Bearbeitungsfreundliche und anforderungsgerechte Oberflaeche kommt Nach Batch und Dialog: Die Aera des Event-driven kuendigt sich an Von Willem Rijk*

18.06.1993

*Willem Rijk ist Geschaeftsfuehrer der Amber-Software GmbH, Duesseldorf.

Mit einer grafischen Benutzeroberflaeche zu arbeiten, ist angenehm, aber sie ist nur ein Teil der noch vorzunehmenden Verbesserungen des computergestuetzten Arbeitsplatzes. Vielfach schaetzen die Anwender die visuelle Aufbereitung als Kosmetik ein und vermissen eine Benutzeroberflaeche mit ergonomischer Auspraegung.

Nicht die End-User praegen die Benutzeroberflaechen. Es sind die Entwickler und diverse Berater, die auf die Softwaregestaltung und insbesondere auf das optische Erscheinungsbild Einfluss nehmen. Hier wird vielfach der Anwender als unmuendig behandelt. Er weiss zwar, welche Funktionen er benoetigt, um seine Aufgaben computergestuetzt abzuwickeln, doch wie nun die Realisierung auszusehen hat, ist Sache der Entwickler.

Die neuen Praesentationsmoeglichkeiten auf den sogenannten Visual screens mit Fenstertechnik, Pull-down, Icons etc. bieten jedoch optimale Voraussetzungen, um sich bei der Entwicklung an den tatsaechlichen Geschaeftsvorgaengen zu orientieren. Ein wesentlicher Vorteil wird durch den Einsatz von GUIs (Graphical User Interfaces) erkennbar: Die Einarbeitungszeiten fuer neue Applikationen nehmen erheblich ab, da sich stets die gleiche Oberflaeche anbietet. Dieser wirtschaftliche Aspekt macht sich besonders bei Grossunternehmen bemerkbar.

Der zu begruessende GUI-Ansatz hat derzeit seinen Schwerpunkt leider noch zu sehr im Bereich der grafischen Komponenten. Denn nicht die grafische Aufbereitung alleine, die zugegeben bestens geeignet ist, um komplexe Zusammenhaenge zu visualisieren und damit leichter erfassbar zu machen, sondern erst die praxisgerechte Abbildung der betrieblichen Arbeitsablaeufe ermoeglicht eine effiziente Datenverarbeitung am Arbeitsplatz.

Man will und kann auf GUIs nicht mehr verzichten. Aber die grundsaetzlichen Probleme des DV-Einsatzes am Arbeitsplatz des End- Users bleiben bestehen. Sicher, die horizontalen Anwendungspakete wie Textverarbeitung, Bildschirmtabellen und Desktop publishing werden immer schoener, besser, einheitlicher und vor allem groesser. Die Anwendungen wurden auch schneller und transparenter, obwohl ab und an profilierte PC-Benutzer, die der Fenstertechnik muede sind, durchblicken lassen, dass das Arbeiten mit dem simplen DOS-Platten- Betriebssystem wesentlich schneller vonstatten geht. Auch zuviel Grafik kann verwirren. Dennoch wird hier kein Rueckschritt zu erwarten sein. Die Fenstertechnik ist nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken.

Nur wird unterschwellig deutlich, dass es an der eigentlichen Effizienzsteigerung noch fehlt.

Im Falle der vertikalen Software reicht GUI dazu nicht aus, denn es geht zuwenig auf die individuellen Beduerfnisse und Arbeitsablaeufe des Benutzers ein, so dass anders als bei der horizontalen Software hier haeufig kritische Stimmen zu vernehmen sind.

Erforderlich ist die Beruecksichtigung des gesamten Dialogs, der kontextorientiert den Arbeitsablauf, die einzelnen Arbeitsschritte sowie Background-Hilfestellungen Echtzeitdaten im Sinne eines automatischen Daten-Requests mit einbezieht. Die Unsitte, alle moeglichen Daten dem Benutzer auf dem Bildschirm zu praesentieren, belastet unnoetig System und Mensch, denn der Bildschirm sollte nur einen einfachen auf einmal Arbeitsschritt darstellen. Mit sogenannten Dropdowns stehen nur die jeweils erforderlichen Hauptdaten zur Verfuegung - der Benutzer wird gefuehrt.

Benoetigt er weitere Daten, beispielsweise fuer Vergleiche, so kann er sie sich aktuell auf den Bildschirm holen.

Mit diesen Moeglichkeiten kann erst ein Arbeitsablaufdialog, die effiziente Bearbeitung am computergestuetzten Arbeitsplatz, erfolgen.

Windows und GUI sind sicherlich markante Meilensteine, die auf dem Weg liegen, doch sollten diese Techniken auf der Dialogebene verbleiben, so waere dem Benutzer damit nicht gedient. Der Schritt zur ereignisorientierten Benutzeroberflaeche wird erforderlich, wie folgende Szenarien zeigen:

- Ein Boersenmakler taetigt seine Geschaefte ueber den PC. Staendig sind alle fuer eine eventuelle Kaufentscheidung wichtigen Daten sichtbar. Die ueber OLE eingebundenen Informationen werden kontinuierlich dynamisch in der Anwendung des Maklers aktualisiert. Bei Eingang eines Angebotes, zum Beispiel zur Abwicklung eines Warentermingeschaeftes, werden automatisch alle relevanten Daten, wie der aktuelle Waehrungs- und Boersenkurs oder der wahrscheinlich guenstigste Zeitpunkt zum Kauf oder Verkauf angeboten, so dass eine schnelle Entscheidung per Knopfdruck gefaellt werden kann. Andere Anwendungen sind die Ueberwachung von Kreditlimits oder der Liquiditaet. Dieser Ansatz des Event driven kann unterschiedlicher Auspraegung sein, beispielsweise abteilungs- oder unternehmensintern, aber auch extern, denn ohne weiteres lassen sich auch aktuelle externe Daten in unternehmens- spezifische Spreadsheets einspielen. Die Verfahren zur Implementierung wie OLE-, ODBC- und DDE-Technologie stehen heute bereits zur Verfuegung.

Selbstverstaendlich ist in diesem Zusammenhang die Bereitstellung einer relationalen Datenbank, einer Client-Server-Architektur und einer Run-time-engine.

Dass diese Ueberlegungen nicht total neu sind, machen beispielsweise Entwicklungen mit Amber 4GL deutlich. Ausgehend von dem objektorientierten, zeichenbasierenden Ansatz ueber Tastaturfilter mit einer Reihe von Einschraenkungen, steht mit dem Entwicklungssystem fuer Windows CSii eine Gaphic-dialog-engine zur Verfuegung. Sie ist nur ein kleiner Bestandteil vom Quellcode des Windows-Produktes und steuert Ereignisse, Prozeduren und Gestaltung.

Stabilisierung durch

Standardisierung

Windows hat bereits, wie zuvor Apple mit Macintosh, deutlich gezeigt, dass absolut standardisierte Arbeitsumgebungen zu einer Stabilisierung der Anwendungssysteme und einer beachtlichen Kostenreduzierung fuehren. Leider handelte es sich bei Apple noch um eine geschlossene Welt. Hingegen findet Windows wegen seiner Offenheit mehr Akzeptanz, so dass durch die hoehere Verbreitung einerseits guenstigere Preise erzielt werden und sich andererseits die Ausbildungskosten in Grenzen halten. Die heute noch zum Teil ungeklaerten Fragestellungen hinsichtlich der Hardware- und Operating-Systeme werden bedeutungslos sein.

Der Event-driven-Ansatz steht erst am Anfang und koennte zu einer Demokratisierung der DV fuehren. Die gegenwaertige Situation ist in etwa vergleichbar mit den Diskussionen und der Entwicklung zu Zeiten der Batch- oder Dialogeinfuehrung. Kaum einer der Experten konnte sich in den 50er Jahren, in denen die Batch-Verarbeitung vorherrschte, ausmalen, wohin die Entwicklung fuehren, und dass als ein voellig neuer Ansatz Anfang der 70er Jahre die Dialogverarbeitung das Nonplusultra darstellen wuerde. Die zukuenftigen Benutzeroberflaechen werden durch die neue Denkweise und die technischen Moeglichkeiten gepraegt sein.

Neue Systeme fuer die 90er Jahre sind bereits im Anmarsch. So befinden sich beispielsweise Systeme wie Pink und Cairo heute bereits in den objektorientierten Entwicklungsschmieden. Windows und andere GUIs sind die Vorlaeufer neuartiger Oberflaechen-Tools, die ihrerseits ein harmonisches Zusammenspiel aller Hardware-, Software- und Orgwarekomponenten voraussetzen. Fuer die Anwender zeichnet sich die Verfuegbarkeit einer bearbeitungs-freundlichen und insbesondere bearbeitungsgerechten Benutzeroberflaeche ab.