17 000 Arbeitsplätze werden modernisiert

Bayerns Polizei integriert ihre IT

30.08.2002
Zwei Millionen Vorgänge werden in Bayerns Polizeidienststellen jedes Jahr neu erzeugt - im Schnitt über 5000 zusätzliche Akten am Tag. Dem begegnen die Behörden mit dem Integrationsverfahren Polizei (IGV/P), das die elektronische und Internet-gestützte Bearbeitung der Polizeiaufgaben ermöglicht. Von Peter Averkamp*

Das Bayerische Innenministerium hatte schon Ende 1998 das Landeskriminalamt beauftragt, eine IT-Plattform zur Integration der polizeilichen Geschäftsprozesse zu entwickeln. Die terminalbasierenden Anwendungen sollten durch moderne Arbeitsplätze mit grafischer Benutzer-Schnittstelle abgelöst werden. Gleichzeitig war ein umfassendes Datenmodell zu schaffen, das die Integration mit anderen Verfahren verbessert. Stefan Förtsch, Leiter der Entwicklung im Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) und Projektleiter für IGV/P, führt aus: "Es sollte eine Plattform entstehen, die als Grundlage zur Lösung neuer Aufgaben dient und die Basis für die künftige Migration von Hardwareplattformen und Anwendungen darstellt."

Bei dem Projekt kooperieren die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen.Durch ein Verwaltungsabkommen erhielt die Kooperation 1999 den formalen Rahmen für die gemeinsame Nutzung des neuen Verfahrens.

Den Dreh- und Angelpunkt polizeilicher Abläufe bilden Datenbanken, in denen alle Fakten, Tatbestände und Beweismittel zusammenkommen. Wegen der breiten Verfügbarkeit auf Unix- und Mainframe-Plattformen und der integrierten Synchronisationsmechanismen entschied sich das BLKA 1999 für einen Systemwechsel von Informix zu Oracle.

Das neue Verfahren stellt sicher, dass ein Vorgang mit eindeutigem Aktenzeichen von der Entstehung bis zur Aussonderung verfolgt werden kann. Eine erhebliche Entlastung bietet die Einmalerfassung, etwa bei Ermittlungsersuchen an andere Dienststellen. Reisende können durch die einheitliche Datenhaltung von jeder Dienststelle aus auf aktuelle Vorgänge zugreifen.

Windows-PCs statt Thin Clients

Um grafische Benutzeroberflächen und Web-Technologie an die 17000 Arbeitsplätze in den Dienststellen zu bringen, musste die gesamte Infrastruktur inklusive LAN erneuert werden. Das BLKA entschied sich für Windows-PCs und gegen Thin Clients, um einen Teil der Funktionen durch PC-Standardsoftware abdecken zu können.

In den Dienststellen übernehmen insgesamt 550 Unix-Server von Fujitsu-Siemens den lokalen Betrieb. Somit können sich die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche komplett autark versorgen. Selbst im Katastrophenfall bleiben die regionalen Systeme funktionsfähig. Um die Datenqualität zu gewährleisten, greifen die Server auf etwa 120 zentrale Kataloge zurück. Darin befinden sich einheitliche Deliktsbezeichnungen, Fahrzeugdaten oder auch ein vollständiges Straßenverzeichnis inklusive Geo-Codierung.

In sicherheitskritischen Bereichen darf ein ausgefeiltes Servicekonzept nicht fehlen. Deshalb übernahmen die Systemverantwortlichen in den Direktionen und Präsidien während der Rollout-Phase die Installation der Server und Arbeitsplätze selbst.

Bei den Kernkompetenzen setzt das BLKA auf internes Know-how, die Dienstleistungsorganisation basiert fast vollständig auf eigenen Mitarbeitern. Hat eine Kernmannschaft in einer Schulung das benötigte Wissen erworben, wird es intern weitergegeben.

Während der Testphase wäre das Projekt beinahe noch gescheitert: Die automatische Synchronisation der Unix-Server vor Ort mit der Münchner Zentrale stieß wegen unterschiedlicher Oracle-Releases auf Schwierigkeiten. "Mit den Standardmechanismen konnten wir unsere Anforderungen nicht flexibel genug abdecken, daher haben wir auf das Oracle Advanced Queuing gesetzt und einen eigenen Replikationsmechnismus erzeugt", erläutert Förtsch die Lösung.

Effizientere Abläufe

Seit dem 26. Juni 2002 ist das bislang größte IT-Projekt der Bayerischen Polizei im Einsatz. Bei den Anwendern stößt das System auf überwiegend positive Resonanz. Die grafischen Benutzer-Schnittstellen und die konsequente Einmalerfassung gestalten die Abläufe effizienter und leistungsfähiger. Auch ermöglicht das erweiterte Datenmodell laut Förtsch eine wesentlich genauere Lageauswertung, beispielsweise bei der Analyse von Deliktsphänomenen wie den Profilen wandernder Tätergruppen." (js)

*Peter Averkamp ist Journalist in München.