Vernetzte Infrastruktur ersetzt Mehrplatztechnik

Bayerische Justiz modernisiert IT-Landschaft

07.03.2003
MÜNCHEN (rg) - Innerhalb der nächsten drei Jahre will das bayerische Staatsministerium der Justiz im Rahmen des Projekts "Bajtech 2000" die bisher genutzten DV-Anlagen durch eine vernetzte IT-Infrastruktur mit 12 300 Windows-basierenden PC-Arbeitsplätzen ersetzen. Die Behörde nutzt dabei soweit möglich die Dienste des Outsourcing-Partners Unisys.

In den bayerischen Gerichten und Staatsanwaltschaften kommt derzeit zum überwiegenden Teil noch terminalbasierende Unix-Mehrplatztechnik zum Einsatz - mit Ausnahme des maschinell geführten Grundbuchs "Solumstar" und des ebenfalls elektronischen Handelsregisters "Regisstar", wo die Justizbehörden bereits vernetzte PC-Desktops nutzen. Dies erschwert beispielsweise den Austausch von Dokumenten, da sich mit dem bislang eingesetzten Textverarbeitungsprogramm "Hit" erstellte Unterlagen mit gängigen Programmen wie MS-Word kaum weiterbearbeiten lassen.

Für 200 Standorte

Durch die Einführung der vernetzten PC-Infrastruktur soll sich aber nicht nur die Kommunikation mit internen und externen Stellen verbessern. Laut Ministerialrat Heinz Peter Mair, als Leiter des IT-Referats im bayerischen Staatsministerium der Justiz für deren gesamten IT-Einsatz zuständig, können auf diese Weise auch die PC-erfahrenen Richter und Staatsanwälte besser eingebunden werden, die sich mit der älteren Technik nur schwer anfreundeten.

"Bei einer Umstellung dieser Größenordnung war uns klar, dass wir das nicht allein schaffen werden", so Mair. Immerhin müssen im Rahmen von Bajtech 2000 nicht nur rund 200 Standorte mit neuen PCs, Laptops und Druckern ausgestattet, sondern muss auch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. "Darum haben wir uns dort, wo es möglich ist und wir es uns leisten können, für einen Outsourcing-Ansatz entschieden."

Hierfür wurde im Oktober 2001 ein europaweites nicht offenes Ausschreibungsverfahren gestartet, das jedoch im Frühjahr 2002 in ein Verhandlungsverfahren überführt werden musste; es war kein Angebot eingegangen, das den formalen und wirtschaftlichen Voraussetzungen genügt hätte. Im Oktober 2002 erhielt schließlich die Unisys Deutschland GmbH den Zuschlag.

Der Auftrag umfasst die Installation, Konfiguration, Inbetriebnahme und die Sicherstellung des Betriebs von bis zu 12300 PCs und Laptops einschließlich mehrerer tausend Drucker und der Infrastrukturserver sowie den Aufbau und Betrieb der Netzinfrastruktur in den Justizbehörden.

Komplett-Outsourcing zu teuer

Der Vertrag hat eine Laufzeit von drei Jahren, die zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden kann, wenn beide Seiten dies wollen. Inklusive optionaler Leistungen wie zusätzlicher Hard- und Software sowie dem zusätzlichen Betrieb von Applikations- und Datenbank-Servern hat das Gesamtpaket einen Umfang von rund 90 Millionen Euro. Das vereinbarte Mindestleistungsvolumen beträgt bei einer dreijährigen Laufzeit zirka 47 Millionen Euro.

Aufgrund der gespannten Haushaltssituation habe das Justizministerium entschieden, den Betrieb der Applikations-Server und der zentralen Datenbank-Server im Rechenzentrum mit eigenen Ressourcen anzugehen, erläutert Mair weiter: "Wir hätten auch diesen Bereich gern vergeben, aber dafür bietet der laufende Doppelhaushalt keine Möglichkeiten." In diesem ist die Mittelverteilung für den Zeitraum von zwei Jahren festgeschrieben.

Die Gesamtkosten für das Projekt, das 2006 abgeschlossen werden soll, liegen ohnehin deutlich höher als die für das Outsourcing veranschlagte Summe. Bis 2006 rechnet der IT-Verantwortliche mit Kosten von insgesamt 150 Millionen Euro. Zu der Einrichtung der vernetzten Infrastruktur kommen zwei weitere große Vorhaben. Neben der Entwicklung neuer Fachverfahren war die Schaffung eines zentralen User Helpdesks ein wichtiger Baustein des Gesamtkonzepts. Der Aufbau der IT-Beratungsstelle für die bayerische Justiz (IBS) in Amberg ist mittlerweile fast abgeschlossen. Eine mit internen Kräften besetzte Abteilung kümmert sich um die Betreung von Justizmitarbeitern, die Probleme mit den Fachanwendungen haben. Mit dem Aufbau und Betrieb des User Helpdesks für technische Probleme wurde T-Systems betraut.

Auch bei der Entwicklung der neuen Fachverfahren bedient sich das Justizministerium mit dem Partner Siemens Business Services (SBS) externer Unterstützung. Hier gilt es, für die Fachbereiche Zivil-, Straf-, Familien-, Vormundschafts- und Nachlasssachen sowie den Vollstreckungsbereich mit seinerseits drei Unterabteilungen neue Anwendungssoftware zu entwickeln. "Dabei soll statt acht monolithischer Programme eine gemeinsame Basis mit fachspezifischen Aufsätzen für die einzelnen Bereiche entstehen", beschreibt Mair die Vorgehensweise. Daneben laufe bei den Staatsanwaltschaften zusammen mit sieben weiteren Bundesländern das Umstellungsprojekt "Sijus-Web", in dessen Rahmen die bestehenden Verfahren und Funktionen in Java neu programmiert würden.

Auf Betriebssystem-Ebene hat sich das Justizministerium für verschiedene Lösungen entschieden. Die PC-Arbeitsplätze verwenden Windows XP; auch die Infrastruktur-Server laufen unter Windows. Die Datenbank-Server werden mit einem Unix-basierenden Betriebssystem ausgestattet. Für die Applikations-Server steht die Entscheidung zwischen Unix und Linux noch aus. "In diesem Bereich prüfen wir Linux sehr aufgeschlossen", so Mair.

"Bajtech 2000"

Ziel: Modernisierung der IT-Infrastruktur des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz (Bajtech 2000).

Umfang: Schaffung von 12300 PC-Arbeitsplätzen in den Justizbehörden, Infrastruktur-, Applikations- und Datenbank-Server, Entwicklung neuer Fachverfahren, Aufbau eines User Helpdesks.

Zeitrahmen: 2000 - 2006.

Stand heute: Ausschreibung für Outsourcing abgeschlossen, User Helpdesk ist aufgebaut.

Aufwand: 150 Millionen Euro.