Befluegelnder Geist von Windows NT

26.03.1993

Den Entwicklern bei Novell muessen die Koepfe rauchen. Im Eiltempo haben sie in nur drei Jahren in ihrer Softwareschmiede ein aus Novell-Sicht voellig neuartiges Netzwerk-Betriebssystem (NOS) aus den Labors gestampft, das dem bisher gehegten und gepflegten Prinzip der Single-Server-Orientierung adieu sagt. Gewiss trug die Routine des Entwicklerstabs, den Novell-Boss Ray Noorda beschaeftigt, einen wesentlichen Teil zum raschen Gelingen von Netware 4.0 bei; es duerfte aber auch der Geist von Bill Gates Windows NT gewesen sein, der den Softwaretueftlern in Provo Fluegel wachsen liess.

Indiz dafuer ist ein internes Papier mit dem Titel "Novell´s Perspective on Windows NT". Auffallend stark wird in dem Dossier betont, dass Windows NT als General Purpose Operating System Konkurrenz fuer Unix, Next und OS/2 sei, nicht aber fuer das Netzwerk-Betriebssystem Netware 4.0. Wenn Windows NT ueberhaupt als Server-Betriebssystem betrachtet werden koenne, sei hoechstens ein Vergleich mit Netware 3.11 moeglich, weil 4.0 einen zweijaehrigen Technologievorsprung habe.

Ein Vergleich zwischen Apfel und Birne also? Sicher nicht! So laessig, wie sich Novell nach aussen in Sachen NT gibt, ist man in Wahrheit nicht. Die Verantwortlichen in Provo wissen genau: der Trend geht in Richtung Verschmelzung zwischen Betriebssystem und NOS. Aus diesem Blickwinkel gesehen, hat Microsoft zweifellos die Nase vorn, auch wenn NT in dieser Hinsicht zunaechst nur Stueckwerk sein wird. Zeit also fuer Novell, sich diesbezueglich Gedanken zu machen und mit Netware 4.0 in den Pfruenden des bisherigen Platzhirsches Vines von Banyan Systems zu wildern. pg