Bangemann droht mit EU-Richtlinie Washington fordert von Bruessel rasche Abkehr vom Netzmonopol Von CW-Mitarbeiter Lorenz Winter

21.10.1994

PARIS/WASHINGTON - Am 17. November will der Postministerrat der Europaeischen Union ueber die Empfehlungen des Gruenbuches der Bruesseler Kommission zur Deregulierung der TK-Maerkte beschliessen. Schon jetzt schlaegt dabei ein Vorschlag besonders hohe Wellen in Wirtschaft und Politik beiderseits des Atlantik: Zugleich mit der fuer 1998 vorgesehenen Liberalisierung des Telefondienstes auch das Infrastrukturmonopol aufzugeben.

Bekanntlich haben sich besonders der fuer Telekommunikation und Industriepolitik zustaendige deutsche EU-Kommissar Martin Bangemann sowie der Bonner Postminister Wolfgang Boetsch fuer diese Idee stark gemacht. Bangemann drohte den anderen EU-Mitgliedslaendern jetzt gar mit dem Erlass einer entsprechenden Richtlinie zur Netzmonopolfreigabe, sollte man sich nicht auf ein gemeinsamens Vorgehen einigen koennen.

Frankreich fuehlt sich indes durch Bangemanns Schreckschuss nicht eingeschuechtert. Die Freigabe der Infrastrukturen werde "zwangslaeufig der des Fernmeldedienstes folgen", erklaerte der zustaendige Minister Gerard Longuet kuerzlich in einem Interview mit dem Pariser "Figaro". Grossbritannien sieht sich ohnehin nicht betroffen, da dort das Infrastrukturmonopol bereits aufgehoben wurde. Lediglich Italien und Spanien sowie kleinere EU-Laender wie Belgien, Daenemark, Griechenland und Portugal haben sich Bedenkzeit ausgebeten, weil sie die "sozialen Auswirkungen" einer Infrastrukturfreigabe fuerchten. Ungeklaert ist ferner noch die Haltung der neuen Mitgliedslaender Oesterreich, Norwegen und Schweden, waehrend Finnland sich bereits fuer die Freigabe aussprach.

Das Hauen und Stechen, das angesichts der neu formierten globalen Allianzen vor allem auch in den liberalisierten europaeischen TK- Maerkten erwartet wird, war wiederum Anlass fuer den europaeischen Kartellrechts-Kommissar Karel van Miert, zu erklaeren, dass man in Bruessel entsprechende Manoever (etwa AT&Ts Kooperation mit Unisource oder den BT-MCI-Deal) als moegliche Einschraenkung des freien Verkehrs auf Europas Datenautobahnen mit Argusaugen verfolgen werde. "Big Brothers, die dort treiben, was ihnen beliebt, wollen wir im Markt nicht heranwachsen sehen", versicherte van Miert gegenueber dem "Wall Street Journal". Um die Amerikaner aber nicht ganz zu vergraemen, versprach der EU- Kommissar gleichzeitig, dem Dreierbund Telekom/France Telecom/Sprint ebenfalls auf die Finger zu sehen.

Pikiert gaben daraufhin Telekom-Chef Helmut Ricke und France- Telecom-Praesident Marcel Roulet zu bedenken, dass diejenigen Dienste, die sie im Rahmen ihres Joint-ventures mit Sprint gemeinsam anbieten wollen, sowohl auf dem hiesigen als auch auf dem Markt in Uebersee laengst fuer den Wettbewerb freigegeben worden sind. Doch der Chef der maechtigen US-amerikanischen Kartellbehoerde FCC, Reed Hundt, sieht dies anders: "Unsere Normen fuer die Oeffnung der TK-Maerkte sind noch nicht von allen Laendern akzeptiert worden", gab der FCC-Chef am Rande einer Telecom-Konferenz in Washington zum besten. AT&T-Chairman Robert Allen, der nach wie vor grosse Bedenken gegen die Zusammenarbeit der beiden europaeischen Carrier mit Sprint hat, sattelte gleich noch eins drauf, indem er vom Handelsbeauftragten des Weissen Hauses, Mickey Kantor, verlangte, im Sinne einer baldigen Aufgabe des Netzmonopols persoenlich in Bonn und Paris vorstellig zu werden.