Nicht gearbeitet, trotzdem gestempelt

Bei Arbeitszeit betrogen - Rauswurf rechtens

02.07.2010
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar

Das BAG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses insbesondere deshalb unzumutbar war, da der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber (und auch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht) die Unwahrheit gesagt hatte. Er behauptete nämlich, dass er zum Zeitpunkt des Einbuchens in das Zeiterfassungssystem bereits auf dem Betriebsgelände gewesen sei, was nachweislich falsch war.

Verlässt ein Mitarbeiter den Arbeitsplatz, ohne die Stempeluhr zu betätigen, behält er für den Arbeitgeber seinen Lohnanspruch, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wurde; der darin enthaltene schwere Vertrauensbruch, rechtfertigt grds. den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (so auch: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.11.2007 - 4 Sa 996/06).

Nicht vorschnell kündigen

Trotz der genannten Entscheidungen sollte bei der Feststellung von Manipulationen im Zusammenhang mit der Zeiterfassung nicht vorschnell gekündigt werden. In der Regel besteht zunächst lediglich ein Verdacht, dass ein Arbeitszeitbetrug begangen wurde. Im Verdachtsfall hat der Arbeitgeber den Sachverhalt vor Ausspruch einer Kündigung (so umfassend wie möglich) aufzuklären und sollte naheliegende Einwände, wie einen Defekt des Zeiterfassungssystems, ausschließen.

Zu den ermittelten Tatsachen, die den Verdacht bestätigen, ist der Arbeitnehmer anzuhören (Verdachtskündigung). Wird bei einer Verdachtskündigung keine Anhörung durchgeführt, ist die Kündigung schon allein deshalb unwirksam.

Will der Arbeitgeber fristlos kündigen, muss er auch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beachten. Da die Anhörung des Arbeitnehmers als Teil der Sachverhaltsaufklärung die Frist hemmen kann, beginnt sie regelmäßig erst nach Abschluss der Anhörung des Arbeitnehmers (fruchtloser Ablauf der gesetzten Stellungnahmefrist oder nach Vorliegen der abschließenden Stellungnahme des Arbeitnehmers) zu laufen; in jedem Fall jedoch dann, wenn sich der Arbeitgeber umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschafft hat. Es ist also stets darauf zu achten, dass die Ermittlung des Sachverhalts ohne Zögern durchgeführt wird.

Der Autor Torsten Lehmkühler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).

Kontakt:

Torsten Lehmkühler, SLP Anwaltskanzlei Dr. Seier & Lehmkühler GmbH, Obere Wässere 4, 72764 Reutlingen, Tel.: Tel: 07121 38361-0, E-Mail: lehmkuehler@slp-anwaltskanzlei.de, Internet: www.slp-anwaltskanzlei.de und www.mittelstands-anwaelte.de