Bedenken gegen BDI-Chef Henkel

07.10.1994

Dieter Eckbauer

Der Mann ist nicht zufaellig beruflich abkoemmlich, und er versucht auch gar nicht, Desinteresse vorzuspielen, um sich damit als jemand interessant zu machen, der das Amt eigentlich gar nicht will. Eine Vorentscheidung ist gefallen: Hans-Olaf Henkel, bis zum Jahresende 1994 noch IBM-Europa-Chef in Paris, soll als Nachfolger von Tyll Necker Praesident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) werden (Seite 6). Saemtliche Reaktionen, die in der Tages- und Wirtschaftspresse wiedergegeben werden, lassen keine Zweifel aufkommen, dass der neue BDI-Spitzenlobbyist Hans-Olaf Henkel heissen wird. Noch ist er es nicht. Bedenken sind geltend zu machen gegen einen Manager, der aus einem amerikanischen Krisenkonzern kommt, fuer dessen Misere er zumindest mitverantwortlich ist.

Henkel vertritt bei Big Blue eine Manager-Generation, der der "Small-is-beautiful"-Gedanke vollkommen fremd war, ein Karrieristen-Kartell, gegen dessen Erstarrtheit in Buerokratie und Jahrgangsduenkel der neue IBM-Chef Louis Gerstner, ein Aussenseiter, bisher vergeblich ankaempfte. Henkel hat sich unaufgefordert zu allen moeglichen "deutschen" Fragen geaeussert, oeffentlich jedoch nie zu den eigentlichen Problemen seines Unternehmens, als es darum ging, die Mitarbeiter vor Schaden zu bewahren. Er hat mangelnden Weitblick erkennen lassen, als das IBM-Dilemma bereits absehbar war.

Bezeichnend auch, wie er heute sein Ausscheiden bei der IBM erklaert: Als Manager eines auslaendischen Unternehmens waere er fuer den BDI-Praesidentenposten nicht in Frage gekommen. Ein leitender IBMer bricht auf zu neuen Ufern. Dass er sich absetzt, davon kann keine Rede sein: Gleichzeitig rueckt Henkel an die Spitze des Aufsichtsrates der IBM Deutschland GmbH. Der Interessenkonflikt ist da - ein Beobachter wie Alex Bojanowski, Geschaeftsfuehrer des Bundesverbandes Informationstechnologien (BVIT), vertraut darauf, dass "Henkel zu unterscheiden weiss".

Es ist nicht moralinsaures Gehabe, worin sich die Bedenken gegen Henkel aeussern. Es geht um die "politische" Eignung fuer ein bestimmtes Amt, und es besteht kein Grund, beim Persoenlichkeits- Benchmarking grosszuegig zu sein. Warum beeilt sich der BDI also, in Henkel den international erfahrenen Manager zu sehen, nicht jedoch wahrzunehmen, was Henkel gepraegt hat in mehr als 30 Jahren bei Big Blue, einem Riesenapparat, der die Innovation verlernte? Das zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre - man kann dazu auch Louis Gerstner als Zeugen bemuehen.

Es ist zu einfach, in bezug auf IBM Management gleich Management zu setzen. Gerstner wetterte erst kuerzlich gegen Traegheit und Frust: "Mit den endlosen Meetings, nach denen dann wie gehabt weitergearbeitet wurde, ist es vorbei." Man kann Henkel fuer IT- kompetent, entschlossen und "typisch deutsch" halten, wie es der BDI tut, eines kann man nicht: unterstellen, Henkel habe sich bei IBM aus allem herausgehalten - dann haette er es nicht zum Europa- Chef gebracht. Bleibt zu fragen, was die deutsche Industrie braucht.