Interview

"Bald wird es wartungsfreie Datenbanken geben"

18.08.2000
Mit John Chen, CEO von Sybase, sprach CW-Redakteur Wolfgang Miedl

CW: In Ihrer Rede zur Eröffnung der Techwave haben Sie gesagt, dass Sie kein Datenbankhersteller mehr sein wollen. Wann wollen Sie dieses Ziel erreicht haben?

Chen: Ehrlich gesagt wird das noch viele Jahre dauern. Derzeit machen wir mit Datenbanklizenzen einen Jahresumsatz von 200 Millionen Dollar, das Gleiche noch einmal mit entsprechenden Dienstleistungen. Das heißt, dass fast die Hälfte unseres Umsatzes von 900 Millionen Dollar aus dem Datenbankgeschäft kommt. Der Bereich wächst allerdings nur einstellig, während andere Aktivitäten zweistellige Zuwächse haben. Bis etwa 2003 rechne ich damit, dass die Datenbanken nicht mehr das dominierende Geschäft sein werden. Ein Grund dafür ist, dass es schon bald nahezu wartungsfreie Datenbanken geben wird.

CW: In Hongkong wird Ihr Unternehmen in Kürze ins ASP-Geschäft einsteigen. Glauben Sie, dass damit Geld zu verdienen ist?

Chen: Ich sehe im Moment bis auf wenige Ausnahmen noch keinen ASP, der wirklich Geld verdient. In den USA kenne ich einen erfolgreichen ASP names ADP. Die machen ihr Geschäft mit einfachen, immer gleichen und wiederkehrenden Aufgaben wie Gehaltsabrechnungen, Mailings und Überweisungen. Aber sobald individuelle Anpassung erforderlich ist, ist damit kein Gewinn zu erzielen. Unser ASP-Engagement mit Hongkong Telecom (HKT) hat den besonderen Hintergrund, dass wir den riesigen chinesischen Markt mit unseren Banking-Lösungen erreichen wollen. Wir machen das vor allem, um für die Zukunft vorbereitet zu sein. Unser Risiko ist dabei nicht sehr groß. HKT stellt ein Data-Center zur Verfügung, das es bereits besitzt, und wir eine Software, die wir bereits haben. Wir müssen also nur Geld für die gemeinsame Vermarktung aufbringen.

CW: Welche Rolle spielen Entwicklungs-Tools für Ihre Strategie?

Chen: Ein wichtiger Schritt war für uns, die 4GL-Entwicklungsumgebung von Powerbuilder mit Java zu Power-J zu verweben und anschließend das Java-Tool mit dem Enterprise Application Server zu vereinen, um daraus eine nahtlose Entwicklungs- und Verteilungsumgebung zu erhalten. Eine der größten Veränderungen in den letzten zwei Jahren war der Strategiewechsel vom Technologie- auf den Marktfokus. Hierin liegt auch der Grund dafür, dass wir Ableger gegründet haben. Die jeweiligen Manager sollen sich darauf konzentrieren, welche Probleme die Kunden gelöst haben wollen, und nicht, welche tollen Technologien wir besitzen.

CW: Sybase hat in letzter Zeit sehr unterschiedliche Unternehmen im Finanz- und im Telekommunikationsbereich übernommen. Welche Investitions- und Akquisitionspläne verfolgen Sie?

Chen: Für den Finanzbereich haben wir eine spezielle Middleware entwickelt, mit der wir weltweit bei großen Banken erfolgreich im Geschäft sind. Was uns bisher fehlte, waren Produkte für kleine und mittlere Banken, beispielsweise Lösungen für Internet-Banking. Hierfür haben wir mit Home Financial Networks eine ideale Ergänzung gefunden. Zudem investieren wir in Systemintegratoren aus dem Finanzgeschäft. In diesem Jahr wollen wir im Telekommunikationsbereich expandieren, wobei uns hier dreierlei interessiert: Billing-Systeme über das Internet, Kunden-Services und B-to-B-Dienstleistungen.

CW: Linux gewinnt im Enterprise-Bereich allmählich an Bedeutung. Wie sieht das Linux-Engagement von Sybase aus?

Chen: Wir unterstützen Linux auf breiter Basis, und bei unseren Kunden herrscht rege Nachfrage. Bisher konnten wir bereits über 100000 Downloads bei unseren Linux-Datenbanken verzeichnen. Die Entwickler mögen unsere Linux-Produkte, weil wir vollen Support gewähren und nicht nur Downloads anbieten. Wir werden unsere Produkte nach und nach auf Linux portieren.

CW: Generieren Sie derzeit auch schon Umsätze aus dem Linux-Engagement?

Chen: Ich erwarte mir nicht, mit der Datenbank Geld zu verdienen, aber Gewinn lässt sich zum Beispiel mit Produkten wie unseren Finanzapplikationen erzielen. Mit Begeisterung verfolgen wir die Bemühungen von Turbo-Linux im Bereich Clustering. Wenn sie damit Erfolg haben, wird der Linux-Einsatz auch in Unternehmen zunehmen, was wiederum unsere Linux-Verkäufe ankurbeln wird.