Bearingpoint bleibt nur IT-Berater

22.10.2004
Bearingpoints deutsche Consulting-Geschäfte laufen gut. Analysten beurteilen die zögerliche Outsourcing-Strategie des Servicehauses allerdings skeptisch.

Von CW-Redakteur Joachim Hackmann

Mit dem Outsourcing-Geschäft hat Bearingpoint Probleme. Lange zögerte das aus der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ausgegründete IT-Beratungshaus mit dem Einstieg in diesen Markt. Als man sich dazu entschloss, fiel das Engagement wesentlich zurückhaltender aus als bei der Konkurrenz. "Mit Managed Services erzielen wir derzeit etwa fünf Prozent unserer weltweiten Einnahmen", sagte Steffen Seeger, als Executive Vice President bei Bearingpoint verantwortlich für das europaweite Geschäft. "Ziel ist es, die Quote mit intelligenten Lösungen weiter zu steigern."

Der Wert der Betreiberverträge

Ein klares Bekenntnis zum Outsourcing-Geschäft sieht anders aus. Die Konkurrenz macht es vor (siehe Kasten: "Konkurrenz setzt auf Outsourcing"). Seit dem starken und schnellen Einbruch des Beratungs- und Systemintegrationsgeschäfts im Jahr 2001 wissen die Unternehmen die sicheren Einnahmen aus Betreiberverträgen zu schätzen. Die Bearingpoint-Verantwortlichen betrachten IT-Outsourcing dagegen vornehmlich als Markt für Beratungsleistungen, etwa bei der Verhandlung von Verträgen und Gestaltung von Service-Level-Agreements.

Das heutige Managed-Services-Angebot beschränkt sich auf das Applikations-Management von SAP- und vertikalen Anwendungen sowie auf Geschäftsprozesse. Bevorzugt betreibt das IT-Servicehaus Abläufe und Applikationen, die es selbst gestaltet und entwickelt hat. In Deutschland zeigt die Strategie kaum Erfolge: "Bearingpoint erweitert zwar sein Dienstleistungsangebot seit etwa einem Jahr auf das Application-Management oder -Outsourcing, ist bis dato mit diesen Services im deutschen Markt aber kaum sichtbar", beschreibt Nadia Adnane, Marktanalystin bei Pierre Audoin Consultants (PAC), München.

Ein Blick auf die Konkurrenz offenbart grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen. Für Bearingpoint ist es ein Mitnahmegeschäft. Haben die Consultants die Prozesse beziehungsweise Applikationen überarbeitet und eingeführt, kommen je nach Bedarf des Kunden die Betriebsfachleute zum Einsatz. Die Berater ziehen weiter.

Outsourcing beinhaltet Integration

Anbieter wie Accenture und Capgemini akquirieren aktiv und aggressiv Auslagerungsaufträge. Sind die Verträge unterschrieben, kommen die Consultants zum Zuge, um die Abläufe zu verbessern. Der Branchendienst "Kennedy Information Services" schätzt, dass das Volumen großer Outsourcing-Deals zu 50 Prozent aus Systemintegration besteht: Viel Arbeit für schwach ausgelastete Consultants.

Den verhaltenen Outsourcing-Aktivitäten zum Trotz laufen Bearingpoints Geschäfte offenbar gut. "Der Auftragseingang ist so stark wie nie zuvor", schildert Seeger. "In Europa sind wir im letzten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 18 Prozent gewachsen." Auch in Deutschland hat Bearingpoint zuletzt zugelegt, konkrete Zahlen nannte Seeger nicht. Nur so viel ist bekannt: Der Zuwachs soll deutlich über Marktdurchschnitt liegen, doch Wachstum sehen die Analysten derzeit nur, wenn sie das enge Marktsegment IT-Consulting betrachten. Hier beziffert PAC-Analystin Adnane die Zunahme auf drei Prozent für das Jahr 2004: "Bearingpoint hat im Jahr 2004 - wie die Wettbewerber Accenture und Capgemini - von diesem Aufschwung profitiert."

Deutlich schwächer läuft das allgemeine Projektgeschäft, dem PAC in seinen Analysen neben dem IT-Consulting auch Trainings- und Systemintegrationsservices zurechnet. Dieser Markt schrumpft in diesem Jahr nochmals um etwa 3,5 Prozent, nachdem die Branche in den vergangenen Jahren bereits dramatische Einbußen von neun und zwölf Prozent hinnehmen musste. In diesem nach wie vor unwirtlichen Umfeld erzielt Bearingpoint laut PAC rund 70 Prozent seiner Einnahmen in Deutschland und hat zumindest im letzten Jahr Marktanteile verloren. Angesichts der Ereignisse der vergangenen zwei Jahre, in denen Bearingpoint vornehmlich mit wirtschaftlichen Problemen, Entlassungen und Übernahmegerüchten von sich reden machte, überrascht Seeger mit folgender Einschätzung: "Wir haben uns im Vergleich zum Wettbewerb sehr gut geschlagen", so Bearingpoints Europa-Chef. "Wir konnten unseren Marktanteil bei den großen Accounts verbessern und haben mit einer Ausnahme jedes Quartal Umsatzwachstum vorweisen können."

Mit Akquisitionen gewachsen

Zum Teil wurden die Einnahmenzuwächse der vergangenen Jahre mit Akquisitionen erzielt. Auf dem Höhepunkt der Diskussion um die Trennung von Prüfung und Beratung kam es in Europa zu erheblichen Marktverschiebungen: Die ehemaligen KPMG-Consulting-Teams in Deutschland Österreich und der Schweiz schlossen sich 2002 mit der US-amerikanischen KPMG Consulting Inc. zusammen, aus der später Bearingpoint hervorging. Zudem konnte Bearingpoint die Andersen-Consulting-Büros in Frankreich, Spanien und der Schweiz übernehmen.

Heterogenes Portfolio

Die Integration der vielen Niederlassungen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit bewältigt werden musste, hat das Unternehmen Kraft gekostet. Währenddessen konnte sich die Konkurrenz darauf konzentrieren, ihre Outsourcing-Strategien umzusetzen und erhebliche Offshore-Kapazitäten aufzubauen, um das Projektgeschäft günstiger betreiben zu können. Viele wichtige Andersen-Berater mit guten Kundenbeziehungen haben Pascal Matzke, Director Consulting bei der Meta Group, zufolge Bearingpoint verlassen. Andere Partner pflegen noch die althergebrachte Unternehmenskultur der Big-Five-Consulting-Häuser, in der die selbstbewussten Teilhaber ihre Kundenbeziehungen als persönliches Kapital behandeln und weder Kontakte noch Know-how teilen. "Dies und das heterogene Serviceportfolio sind Probleme, die Bearingpoint bereits seit der Unternehmensgründung beziehungsweise Umbenennung mit sich trägt, und die bis heute nicht gelöst wurden", beschreibt Matzke.

Kunden reduzieren Partnerzahl

Unabhängig von der sich abzeichnenden Markterholung bleibt der Wettbewerb um Großkunden hart. Eine echte Gefahr droht Bearingpoint durch die neuen Sourcing-Strategien der Anwender, die die Zahl ihrer IT-Dienstleister auf wenige strategische Partner reduzieren wollen. Dabei wählen sie immer häufiger Anbieter, die ihnen Teile ihrer IT überarbeiten und betreiben können, so dass den reinen IT-Consulting-Häusern immer weniger Spielraum bleibt. "Wenn wir mit unseren Kunden über Großprojekte im Outsourcing- oder Professional-Services-Bereich sprechen, dann ist Bearingpoint oft nicht mehr in der engeren Auswahl", warnt Matzke.

Hier lesen Sie ...

- wie Bearingpoint wirtschaftlich dasteht;

- in welchen Bereichen das Haus operativ gut aufgestellt ist;

- wo es Schwächen hat;

- warum Bearingpoint das Outsourcing-Geschäft eher verhalten angeht;

- warum Analysten diese Strategie kritisieren.

Konkurrenz setzt auf Outsouring

Während Bearingpoint das Outsourcing-Thema zögerlich angeht, bieten die Konkurrenten verstärkt Beratung und Betrieb unter einem Dach an:

- Mit der Übernahme von Pricewaterhouse-Coopers Consulting (PWCC) hat IBM Global Services die Beratungssparte gestärkt. Der Outsourcing-Anteil an den deutschen Einnahmen beläuft sich laut PAC auf 23 Prozent.

- T-Systems bezieht inklusive der Einnahmen mit dem Mutterkonzern Berechnungen von Ovum zufolge rund gut 30 Prozent des Umsatzes aus IT-Outsourcing-Verträgen. Beratung steuern Detecon und Diebold bei.

- CSC ist im internationalen Outsourcing-Geschäft eine Macht und in Deutschland aufgrund der Ploenzke-Wurzeln stark im Consulting-Geschäft verankert. Um die 40 Prozent des deutschen Umsatzes erzielt CSC mit Betriebsservices.

- Das Beratungshaus Accenture hat sich in den letzten Jahren konsequent um Outsourcing-Aufträge bemüht. Sie steuern heute um die 20 Prozent zu den hiesigen Einnahmen bei.

- Auch Capgemini kommt aus der Consulting-Branche und baut auf Outsourcing. Der Anteil an den in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Osteuropa erzielten Einnahmen beläuft sich auf knapp 30 Prozent.

Abb: Die größten deutschen IT-Beratungshäuser

Im deutschen Markt für IT-Consulting-Services ist IBM nach der Übernahme von Pricewaterhouse-Coopers eine Macht. Der Rangliste liegen die Einnahmen aus dem Beratungs- und Projektgeschäft zugrunde. Quelle: PAC