Interview

"Bei ABB gehört IT zum Kerngeschäft"

07.05.1999
Mit Alfed Spill von der ABB Holding AG, Mannheim, sprach CW-Redakteurin Ulrike Litzba

CW: Sie haben einen auf sieben Jahre angelegten Outsourcing-Vertrag mit der CSC Ploenzke IT-Services GmbH bereits nach zehn Monaten vorzeitig gekündigt. Warum?

SPILL: Die Grundlagen des Vertrags waren einfach nicht mehr gegeben. Das Abkommen wurde im Mai 1998 zwischen der Hartmann & Braun Gruppe und CSC Ploenzke geschlossen. Im Zuge der Übernahme der Elsag Baily Gruppe im Januar 1999 wurde auch Hartmann & Braun Bestandteil von Asea Brown Boveri (ABB). Eine solche Übernahme hat bei ABB immer zur Folge, daß die zugekauften Organisationen restrukturiert werden. Teile werden mit vorhandenen ABB-Einheiten verschmolzen oder aufgespalten. Das geht auch Hartmann & Braun so.

Hinzu kommt, daß ABB weltweit Standards für Geschäftsprozesse und Informationstechnologie festgelegt hat. Die Strukturen bei Hartmann & Braun müssen nun angepaßt werden.

CW: Dabei stört der Outsourcing-Partner?

SPILL: Informationstechnologie ist für ABB so wichtig, daß wir sie grundsätzlich nicht in fremde Hände legen. Zwar läßt es sich nicht immer vermeiden, Aufträge nach außen zu geben. Doch das sind Einzelfälle.

CW: Was macht IT so wichtig für ABB?

SPILL: In einer herkömmlichen Firma ist IT ein Kostenfaktor. Dort tendiert man dazu, die Kosten zu senken und sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Doch bei uns sind die Produkte so eng mit der IT verknüpft, daß sie zum Kerngeschäft gehört.

CW: Zum Beispiel?

SPILL: Schauen Sie sich mal eine moderne Steuerungsanlage für ein Kraftwerk, eine Pumpenanlage oder ein Wasserwerk an. Von dem bißchen Elektronik, das da drinsteckt, können wir heute nicht mehr leben. Die Intelligenz der Steuerungssoftware macht den Mehrwert aus. Daher ist es enorm wichtig, daß wir diese Kenntnisse im Hause behalten.

Auch im Bereich Services hat sich etwas verändert. Es ist nicht damit getan, daß jemand in ein Kraftwerk geht, mal hier, mal dort nachschaut und ein paar Schreiber abliest. Heute versteht man unter Dienstleistung, die Meßdaten aus einem indischen Kraftwerk nach Mannheim in die Servicezentrale übertragen und dort kontrollieren zu können. Wir überwachen mit Videokameras Schaltanlagen mitten in der Türkei, rufen die Bilder über das Netz ab und schauen, ob noch alles in Ordnung ist.

Unter diesen Umständen ist IT kein bloßer Kostenträger, der in Kauf genommen werden muß, sondern integraler Bestandteil unseres Geschäfts. Deswegen können wir das Know-how darüber nicht außer Haus geben.

CW: Hartmann & Braun hatte ein anderes Verständnis von Kommunikations- und Informationstechnik?

SPILL: Ja. Hartmann & Braun produzierte im wesentlichen für den nationalen, ABB aber für den internationalen Markt. So hat etwa Groupware für uns einen hohen Stellenwert. Die verschiedenen Einheiten müssen sich austauschen können, damit die Zusammenarbeit klappt.

CW: Dann bezieht sich die Aussage, Informationstechnik gehöre zum integralen Bestandteil des Geschäfts, auch auf Systeme, die nicht unmittelbar in einem ABB-Produkt stecken?

SPILL: Die Kunden verlangen schlüsselfertige Anlagen. Dazu gehören nicht nur die Maschinen und die Steuerungseinheiten, sondern auch die interne Infrastruktur und etwa ein Abrechnungssystem, wie bei einem Kraftwerk in Osteuropa. ABB-Dienstleistungen gehen soweit, daß der Konzern sogar R/3-Schulungen anbietet.

CW: Inwieweit spielen dabei ABB-IT-Standards eine Rolle?

SPILL: ABB verfügt weltweit über mehr als 70000 PCs. Würden wir keine Standards wie NT als Betriebssystem vorschreiben, bekämen wir schon die Pflege und Wartung dieser Systeme nicht mehr auf die Reihe.

Darüber hinaus gewähren Technikstandards eine gewisse Flexibilität in der Organisation. Die kleinste ABB-Einheit ist das Profit-Center. Bei Neustrukturierungen lassen sich die kleinen Organisationen einfach an andere Konzerneinheiten angliedern. Das wäre um einiges aufwendiger, wären die IT-Systeme verschieden. Organisatorische Änderungen sind im Konzern nahezu an der Tagesordnung, zum Beispiel entstehen neue firmenübergreifende Organisationen, wenn ein großes Projekt begonnen wird.

Solch rasche Änderungen in der Organisation und den Geschäftsprozessen würden jedes Outsourcing-Unternehmen kaputtmachen. Deren Geschäft ist auf Langfristigkeit angelegt.