Aus zehn mach eins

Bankensystem der Finanz Informatik

22.02.2012
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Akt 1 bis Akt 3

Akt 1: Wie alles anfing

Fridolin Neumann, CEO der Finanz Informatik: "Normalerweise fließen die Budgets ins Front-Office, nicht in den Keller."
Fridolin Neumann, CEO der Finanz Informatik: "Normalerweise fließen die Budgets ins Front-Office, nicht in den Keller."
Foto: FinanzInformatik

Die Anfänge von OSPlus gehen auf die späten 90er Jahre zurück, als sich die Sparkassen-Organisation mehrere unterschiedliche IT-Dienstleister, die jeweils eigene Anwendungssysteme betrieben. Wie es damals gang und gäbe war, handelte es sich bei diesen Systemen um funktionale "Silos" mit den üblichen Redundanzen und Inkonsistenzen. Dass die Vielfalt und die Bauart der Systeme unter dem Strich ineffizient war, offenbarte sich niemals deutlicher als im Angesicht der "Jahr-2000-Umstellung", in deren Rahmen alle Systeme auf die vierstellige Erfassung der Jahreszahlen hin analysiert werden mussten.

Damit war der Weg bereitet. Es gab plötzlich einen breiten Konsens für ein Projekt, das vordergründig weder mehr Umsatz, noch mehr Rentabilität versprach: die Entwicklung einer einheitlichen Buchungsplattform als Basis der heterogenen Anwendungen. "Normalerweise wenden die Finanzdienstleister ihre IT-Budgets vorzugsweise für Systeme auf, die im Front-Office genutzt werden, und nicht für solche, die - wenn man so will - ihre Arbeit im Keller verrichten", erläutert Neumann. Doch in diesem Fall sei eine strategische Entscheidung für das "Keller-System" getroffen worden.

Finanz Informatik im Überblick

  • Die Finanz Informatik ist der zentrale IT-Dienstleister der Sparkassenorganisation, zu der unter anderen die Landesbanken sowie Bausparkassen, Versicherungen und weitere Unternehmen gehören.

  • Entstanden ist die Finanz Informatik in mehrere Fusionswellen. In den 90er Jahren gab es noch mehrere regionale IT-Dienstleister. 2008 verschmolzen dann mit der Sparkassen Informatik und der Finanz IT die beiden letzten Organisationen zum zentralen IT-Dienstleister der Gruppe.

  • Eigenen Angaben zufolge übernimmt die Finanz Informatik den Service für knapp 130 Millionen Konten. Sie beschäftigt inklusive mehrerer Tochterunternehmen rund 5.170 Mitarbeiter (in Vollzeitstellen)

  • Das gesamte IT-Budget in der Sparkassen-Organisation beträgt schätzungsweise drei Milliarden Euro. Davon sicherte sich die Finanz-Informatik im vergangenen Jahr 1,47 Milliarden.

  • Dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Fridolin Neumann, zufolge entfallen auf die Finanz Informatik heute 55 Prozent der gesamten IT-Kosten der Sparkassen. Ziel sei es, die Leistungen der Finanz Informatik für die Institute in den kommenden Jahren kontinuierlich auszubauen. Neumann hofft, dass der Anteil der Finanz Informatik mittelfristig auf 65 bis 70 Prozent steigt. Etwa zehn bis 15 Prozent der Gesamtleistung seien allerdings auch langfristig nicht zentralisierbar.

Akt 2: Die vier Pioniere

Im Rahmen des Sparkassen-Informatik-Zentrum (SIZ), dem die regionalen IT-Dienstleister angehörten, war schon zu Beginn der 90-er Jahre über dieses Thema gesprochen worden. Aber das hieß noch nicht, dass man die Entwicklung eines einheitlichen Anwendungssystems tatsächlich in Angriff genommen hätte. Um die Jahrtausendwende war die Zeit offenbar reif für "Nägel mit Köpfen", wie Neumann sagt. Zumindest vier der regionalen IT-Dienstleister - konkret die aus Bayern, Rheinland/Rheinland-Pfalz, Hessen/Westfalen-Lippe und Baden-Württemberg - sagten ihre Beteiligung an der Entwicklung zu.

1998 fiel der Startschuss für "S-Buchen", eine Online- und Realtime-fähige Buchungsplattform. Sie bis Ende 1999 vollständig umsetzen zu wollen war allerdings reine Utopie. Fertiggestellt wurde sie erst im Jahr 2002. Sie bildete quasi die Keimzelle, aus der schrittweise das heutige OSplus entstand.

Akt 3: Auftritt Finanz Informatik

Ein Jahr zuvor hatten sich drei der vier beteiligten IT-Dienstleister zur Sparkassen Informatik zusammengeschlossen. Die Bayern gingen zunächst einen Sonderweg, stießen schließlich 2006 im Rahmen einer weiteren Fusion dazu.

Es wäre nicht ganz korrekt, die Entstehung der Sparkassen Informatik allein auf das gemeinsame System zurückzuführen, räumt Neumann ein. Allerdings habe die technische Vereinheitlichung den Boden für die organisatorische bereitet.

Diese Fusion hatte offenbar beispielgebenden Charakter. Nach und nach schlossen sich die internen IT-Dienstleister der Sparkassenorganisation zu einer einheitlichen IT-Service-Organisation mit mehr als 5000 Mitarbeitern zusammen. 2008 war dieser Prozess abgeschlossen. Den letzten Akt bildete die Eheschließung zwischen der Finanz IT mit Sitz in Hannover und der Sparkassen Informatik mit Sitz in Frankfurt am Main. Sie fusionierten zur Finanz Informatik .

Lessons Learned

  • Die Einführung einer einheitlichen IT-Lösung bei 428 Sparkassen mit 130 Millionen umgestellten Konten, 200.000 Arbeitsplätze und 55.000 Selbstbedienungsgeräten erwies sich als ein Mammutvorhaben - laut Neumann das größte Banken-IT-Projekt Europas

  • Eine der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist die Standardisierung: Sehr schnell wurde klar, dass sich die Einführung von OSPlus bei einer so hohen Anzahl an jeweils selbständigen Instituten nur mittels gut eingespielter, einem bestimmten Ablauf folgender Verfahren bewältigen lässt.

  • Insbesondere in den Anfangsjahren und mit der Migration der Pilotsparkassen wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die später den Instituten in allen Regionen zu Gute kamen. Die in einer Serie übergeleiteten Institute konnten zwischenzeitlich auf bis zu 20 Sparkassen gesteigert und gleichzeitig die Einführungskosten pro Institut signifikant gesenkt werden.

  • Mit der Einführung von OSplus standen bei den Instituten selbst wichtige Entscheidungen an, zum Beispiel darüber, welche Anwendungen beibehalten werden sollten. Bei dieser Gelegenheit galt es, zu lernen, wie man alte Zöpfe abschneidet.

  • Finanz Informatik und Institut überlegten gemeinsam, welche Anwendungen abgeschaltet werden konnten und welche nicht. Dadurch wurde nicht nur die Umstellung selbst vereinfacht. Zudem ließ sich langfristiger, aus der geringeren Pflege und Wartung redundanter Systeme resultierender Mehrwert generieren.

  • Last but not least galt es, bei der Umstellung auf ein neues IT-System die Mitarbeiter - sowohl auf Seiten des Kunden als auch auf Seiten der Finanz Informatik - frühzeitig einzubinden und mitzunehmen. Schließlich war dies für die meisten Institute das größte interne Projekt der vergangenen Jahre. Die Finanz Informatik stellte ihnen deshalb frühzeitig Anwendungen und Tools (beispielsweise die E-Learning-Plattform OSPlus Campus) zur Verfügung.