TK-Trends/Kosten und Nutzen im Einklang

Bandbreite kommt on Demand ins Haus

16.01.2004
Always-on und Flatrate - das sind gegenwärtig die Hauptkriterien von Internet-Breitbanddiensten. Allerdings profitieren von diesem Geschäftsmodell langfristig weder Nutzer noch Betreiber. Der norwegische Carrier Telenor ermöglicht es deshalb seinen Kunden, die Bandbreite ihres Netzzugangs an die tatsächlichen Anforderungen anzupassen.Von Andrew Beutmüller*

Würde die Wasserversorgung auf Basis einer konstanten Liefermenge mit Pauschalgebühr erfolgen, käme ständig Wasser aus der Wand. Die Verbraucher würden jedoch nur einen Bruchteil davon wirklich nutzen können - die Versorgung ließe sich nicht entsprechend dem aktuellen Bedarf variieren. Zum Händewaschen wäre die Wassermenge stets zu hoch, um aber eine Badewanne vollaufen zu lassen, dauert es zu lange. Dennoch wenden heutzutage Netzbetreiber eben dieses Prinzip bei ihren Breitbanddiensten an. Kunden, die nur ab und zu die gesamte Bandbreite benötigen, erhalten daher einen Service, der ihnen nur gelegentlich nutzt. Der Carrier hingegen muss stets liefern und Kapazitäten zur Verfügung stellen, die seine Netze belasten. Die Kosten dieser überschüssigen Bandbreite werden hauptsächlich vom Netzanbieter getragen, denn die Weitergabe an den Kunden ist aufgrund der aktuellen Wettbewerbssituation nur schwer möglich.

Jedoch erfordert der Markt eine höhere Rentabilität für bereitgestellte Dienste bei niedrigen Investitionsausgaben und Betriebskosten. Diese Ansprüche lassen sich jedoch nur durch Services erfüllen, bei denen attraktive Inhalte mit einer effizienten Bandbreitennutzung und einer hohen Dienstgüte kombiniert werden. Zudem müssen Netzfunktionen wie Sicherheit, Priorisierung und Inhaltsfilterung zum Einsatz kommen. Nur damit sind Service-Provider in die Lage, eine breite Palette von Diensten und Abrechnungsmodellen anzubieten und sich beständigere Einnahmequellen zu schaffen.

Eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung, wie sie beispielsweise von Siemens ICN und Juniper Networks angeboten wird, weist die Bandbreite entsprechend den Anforderungen des Teilnehmers dynamisch zu. So genannte Service-Selection-Portale und Service-Deployment-Systeme ermöglichen den Teilnehmern den Zugang zu und die bedarfsgerechte Aktivierung von Diensten über ein Web-Portal. Eine spezielle Client-Software braucht der Anwender nicht. Vielmehr setzt sich die individuelle Web- beziehungsweise Portalseite dynamisch aus Informationen zusammen, die im Teilnehmerprofil gespeichert sind.

Flexible Regeln

Für ISP-Dienste wie für normale Services gilt, dass bei ihrer Aktivierung der Netzverkehr des Benutzers durch bestimmte Regeln gesteuert wird, die nach der Deaktivierung nicht mehr angewandt werden. Aktiviert der Nutzer etwa ein ISP-Abonnement, teilt ihm das System eine IP-Adresse zu, und das Portal präsentiert ihn seine verfügbaren Dienstoptionen. Dazu können beispielswese ein differenzierter Class-of-Service-Internet-Zugang oder die dynamische Auswahl von Mehrwertinhalten zählen. Die Teilnehmer passen ihre Dienste dynamisch an, ohne sich ab- und wieder anmelden zu müssen, wie dies in einer reinen Radius-Umgebung erforderlich wäre (Radius = Remote Authentication Dial-In User Service). Es lassen sich auch mehrere Dienste gleichzeitig aktivieren, deren Abrechnung dennoch separat erfolgen kann.

Neben der effizienten Verteilung der Bandbreite muss es den Netzbetreibern möglich sein, neue Dienste in kürzester Zeit zur Verfügung zu stellen und zu implementieren, die Benutzerführung individuell zuzuschneiden und zu verbessern. Gleichzeitig muss aber die volle Kontrolle über Netz und Abrechnungsverfahren erhalten bleiben. Über das Juniper-System "SDX" beispielsweise lassen sich Dienste für Hunderttausende von Teilnehmern über Breitbandzugangstechnologien wie DSL, Kabel und Ethernet bereitstellen. Die Benutzer aktivieren über einen Peripherie-Router die entsprechenden Dienstangebote, wobei der Router automatisch dafür sorgt, dass im Netzwerk die Voraussetzungen für die Bereitstellung dieser Dienste geschaffen werden. Zudem sorgen sie dafür, dass die einzelnen Teilnehmer eine genaue Abrechnung erhalten.

Aktiviert ein Benutzer einen Standarddienst, sendet das System spezifische Protokolle an den Router, der den individuellen Netzverkehr steuert. Die Protokolle ermöglichen den Anwendern unter anderem den Zugriff auf Netzressourcen wie etwa einen Video-Server. Auch die Kontrolle der Dienstgüte des Datenverkehrs zwischen dem Benutzer und der Netzressource sowie die komplexe Umleitung des Datenverkehrs des Anwenders kann über die Protokolle erfolgen. Wird ein Dienst deaktiviert, werden die dienstspezifischen Protokolle auf dem Router gelöscht, der den Netzwerkverkehr des Benutzers steuert. Weitere Zugriffe auf die entsprechenden Netzressourcen sind danach blockiert.

Neben primären Breitbandzugängen lassen sich aus einer Bibliothek auch Servicebausteine kombinieren. Das können zum Beispiel Filter, Bandbreitenbegrenzungen oder auch die Prioisierung des Datenverkehrs sein, deren Aktivierung sofort möglich ist. Von Netzbetreibern lassen sich SDX-Systeme für die folgenden Dienste einsetzen: gestaffelte Internet-Zugänge (mit verschiedenen Serviceeebenen wie Bronze, Silber und Gold), gestaffelte VPN-Zugänge, bedarfsgerechte Bandbreitenzuteilung, Spiele- und Multimedia, Video-Chat, E-Learning, Application-Service-Providing (ASP), Inhaltsfilter, Video on Demand, IP-Fernsehen, Pay-per-View-Audio und -Video sowie eine integrierte Sprach- und Datenübertragung.

Gestaffelte Dienste können allein auf verschiedenen Bandbreitenzuteilungen für den Internet-Zugang (etwa Bronze-Ebene mit 128 Kbit/s, Silber-Ebene mit 384 Mbit/s und Gold-Ebene mit 1 Mbit/s), auf bestimmten Dienstgüte-Stufen (Quality of Services), auf dem Zugang zu verschiedenen Inhaltsebenen (beispielsweise ein breiteres Angebot von Filmen für einen Premium-Kunden) oder einer Kombination aus diesen Varianten aufbauen. Zusätzlich haben die Service-Provider die Möglichkeit, eine Vielzahl weiterer Dienstelemente miteinander zu kombinieren.

Der norwegische Breitbandnetzbetreiber Telenor hat bereits Ende 2002 gemeinsam mit Siemens und Juniper ein Service-Deployment-System in seinem landesweiten IP-Netz errichtet. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, Kundenkonten und Nutzungsereignisse in Echtzeit zu erfassen, zu klassifizieren und zu verwalten. Zusätzlich kann Telenor durch das Service-Deployment-System den Umsatz steigern, Pay-as-you-go- und Pay-per-View-Optionen anbieten, die Beziehung zu seinen Kunden verbessern und mit attraktiven Inhalten und Provider-Markennamen neue Nutzer gewinnen. SDX ermöglicht aber auch den Endbenutzern die direkte Kontrolle ihrer Dienstprofile.

Keine Verschwendung

Durch den Zusammenschluss von bereits installierten Edge-Routern ("Juniper ERX") kann Telenor mit dem ausgebauten System seine Breitbanddienste besser an die Anforderungen jedes einzelnen Teilnehmers und die Rentabilitätsaspekte seiner eigenen Netzinfrastruktur anpassen. Darüber hinaus wird durch den Ausbau eine verbesserte Netzwerkdienstgüte (Quality of Services), Verkehrsformung, Priorisierung und dynamische Bandbreitenzuteilung möglich. Die neuen Merkmale erlauben es Telenor, seinen Breitbandkunden flexible Dienstebenen anzubieten und erhebliche Einsparungen bei den Betriebskosten sowie Umsatzsteigerungen durch neue Dienste zu erzielen. Telenor verschwendet heute keine Bandbreite mehr mit einem starren Pauschalgebührenmodell, sondern ordnet die Bandbreite nach Rentabilitätsgesichtspunkten effizient zu.

Grenzen setzen

Nach Abschluss der Implementierung, die in mehreren Phasen erfolgt, können die Teilnehmer die angebotenen Dienste nach Bedarf aktivieren. Das System sorgt dann automatisch dafür, dass im Netzwerk die Voraussetzungen für die Bereitstellung geschaffen und die Services durch die einzelnen Teilnehmer genau abgerechnet werden. In der ersten Implementierungsphase definiert Telenor mit dem System Grenzwerte, mit deren Hilfe sich die "angemessene Nutzung" durch die Kunden steuern lässt. Wird ein Grenzwert erreicht, benachrichtigt das System die Kunden automatisch. Sie können sich dann etwa für ein Upgrade auf einen höherwertigen Dienst, ein vorausbezahltes Gigabyte-Paket oder für die Dienstvariante ohne Volumenbegrenzung während der Nachtstunden entscheiden. (ajf)

*Andrew Beutmüller ist freier Autor in Los Angeles.

Angeklickt

Datendienste mit Flatrate haben einen entscheidenden Nachteil für Provider: Sie müssen stets große Kapazitäten zur Verfügung halten, können diese aber nicht dem Kunden in Rechnung stellen. Mit einer flexiblen Plattform lassen sich die Belastungen besser planen und verbuchen. Zudem können auch die Kunden von neuen Dienstleistungen profitieren, was die Bindung erhöht.