Rechenzentrum Südwest in Stuttgart:

Bei Bedarf Fremd- statt IBM-Software

15.02.1980

STUTTGART - Immer häufiger gehen vor allem IBM-Anwender dazu über, Hersteller-Lizenzprogramme, wo dies wirtschaftlich vernünftig ist, gegen standardisierte Fremdsoftware-Produkte auszutauschen. So auch das Rechenzentrum Südwest in Stuttgart.

Das Rechenzentrum Südwest wurde vor 15 Jahren als Service-Unternehmen für EDV im Verlagswesen gegründet; gegenwärtig sind zwei IBM-Systeme 3033 mit sechs und acht MB installiert. Da das Rechenzentrum sowohl im Online-Betrieb (CICS) als auch im Batchprocessing arbeitet, wurde ein System ausschließlich für Dialoganwendungen, das zweite für den Batchbetrieb ausgelegt.

Die gesamte Hardware-Konfiguration ist außerordentlich komplex und verteilt sich sowohl auf das Rechenzentrum in Stuttgart als auch auf umliegende Lokalredaktionen. Außerdem besteht eine Datenfernverarbeitungs- Verbindung nach Ludwigshafen (Redaktion der "Rheinpfalz"). Hier stehen zwei Systeme 3805, die ihrerseits mit verschiedenen Lokalredaktionen (beispielsweise in Bad Dürkheim, Mannheim und Speyer) kommunizieren. Des weiteren besteht von Ludwigshafen aus eine DFV-Verbindung nach Kaiserslautern und von dort aus wieder Verbindungen zu verschiedenen Lokalredaktionen (so in Landau, Pirmasens und Zweibrücken), in denen jeweils Systeme 3276 installiert sind.

Netzwerk-Steuerung unter CNA

Diese umfangreiche Konfiguration läuft unter der Netzwerk-Steuerung CNA von SEL und ist im Bereich des Dialogsystems für die Produktion (Satzherstellung), für die Anzeigenbearbeitung und für den Vertrieb (der "Stuttgarter Zeitung", der "Stuttgarter Nachrichten", des "Stuttgarter Wochenblatts" und der Rheinpfalz") zuständig. Der Arbeitsbereich "Vertrieb" ist über das Datenbanksystem DL/1 organisiert; hier sind zur Zeit rund 600 000 Leser (Abonnenten) gespeichert.

Auf dem Batchsystem werden für rund hundert Unternehmen (zu 90 Prozent Verlage) Service-Dienstleistungen erbracht. In Rahmen dieser Dienstleistungen kommt das Softwaresystem DAISY (Druckindustrie-Abrechnungs- und Informations-System) zum Einsatz. Dieses Paket ist eine Gemeinschaftsentwicklung des Rechenzentrums Südwest und des Gutenberg-Rechenzentrums in Hannover. Außerdem werden auf dem Batchsystem die notwendigen Programmtests durchgeführt.

Eine Applikation dieses Umfangs bedarf der ständigen Kontrolle und laufender Optimierungsmaßnahmen. "In der Regel begutachten wir zunächst die Softwareangebote, die die IBM für die jeweilige Problemlösung bereithält. Wir behalten aber auch das Angebot auf dem freien Markt im Auge, insbesondere in den Fällen, wo wir von vornherein wissen, daß die IBM nichts Geeignetes zu bieten hat", kommentiert Franz Lanz, Rechenzentrumsleiter, die Situation. Auf diese Weise kam das Rechenzentrum Südwest auch mit dem Softwarehaus Plus-Soft in Düsseldorf in Kontakt.

Nach eingehenden Tests entschieden sich die Stuttgarter zur Installation von Vsamio (mit diesem Programm können VSAM-intensive Programme schneller erstellt werden), Selcopy (zur Bearbeitung von Datei-Funktionen wie Einfügen, Ändern und Löschen) und TLOS (Verbesserung des System-Durchsatzes), sämtlich von Plus-Soft.

Optimierung durch Fremdsoftware

"Alle Programme haben bis jetzt Erwartungen voll erfüllt", versichert Lanz. Heute können Programme, die "VSAM-intensiv" sind, etwa zwanzig Prozent schneller geschrieben werden. Mit Selcopy "werden pro Monat zwei bis drei Stunden je Programmierer eingespart" (Lanz).

Näher eingegangen sei auf TLOS (Fast Transient Load Optimizing System). Das Problem: Pro Stunde müssen bei einem mittleren System etwa 800- bis 10 000 mal Transient Phasen von der Core Image Library in die Supervisor Transient Areas geladen werden (so beispielsweise bei Job-Start, Job-Ende OPEN, CLOSE und bei jeder auf dem Bildschirm ausgegebenen Consol-Message). Benutzt eine Partition die Transient Area, so werden andere Partitions die auch Transient Phasen benötigen, in der Verarbeitung blockiert.

Da diese 8000 bis 10 000 Transient Loads in der Mehrzahl nur für etwa zwanzig bis dreißig unterschiedliche Transients notwendig sind, liegt es nahe, diese 20 bis 30 Transient Phasen dem Supervisor direkt im realen oder virtuellen Hauptspeicher - permanent - zur Verfügung zu stellen. Da eine Transient Phase nur 800 bis 1400 Bytes groß ist, sind dafür in der Regel etwa 24 K virtueller (SVA) oder realer (Page-Pool) Speicherplatz erforderlich. Diese Möglichkeit, durch real oder virtuell residente Transients die Maschinenleistung um zehn bis fünfzehn Prozent zu verbessern, bietet TLOS.

Durch das Programmsystem TLOS versichert Lanz, sei die verfügbare Anwendungszeit auf dem System pro Tag um eine volle Stunde erhöht worden. Die TLOS-Effekte im einzelnen: Verringerung der Durchlaufzeiten von Batch-Jobs, Verbesserung der Antwortzeiten bei TP-Systemen sowie der Leistungen von Bildschirmkonsolen, Verringerung der Kanalbelastung und der Zugriffe auf die SYSRES. Zudem ermittet TLOS mit Hilfe eines speziell entwickelten Software-Monitors, welche Transients wie viel Ladezeit (mit und ohne TLOS) benötigen, um einen exakten (Vorher-/Nachher-) Nachweis erbringen zu können. TLOS kann in weniger als drei Minuten mit einem SYSIN-Tape vom Anwender selbst eingerichtet werden und ist jederzeit an- und abschaltbar; es benötigt keine Partitions- oder Plattenbereiche. Hersteller-Programme müssen weder modifiziert noch umbenannt werden. Das Programm kostet 185 Mark Monatsmiete - in der Grundversion.

Walter Lönneker ist freier EDV-Journalist in Hannover.