Bearingpoint gerät ins Trudeln

29.11.2004
Das Beratungsunternehmen räumt ein, fast 93 Millionen Dollar falsch verbucht zu haben, und verliert nach dem CEO auch seinen Finanzchef.

Die Verantwortlichen von Bearingpoint müssen ihre Bilanz für das Ende September abgelaufene dritte Quartal 2004 revidieren. In dem Finanzbericht wurden 92,9 Millionen Dollar zu viel als bereits verbuchter Umsatz geführt. Der Posten hätte als noch nicht eingegangene Einnahmen (Unbilled Revenue) verbucht werden müssen. Um diesen Fehler zu korrigieren, seien bereits die notwendigen Unterlagen bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) eingereicht worden, heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens. Der Fauxpas habe keine Auswirkungen auf den Gesamtumsatz und den operativen Cashflow. Wie es zu der Panne kommen konnte, verschweigen die Verantwortlichen des IT-Beraters.

Zeitgleich mit dem Bilanzierungsfehler wurde der Rücktritt des Finanzchefs Robert Falcone bekannt gegeben. Zwar wollte Interimschef Roderick McGeary keinen Zusammenhang mit den Bilanzproblemen ziehen. Die Terminierung sowie die fehlende Begründung für den Abschied lassen jedoch einen Rausschmiss des 57-jährigen Managers wegen des Bilanzpatzers am wahrscheinlichsten erscheinen. "Wir wissen die Dienste Falcones als Chief Financial Officer während einer schwierigen Übergangszeit für das Unternehmen zu schätzen", würdigte McGeary betont distanziert die Leistung des scheidenden Finanzverantwortlichen, der seinen Dienst bei Bearingpoint erst im April 2003 angetreten hatte.

Bis ein neuer CFO gefunden sei, würden zwei Manager aus der Senior-Executive-Riege die Finanzabteilung unterstützen, kündigte McGeary an. Jeffrey Anderson werde sich um die Verwaltung kümmern, Thomas Wilde das operative Finanzgeschäft verantworten. Damit muss Bearingpoint auch im Finanzsektor vorerst mit einer Interimslösung auskommen. Nur wenige Tage vor dem Bilanzierungsproblem hatte CEO und Chairman Randolph Blazer ohne Angabe von Gründen seine Ämter niedergelegt. Der Verwaltungsrat ernannte daraufhin McGeary, der bereits von 1999 bis 2000 als Co-CEO neben Blazer die Geschicke des IT-Beraters geleitet hatte, zum Interimschef.

Ob es dem neuen Firmenlenker gelingt, das Beratungsunternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu steuern, ist fraglich. Zurzeit ermitteln auch die amerikanischen Justizbehörden gegen Bearingpoint, weil möglicherweise bei einigen Auftragsakquisitionen nicht alles mit rechten Dingen zuging. Die Behörden werfen dem Unternehmen vor, in Florida einen Auftrag mit einem Volumen von 116 Millionen Dollar ohne reguläres Ausschreibungsverfahren gewonnen zu haben. Außerdem habe Bearingpoint einen ehemaligen Staatsbediensteten eingestellt, der zuvor einen Auftrag über 126 Millionen Dollar an den Serviceanbieter vergeben hatte. Die Verantwortlichen von Bearingpoint beteuern jedoch ihre Unschuld. In beiden Fällen habe man sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten.

Sollte Bearingpoint seinen bislang guten Ruf im Bereich der öffentlichen Hand verlieren, könnte sich dies negativ auf den weiteren Geschäftsverlauf auswirken. Derzeit macht der Public Sector rund 40 Prozent des Umsatzes aus. 55 Prozent des Profits stammen aus Geschäften mit Behörden und Ämtern.

Die Hiobsbotschaften kommen für Bearingpoint zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Nach einem schwierigen Jahr 2003 war es den Verantwortlichen in den zurückliegenden Quartalen gelungen, die Geschäfte wieder zu stabilisieren. Zuletzt wies das Beratungsunternehmen im dritten Quartal 2004 einen Gewinn von 11,9 Millionen Dollar aus, nach einem Verlust von 39,2 Millionen Dollar im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um rund 13 Prozent auf fast 841 Millionen Dollar. Allerdings mussten die Verantwortlichen einräumen, dass die Geschäfte durch günstigere Offshore-Serviceanbieter zunehmend unter Druck gerieten. Als Folge liegt die operative Marge mit derzeit 4,5 Prozent deutlich unter dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre von 7,4 Prozent. (ba)