Branchenspezifische ERP-Software

"Bei Business-Software geht es nicht um Ästhetik"

15.01.2009
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
Das Softwarehaus Wilken hat Ende 2008 mit Neutrasoft die vierte Übernahme innerhalb weniger Jahre vollzogen. Firmenchef Andreas Lied erläutert, wie es gelingen soll, trotz verschiedener Produktlinien flexible Branchenlösungen kostengünstig anzubieten.

CW: Wilken kauft nun schon die vierte Firma, zuletzt kam der auf den Energiemarkt spezialisierte ERP-Anbieter Neutrasoft hinzu. Was ist die Strategie dahinter?

LIED: Wir können kein einzelnes ERP-System für alle Branchen anbieten. Wir wollen uns auf bestimmte Wirtschaftszweige konzentrieren. Durch die Zukäufe verbessern wir unsere Position beispielsweise in geschlossenen Märkten wie der Energieversorgung und den Sozial- und Gesundheitskassen. Für Letzteren haben wir Entire erworben.

CW: Warum sind gerade die Energieversorger interessant für Sie?

LIED: Die Unternehmen müssen gesetzliche Änderungen umsetzen. Damit steigt der Bedarf an flexibler Software, die sich schnell anpassen lässt. Unsere Kunden sind Stadtwerke, die ständig Zusatzmodule benötigen. Genau hier setzen wir an.

CW: Software für Energieversorger ist jetzt ihr größtes Marktsegment. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sie die anderen Branchen vernachlässigen?

LIED: Wir werden das Engagement anderswo nicht zurückfahren. Es gibt auch keinen Grund, Personal zu verschieben, da wir ja durch die Übernahme auch neue Mitarbeiter gewinnen.

CW: In welche Branche wollen Sie sich als nächstes einkaufen?

Wilken-Chef Andreas Lied will übernommene Softwarelösungen weiter pflegen und mit neu geschriebenen, branchenspezifischen Modulen erweitern.
Wilken-Chef Andreas Lied will übernommene Softwarelösungen weiter pflegen und mit neu geschriebenen, branchenspezifischen Modulen erweitern.

LIED: Wir suchen nicht konkret nach Übernahmekandidaten. Eher greifen wir zu, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Ich möchte hinzufügen, dass wir bestrebt sind, nach einer Übernahme die Firmenkulturen zu harmonisieren. Daher setzen wir auch nicht auf Interims-Manager, sondern auf erfahrene Leute aus den jeweiligen Firmen.

CW: Sie haben sich mittlerweile einen Bauchladen an Software zusammengekauft. Überfordert Sie die Pflege der verschiedenen Produktlinien nicht?

LIED: Kernfunktionen von Lösungen wie die von Entire und Neutrasoft bleiben ja bestehen, weil da der Bedarf an Neuentwicklung nicht so hoch ist. Darüber hinaus nutzen wir bestimmte Bausteine branchenübergreifend. Stadtwerke und Krankenkassen können beispielsweise die gleichen Komponenten für Einkauf und Controlling verwenden. Den Unterschied machen die branchenspezifischen Module. Als wir Entire übernommen haben, umfasste die Lösung lediglich eine Finanzbuchhaltung, eine Anlagenbuchhaltung und eine Kostenrechnung. Wir haben inzwischen ein Haushaltsmodul für die öffentliche Hand sowie ein Data-Warehouse für die "Haushaltsbewirtschaftung" dazu entwickelt.

CW: Andere Hersteller streben an, verschiedene Lösungen zu harmonisieren, warum tun Sie das nicht?