Bargeldloser Zahlungsverkehr per Chipkarte Verigem will elektronisches Portemonnaie etablieren Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

16.07.1993

PARIS - Noch immer werden weltweit 70 Prozent aller Geschaefte bar abgewickelt - ein Phaenomen, das den Spezialisten fuer elektronischen Zahlungsverkehr in der DV-Branche seit Jahren keine Ruhe laesst. Jetzt beschlossen der franzoesische Chipkartenhersteller Gemplus und die US-Gruppe Verifone die Gruendung des Joint-ventures Verigem, das sich die Verbreitung des sogenannten elektronischen Portemonnaies vor allem bei den Privathaushalten zum Ziel gesetzt hat.

Schon in drei Jahren hofft die neue Firma 100 Millionen Dollar Umsatz zu machen. "Auch wenn sich Bargeld natuerlich nicht von heute auf morgen aus der Wirtschaft verdraengen laesst, schlummert in den technischen Moeglichkeiten des Verfahrens doch ein Milliardenmarkt", meint Gemplus-Chef und -Gruender Marc Lassus.

Den Vorteil des "elektronischen Portemonnaies", das im Prinzip genauso funktioniert wie die heute schon ueblichen Telefonkarten, sieht er vor allem in groesserer Sicherheit und geringeren Manipulationskosten als beim Umgang mit Scheinen und Muenzen. Gespraeche zur Einfuehrung der neuen Chipkarte laufen nach Angaben von Lassus bereits mit diversen Banken und anderen Grossverbrauchern von Bargeld in Europa und Nordamerika.

Dabei setzt Gemplus gerade auf die Verbindung zu Verifone grosse Stuecke. Die US-Gruppe machte 1992 etwa 225 Millionen Dollar Umsatz mit Ausruestungen fuer den elektronischen Zahlungsverkehr und behauptet, den Weltmarkt auf diesem Gebiet zu 60 Prozent zu beherrschen. Gerade in den USA war bisher aber auch der Widerstand etablierter Kreditkartenorganisationen gegen Chipkarten gross; erst in juengster Zeit erzielte Verifone erste Erfolge bei der Behoerdenkundschaft.

Gemplus selbst mit Sitz in Bordeaux wurde Ende der 80er Jahre von einer Handvoll ehemaliger SGS-Thomson-Mitarbeitern gegruendet und erhielt im Vorjahr eine Auszeichnung als technisch innovativer Mittelstaendler. Das Unternehmen verkauft nach eigenen Angaben heute 38 Prozent aller weltweit vertriebenen Chipkarten und setzte 1992 rund 480 Millionen Franc (rund 165 Millionen Mark) um. Fuer dieses Jahr peilt Lassus Einnahmen in Hoehe von 700 Millionen Franc an.

Die Gruender des Unternehmens halten heute noch 40 Prozent des Kapitals, weitere 52 Prozent sind im Besitz von vier Venture- Capital-Fonds. Laut Lassus interessieren sich bereits neue Investoren aus Europa und Nordamerika fuer die dynamisch wachsende Firma, die derzeit auch die Boerseneinfuehrung ihrer Aktie vorbereitet.