Niedrigere Kosten und mehr Sicherheit:

Banken bevorzugen zunehmend SW-Projekte zu Festpreisen

25.05.1990

Was im PC- und Workstation-Bereich längst gängig ist, soll nun auch bei Großrechner-Software Furore machen: die Vergabe von Entwicklungsprojekten zum Festpreis. Dieses Verfahren hatte in einer Reihe von Banken, so Gerd Tjarks*, nicht nur eine Entlastung der Mitarbeiter zur Folge, sondern erwies sich zudem meist günstiger als die Eigenprogrammierung.

Das Know-how über Festpreise scheint die Probleme der Zukunft lösen zu können. Die Budgets für Software-Entwicklung, Wartung und Software-Recycling platzen immer mehr aus den Nähten. Die Hundertschaften an den Terminals werden zahlreicher und der Personalbedarf in der Branche scheint bei weitem noch nicht gedeckt. Abteilungen, deren Wachstumsrate in der letzten Dekade die 1000-Prozent-Marke überschritten hat, sind keine Seltenheit.

Trotzdem sind die Mitarbeiter in der Regel mit den laufenden Arbeiten ausgelastet. Sie verfügen einfach über zuwenig Freiraum, um tatsächlich alle wünschenswerten Projekte auf den Weg zu bringen und um sie auch in der angemessenen Zeit fertigzustellen. Der Markt an erfahrenen Mitarbeitern ist leergefegt. Sie bleiben in der Regel in der Firma, in der sie sich einen eigenen Einflußbereich aufgebaut haben.

Festpreis-Projekte können hier einen Ausweg bieten, wenn man die damit verbundenen Risiken in den Griff bekommt und die Vorteile nutzt. Was im PC-Bereich und in der mittleren Datentechnik üblich ist, läßt sich auch im Bereich der MVS-Großrechner

mit ihren riesigen gewachsenen Software-Landschaften aus Cobol- Assembler und PL/1-Programmen realisieren. Beispiele aus dem Bankenbereich belegen dies.

Festpreise fordern von allen Beteiligten eine saubere Strukturierung der Problematik und ein klar gegliedertes Stufensystem. Während sich bei Aufwandsprojekten ein solches Vorgehen lediglich empfiehlt, kommt man bei Festpreisen in keinem Fall daran vorbei. Führt beim Aufwandsprojekt der Fehlschlag häufig zur Budgeterhöhung, so droht beim Festpreis die Pleite. Spielregeln und Rollenverteilung sind klar zu definieren und fordern von allen Seiten Einsatz. Das Prinzip eines Profit-Centers findet Anwendung.

Kosten-Nutzen-Analyse muß unbedingt erfolgen

Die folgenden Punkte sollte der Auftraggeber bei sich voraussetzen können, bevor er sich in das Abenteuer Festpreis stürzt. Die Nichteinhaltung dieser Punkte könnte die Versetzung des Verantwortlichen zur Folge haben.

Eine Kosten-Nutzen-Analyse der gesamten Projektanforderung ist grundsätzlich unabdingbar. Allerdings kann bei einem Festpreis im Verhältnis zum Aufwandsprojekt mit einem geringeren Erstellungsaufwand gerechnet werden. Das persönliche Vertrauen der Vertragepartner ist auch in diesem Fall die Grundlage der Zusammenarbeit.

Weiterhin spielt das tatsächliche Interesse des Fachbereichs, (des eigentlichen Nutznießers) eine große Rolle. Ohne diese Unterstützung ist alles auf Sand gebaut.

Das Personal zur Projektüberwachung und zum Klären von Fragen aller Art darf beim Auftraggeber nicht vernachlässigt werden. Komplexe Einbindungen in eine bestehende Software-Umwelt werfen viele offene Fragen auf. Hier hilft besonders ein Mitarbeiter aus dem Fachbereich, der für Fachprobleme kompetent ist und der kommunizieren kann. Vorausgesetzt ist dabei, daß eine Budgetplanung existiert und auf den zuständigen Organisationsebenen, bekannt und genehmigt ist. Richtlinien zur Dokumentation müssen entweder bekannt und anwendbar sein oder zumindest als Dokumentationsmuster existieren. Als Alternative hierzu bietet sich die Dokumentation durch den Auftraggeber an. Dieser Punkt beeinflußt die Verständlichkeit des Projektes nach der Übergabe, wird aber oft aus Kurzsichtigkeit übersprungen.

Ähnlich verhält es sich mit schriftlich fixierten Programmierstandards. Fehlen sie, sind sie unhandlich oder werden sie allgemein ignoriert, dann werden wahrscheinlich Unmengen redundanter und fehleranfälliger Programmcodes erstellt.

Die Qualitätskontrolle des fachlichen Konzeptes, der DV-technischen Realisierung, des Datenbank-Designs, der Behandlung von Schnittstellen, des Maskenaufbaus, der Dialogsteuerung, des Programmcodes, des Integrationstests, des Paralleltests und der Dokumentation entscheiden letztlich über den Erfolg des Projektes. Dabei ist der letzte Kontroll-Lauf Voraussetzung für die Abnahme und immer Aufgabe des Auftragnehmers. Je konsequenter Fach-, DV-Konzept und allgemeine Planung durchgeführt wurden, desto geringer ist Später das Zusatzbudget für Anpassungen und Änderungen.

Eine Summe voll zirka fünf Prozent vom Gesamtfestpreis sollte dafür eingeplant sein.

Das gilt aber nur für zwingende Änderungen seitens des Auftraggebers und darf in keinem Fall zu schlechter Vorarbeit verleiten.

Nach der Übergabe und der Abnahme wird ein kompetentes Team benötigt, das nach der Gewährleistungsfrist in der Lage ist, die anfallenden Arbeiten an den geschaffenen Programmen weit zuführen.

Hat der Auftraggeber selbst kein derartiges Team frei, würde sich als Alternative ein Wartungsvertrag mit dem Vertragspartner anbieten. Aus Gründen des Know-how's ist jedoch eine eigenständige Wartung vorzuziehen. Zuverlässige Firmen, fähige Projektleiter und engagierte Mitarbeiter sind die Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung eines Projekts. Auch ein großer Firmenname schützt nicht vor Schaumschlägern, die aus Verantwortungslosigkeit jedes Projekt zum Scheitern bringen können.

Bevor viel Geld für ein Projekt verpulvert wird und dann das Ergebnis zu wünschen übrig läßt, ist der Auftragnehmer auf eine Reihe von Qualitäten hin zu prüfen:

- Eine zielgerichtete, verantwortungsbewußte und kreative Beharrlichkeit des Auftragnehmers ist die Grundlage des Projekterfolgs und anderen Faktoren übergeordnet. Durch sie kann jeder andere Schwachpunkt aus dem Wege geräumt werden.

- Ein Vertrauensverhältnis seitens des Auftragnehmers läßt sich nicht wegdenken. Projektarbeit unter permanentem Mißtrauen belastet das Ergebnis. Ein gesunder geschäftlicher Abstand zwischen den Kontrahenten bei grundsätzlichem Vertrauen wäre optimal.

- Ein Management, das die konstruktive Zusammenarbeit der Mitarbeiter fördert, ist einem autoritärem Management vorzuziehen. Trotzdem ist ein autoritäres Management immer noch besser als demotivierende Schaumschlägerei oder mechanische Verbuchung von Manntagen ohne tatsächliche, Kontrolle des Projektfortschritts.

- Engagiertes Teamwork mit klarer Zielsetzung läßt ein -Projekt leichter laufen. Dienst nach Vorschrift', Förderung von Faulheit, Intrigen oder Eitelkeit sind das Ende jeden Projekts. Der Stolz eines Teams auf sein Ergebnis ist einer der Indikatoren für dessen Qualität.

- Die bedingungslose Termintreue der Firma und des Teams, gepaart mit dem Ehrgeiz ein fehlerloses Produkt abzuliefern, steigert die Arbeitsmoral und wirkt bei allen Problemen erfrischend direkt in die Richtung einer wirklichen Lösung,

- Eine realistische Selbsteinschätzung des Auftragnehmers hat ein korrekt abgewickeltes Projekt zur Folge.

- Kein Auftragnehmer ist gegen Risiken völlig gefeit. Sein gesundes finanzielles Polster sorgt dafür, daß er bei Problemen nicht gleich vom Konkurs bedroht ist.

- Offene und unbefangene Kommunikation sollte von Anfang an bestehen, und nicht gestört werden.

- Die fachliche Kompetenz der Mitarbeiter im Anwendungsgebiet sollte ständig auf den neuesten Stand gebracht werden. Dieses Fundament spielt vor allem in den frühen Projektphasen eine gewichtige Rolle.

- Die DV-technische Kompetenz muß die fachliche untermauern.

Die Idee, daß allein mit Anfängern und genügend Hilfsmitteln ein Ergebnis hervorzubringen wäre, ist naiv und außerdem riskanter als russisches Roulette. Datenstruktur- und Funktionsstrukturanalysen werden durch Tools bestenfalls unterstützt und gut dokumentiert. Die Qualität ergibt sich jedoch ausschließlich aus dem Verantwortungsgefühl des Teams.

Vor Abschluß eines größeren Festpreis-Abkommens ist für beide Seiten eine Vorstudie zur Realisierung nach Aufwand zu empfehlen. Auf diese Weise können sich beide Seiten besser kennenlernen, bevor es wirklich ernst wird.

*Dipl.-Inf. Gerd Tjarks ist bei der Pass EDV-Beratung, Aschaffenburg, für Projekte im Bankenbereich zuständig.