten jetzt nur noch ein Serviceunternehmen. Intelogic Trace würde in Zukunft nicht nur Datapoint-Hardware, sondern auch Fremdprodukte warten - zum Beispiel solche, die am ARC angeschlossen sind.

Die Betroffenen verdauten die Nachricht schlecht und reagierten äußerst nervös: Eine Umfrage des Computermagazins "Datamation" ergab, daß fast jeder dritte den Hersteller wechseln würde, wenn er könnte.

Mit dem großchirurgischen Eingriff hat Datapoint auch Spekulationen Auftrieb gegeben, die Edelman-Crew wolle profitable Betriebszweige lediglich deshalb absplitten, um später das derart geplünderte Unternehmen selber günstig aufkaufen zu können. In der Tat verbilligte sich Datapoint durch die Amputation des

Servicegeschäfts fast auf ein Drittel: Kostete die Datapoint-Aktie vor dem Split noch 13 Dollar, war sie nachher für 5 zu haben; die bisherigen Aktionäre waren jetzt plötzlich und ungefragt mit 8 Dollar an Interlogic Trace beteiligt. Beklagen können sie sich indes nicht: Das Servicegeschäft läuft so gut daß sich der Preis der IT-Shares seit Juli 85 schon fast verdoppelt hat.

Im September 85 lancierte Edelman dann seinen längst geplanten Coup: Zusammen mit Direktor Charles P. Stevenson unterbreitete er dem Verwaltungsrat ein Kaufangebot für Datapoint: Das börsennotierte Unternehmen sollte in eine Privatfirma umgewandelt werden - die Privatfirma von Edelman, Stevenson und ein paar Getreuen aus der Direktion. Die beiden Herren sprachen von 6 Dollar pro Aktie, was summa summarum einen Betrag von 100 Millionen ergäbe - wahrlich ein Trinkgeld für die Firma, deren Immobilien und Installationen allein schon 70 Millionen wert sind. Dazu käme ja noch das Inventar, das im Jahresbericht auf 83 Millionen beziffert wird.

Im Moment sollen unabhängige Finanzspezialisten abklären, ob der Preis für diesen sogenannten Leveraged Buyout fair ist und von den Aktionären - die für ihre Papiere vor dem Intelogic-Trace-Split ja bis zu 60 Dollar bezahlt haben - mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert werden muß.

Selbst wenn die Firma nur 100 Millionen kosten sollte und die Investoren soviel Geld in ihrer Kasse hätten, würden sie sie niemals selber bezahlen. Die Regeln des in letzter Zeit in den USA so in Mode gekommenen "Wer-übernimmt-wen"-Spiels lauten nämlich anders: Gekauft wird ausschließlich auf Pump, wobei der Kreditnehmer als Sicherheit gleich den geplanten Beutezug selber "hinterlegt"!

So verwundert es denn auch nicht wenn bei solchen Gelegenheiten Vorwürfe laut werden, die selbsternannten Märchenprinzen und Retter in der Not seien gar nicht an den Firmen interessiert, die sie aufkaufen sondern nur an einem baldigen "return of investment" - am schnellen Geld, um es deutlicher auszudrücken. In der Tat sind die Risiken eines solchen Engagements recht begrenzt: Erholt sich die Firma, profitieren alle davon; sackt sie weiter ab haben vor allem die gewöhnlichen Angestellten und Kunden das Nachsehen, während sich die Hauptbeteiligten durch rechtzeitiges Abspringen schadlos halten können. Wenn sie es geschickt machen, können sie dabei dank ihres Informationsvorsprungs sogar noch kräftig zulangen. Den Vorwurf, die geplante Reprivatisierung könnte lediglich ein geschickter Schachzug gewiefter Investoren sein, weist man bei Datapoint natürlich weit von sich. Die neuen Besitzer und das Management beteuern bei jeder Gelegenheit, sie glaubten fest an die Firma und hätten sich auch verpflichtet, dabeizubleiben. Weshalb denn überhaupt ein Leveraged Buyout? Die Antwort: Man wolle jetzt, wo man das Licht am Ende des Tunnels sehe, Ruhe ins Unternehmen bringen und auf längere Sicht planen, als dies unter dem Druck der Quartalsberichte möglich sei, die man in den USA als börsennotierte Unternehmen vorlegen müsse.

Neu von Datapoint: Orwells Televisor revisited

In der Hitliste der neuen Datapoint-Produkte findet man zuoberst Starship, eine neue Systemarchitektur, die unter anderem einen Hochleistungsprozessor und zwei Diskdrives (2 Gigabyte Online-Speicher) umfaßt. Starship bringt das 1977 eingeführte lokale Netz ARC in Schuß, indem es eine Verbindung herstellt zwischen dem Datapoint DOS und dem moderneren RMS-Betriebssystem. Nach Angaben des Herstellers laufen mit Starship auf alten Maschinen auch die neuesten Applikationen.

Die bisherigen Verkaufserfolge mit STARSHIP haben die Datapoint-Manager recht zuversichtlich gestimmt. In den ersten beiden Monaten wurden so viele Installationen verkaufte wie ursprünglich für das ganze Jahr budgetiert waren. Der Auftragsbestand sei so hoch wie seit Jahren nicht mehr, heißt es. Und wie steht es mit der Konkurrenz zum Beispiel IBM, die ja bald mit ihrem Token Ring auf den Markt kommen? "IBM macht uns gar keine Sorgen", meinte der zuständige Datapoint-Mann. "Auf dem IBM-Netz kann man ja bloß Daten herumschubsen; unseres hingegen macht aus den angeschlossenen Datenstationen einen einzigen großen Computer. Im übrigen hilft uns die Publizität die IBM mit der Ankündigung erzielt hat, unser eigenes Netz besser zu vermarkten."

Große Hoffnungen macht man sich in San Antonio auch von einem Produkt namens Minx, das die vollelektronische Bürozukunft so richtig einläuten soll. Dabei werden Geräte, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit George Orwells Televisor haben, miteinander verbunden. Sie ermöglichen Telekonferenzen von Büro zu Büro, dienen gleichzeitig aber auch als Personal Computer und Videogerät. Daß der Minx mit seinem elektronischen Auge, das den Benutzer ständig mit weitwinkligem Blick anstarrt, zur Überwachung von Personen eingesetzt werden könnte, wollen die Datapoint-Ingenieure gar nicht erst abstreiten - ein paar kleine Hardwareänderungen würden genügen.

Das Marktpotential für die neue Technologie ist sicher riesengroß, zahlreiche Firmen sollen Minx bereits bestellt haben. Ob Datapoint mit dem Minx das erhoffte Geld machen wird, bleibt allerdings ungewiß: Branchenkenner stufen den Preis von rund 14 000 Dollar pro Arbeitsstation als zu hoch ein. "Welche Firma kauft ihren Angestellten heute schon ein so teures Bildtelefon", lautete die schnippische Bemerkung eines Fachjournalisten. Dazu muß man fairerweise hinzufügen, daß sich die Anlagen bei einem gezielten Einsatz für Telekonferenzen sicher sehr schnell amortisieren - man denke nur an all die Zeit und Kosten, die für Geschäftsreisen investiert werden.