Nichts geht ohne das elektronische Recruiting-System

Bahn-Mitarbeiter bewerben sich elektronisch

14.11.2003
Die Deutsche Bahn, mit 250 000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in Deutschland, hat sich für eine E-Recruiting-Lösung entschieden. Ziel war es, die Bewerbungsprozesse schneller und einfacher zu machen, gleichzeitig die Sicherheit und Vertraulichkeit der Daten zu wahren. Von Martin Sigmund*

Mit jährlich 1,7 Milliarden Reisenden im Personenverkehr und einem täglichen Aufkommen von 5500 Güterzügen ist die Bahn einer der größten Mobilitäts- und Logistikdienstleister in Europa. Durch seine rund 250000 Mitarbeiter ist der Konzern einer der ganz großen Arbeitgeber und Ausbilder in Deutschland. Da Personal-Management in dieser Größenordnung eine besondere Herausforderung darstellt, hat die Bahn 1998 auf der Basis von Peoplesoft-Software ein durchgängiges Personal-Management-System aufgebaut.

Die Lösung wurde seinerzeit mit dem internen Dienstleister DB Systems und Personalsysteme und -abrechnung Konzern der DB AG in eineinhalb Jahren realisiert. Heute gehört die Installation zu den fünf größten und stabilsten Human-Resources-Systemen weltweit. Weit mehr als 200000 Stammdatensätze, rund 250000 Konzernausweisbilder und 48000 Bewerberdatensätze werden mit der Software verwaltet. 2000 Anwender aus dem Personal-Management sind täglich zwischen 6 und 20 Uhr online, weitere 1000 nutzen das System in etwas geringerem Umfang für ihre tägliche Arbeit. Es versorgt jede Nacht weitere zentrale IT-Lösungen des Konzerns mit aktuellen Personaldaten - von der Gehaltsabrechnung bis zur Einsatzplanung des Bordpersonals. Durch die zentrale Verwaltung der Personaldaten ist jeder Mitarbeiter der Bahn identifizierbar, und die hoch sensiblen personenbezogenen Daten sind umfassend geschützt. Täglich laufen mehr als 5000 Workflows innerhalb der Personalsysteme.

Im vergangenen Jahr beschloss der Vorstand der Bahn, alle relevanten Personalsysteme web-fähig zu machen. Künftig können durch den vereinfachten Zugang mittels Web-Browser Personaler, Führungskräfte, Mitarbeiter und Bewerber aktiv an den Personalprozessen beteiligt werden.

Aus dieser technischen Grundsatzentscheidung ergeben sich für die Bahn einige Vorteile: Durch die Einbindung aller Teilnehmer können Prozesse verbessert und beschleunigt werden. Zusätzlich steigt die Qualität der erfassten Daten, und neue, mitarbeiterorientierte Serviceangebote werden denkbar. Darum treibt das Personal-Management der Bahn die Web-Fähigkeit des Peoplesoft-Systems zusammen mit der DB Systems als Realisierungspartner voran.

Als eine der ersten Anwendungen wurde im Herbst 2003 die Personalbeschaffung ans Internet angebunden. Susanne Friedrich, Leiterin Personal-Marketing der DB AG, erläutert: "Wie in anderen Unternehmen war auch bei uns ein System, mit dem sich Bewerbungsdaten ohne Medienbrüche verarbeiten lassen, nicht die Regel." Zwar war eine Erfassung der Bewerbungen in der Peoplesoft-Software möglich, allerdings ohne direkte Schnittstelle zu einer Stellenbörse. Auch ein standardisierter Online-Bewerbungsbogen für die Dateneingabe durch den Bewerber selbst stand nicht zur Verfügung. So war bei Veröffentlichung wie Bearbeitung vakanter Positionen jede Menge Handarbeit nötig.

Die E-Recruiting-Ziele der Bahn waren somit klar definiert, erläutert Friedrich: "Egal ob ein Bewerber von intern oder extern kommt, er sich auf dem Postweg oder online bewirbt, eine Initiativbewerbung schickt oder sich auf eine konkrete Stelle bezieht - sämtliche Bewerbungen sollten in gleicher Weise durch die elektronische Personalbeschaffung laufen."

Hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit

Das von DB Systems bereits in Angriff genommene Upgrade der Peoplesoft-Installation auf Version 8 bot die grundlegenden Funktionen für eine direkte Anbindung der Online-Stellenmärkte an das zentrale Personal-Management-System. Nach Definition der Anforderungen wurde mit der konkreten Planung des Projekts im Januar 2003 begonnen. Helmut Täger, Leiter Personalsysteme und -abrechnung Konzern der DB AG, verdeutlicht: "Die Anbindung des Internet- beziehungsweise Intranet-Stellenmarktes ermöglicht Bewerbern, in Echtzeit auf das Personalsystem der Bahn zuzugreifen." Daraus resultieren extrem hohe Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit, die in der Architektur des Systems berücksichtigt werden mussten.

So erfolgt der Zugriff aus dem Internet auf eine gespiegelte Version der Peoplesoft-Datenbank. Die im Internet verfügbare Kopie enthält keine internen Personaldaten. Die Kommunikation zwischen den beiden Datenbanken funktioniert nach dem Einbahnstraßenprinzip. "Nur Bewerberdatensätze können nach innen gelangen - aber keinerlei sensible Personaldaten nach außen", erklärt Klaus Metzlaff, Leiter Personal-Management-Services bei DB Systems. Mittels Firewall ist das System auch physikalisch gegenüber dem Internet abgeschottet.

Per Mausklick auf fünf Stellen bewerben

Zusätzlich wurden die gespeicherten Lebensläufe der Bewerber rigoros gegen Viren geschützt. Der Austausch zwischen den Datenbanken erfolgt mittels asynchronen Messagings auf der Basis von XML. "Das garantiert hohe Stabilität, im Fehlerfall werden Datenverluste vermieden. Über Lastverteilung und eine redundante Auslegung wurde das System weitgehend ausfallsicher gestaltet", führt Metzlaff aus.

Trotz dieser hohen Komplexität konnte die neue Stellenbörse im Intranet bereits nach einem halben Jahr Mitte September an den Start gehen. Die Jobbörse im Internet folgte nur zwei Wochen später. Die Zugriffszahlen auf die beiden Jobportale sind seitdem höher als erwartet. In Spitzenzeiten sind bis zu 3000 Nutzer parallel im System eingeloggt, insgesamt wurde die Stellenbörse der Bahn in den ersten vier Wochen mehr als 200000-mal besucht.

Interessenten können die ausgeschriebenen Stellen nach bestimmten Kriterien durchsuchen - beispielsweise nach dem gewünschten Tätigkeitsprofil oder nach Unternehmensbereich. Zudem lassen sich bis zu fünf Positionen in einem "Stellenkorb" zwischenspeichern. Nach Abschluss der Recherche ist es möglich, sich mit einem Mausklick auf alle gemerkten Stellen gleichzeitig zu bewerben.

E-Recruiting als Imagefaktor

Die Daten der Kandidaten landen dann direkt im System, neu eingegangene Bewerbungen werden für die Personalmitarbeiter der Bahn sofort sichtbar. Von der Arbeit der Dateneingabe und -pflege entlastet, können sich die Personalreferenten stärker auf ihre inhaltlichen Aufgaben konzentrieren. Zudem werden bei Bewerbungseingang automatische Eingangsbestätigungen verschickt. Auch im weiteren Verlauf unterstützen Standards die Kommunikation mit den Bewerbern.

Um nicht zuletzt möglichst vielen Bahn-Mitarbeitern den Zugriff auf die interne Stellenbörse zu ermöglichen, ist das Jobportal unter www.bahn.de/karriere auch von Zuhause oder aus dem Internet-Cafe möglich. Ein rollenbasierender Zugriff unterscheidet zwischen Mitarbeitern und externen Bewerbern. Die Differenzierung erfolgt dabei über eine Eingabe der Konzernausweis-Nummer.

Das Resümee nach den ersten Tagen des Betriebs fällt für Friedrich positiv aus: "Durch E-Recruiting spart die Bahn Prozesszeiten und verbessert gleichzeitig ihr Image. Nicht nur künftige Aufgaben oder angebotene Einstiegsprogramme beeinflussen die wahrgenommene Attraktivität eines Arbeitgebers, sondern auch die Qualität des Bewerbungsprozesses, der als erster Eindruck die Meinung des Bewerbers bildet." Nach dem Rollout von E-Recruiting sind weitere Web-Anwendungen geplant. Im ersten Schritt wird im Intranet der Bahn ein neues Personalportal an den Start gehen und die bisherigen, statischen Infoseiten ablösen. Zielgruppen sind Bahn-Mitarbeiter, Personaler und Führungskräfte. Dabei sollen über das Intranet ganze Workflows abgewickelt werden. Das Netz soll sich als Arbeitsoberfläche etablieren. Parallel dazu wird das E-Recruiting ausgebaut. Neben einer XML-Schnittstelle zu externen Jobbörsen sind ein Job-Agent-Service, die systemseitige Unterstützung des Bewerber-Screenings und Aktivitäten im Rahmen des Relationship-Managements geplant. (am)

*Martin Sigmund ist Leiter Servicelinien bei DB Systems in Frankfurt am Main.

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Im vergangenen Jahr beschloss der Vorstand der Bahn, alle relevanten Personalsysteme web-fähig zu machen. Künftig können durch den vereinfachten Zugang mittels Web-Browser Personaler, Führungskräfte, Mitarbeiter und Bewerber aktiv an den Personalprozessen beteiligt werden.

Dabei sollen über das Intranet ganze Workflows abgewickelt werden. Das Netz soll sich als Arbeitsoberfläche etablieren.

Fünf Tipps

1. Legen Sie vor dem Ausfüllen von Online-Bewerbungsbögen alle Unterlagen bereit. Damit ist eine schnellere Bearbeitung möglich, und Sie vermeiden Fehler, die Sie später nicht mehr korrigieren können. Viele Online-Bögen lassen nachträgliche Veränderungen an Einträgen nicht mehr zu.

2. Wenn Sie Felder mit auswählbaren Tabelleneinträgen in einem Online-Bogen vorfinden, nutzen Sie diese. Sie dienen Ihnen als Hilfe und den Personalern als Filterkriterien. Wer nichts einträgt, kann auch nicht gefunden werden.

3. Bei auswählbaren Tabellenwerten fehlen häufig bestimmte Einträge, zum Beispiel Berufe, Abschlüsse oder neue beziehungsweise seltene Studiengänge. Wählen Sie in diesem Fall einen Eintrag aus, der Ihrer Qualifikation am nächsten kommt. Der Eintrag "Sonstige" oder "Andere" wird von Personalern fast nie als Filterkriterium verwendet.

4. Da Online-Bögen immer standardisiert sind, sollten Sie Möglichkeiten, einen Dateianhang hinzuzufügen, unbedingt nutzen. Damit können Sie sich individuell darstellen und aussagekräftige Zeugnisse mitschicken.

5. Bei Unternehmen, die einen Online-Bewerbungsbogen besitzen, erübrigt sich die Frage, ob man sich nicht besser per E-Mail oder auf dem Postweg bewirbt. Sparen Sie sich lieber das Geld für das Porto.

Zusammengestellt von Susanne Friedrich, Leiterin Personalmarketing der DB AG.