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Baan: Käufer verzweifelt gesucht

08.05.2000
SAP hat "absolut kein Interesse"

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der ums Überleben kämpfende Softwarekonzern Baan hat die Hoffnung auf eine Gesundung des Konzerns offenbar aufgegeben und bemüht sich derzeit um einen oder mehrere Käufer. Das niederländische Unternehmen hat angeblich Kontakt zu Partnern und Konkurrenten gleichermaßen aufgenommen, darunter zu dem französischen IT-Konzern Groupe Bull sowie dem deutschen ERP-Rivalen (Enterprise Resource Planning) SAP.

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" bemüht sich das Baan-Management zusammen mit der Investment-Bank Lazard Frères um finanzstarke Partner. Allerdings scheint das Interesse an einem kompletten Kauf des niederländischen Konzerns sehr gering zu sein. SAP-Sprecher Herbert Heitmann erklärte gegenüber der US-Publikation, die Walldorfer hätten "absolut kein Interesse" an einer Partnerschaft oder einer Investition. Vielmehr arbeite man derzeit an Softwarelösungen, mit denen Unternehmen leichter von Baan- auf SAP-Anwendungen umstellen könnten. Diese Tools sollen im Laufe des Jahres auf den Markt kommen. "Es gibt wahrscheinlich Firmen in Baans Kundenstamm, die daran Interesse haben könnten," fügte Heitmann hinzu. SAP spekuliert offenbar vielmehr darauf, Baan-Kunden für sich zu gewinnen. Das ist allemal billiger, als das defizitäre Unternehmen aufzukaufen.

Als Käufer kommen eher Partner und Kunden in Frage. Der Baan-Kunde Bull scheint einer Investition in den niederländischen Konzerns nicht abgeneigt zu sein. Bull-Sprecher Didier Krainc bestätigte erste Gespräche mit dem Softwarehaus, die jedoch noch sehr "hypothetisch" seien. Allerdings habe die französische IT-Gruppe kein Interesse an einem Untergang von Baan.

Offiziell hat Baan keinerlei Verhandlungen bestätigt. Von Marketing-Chefin Katrina Roche hieß es lediglich, es bestünde nach wie vor die Möglichkeit, das gesamte Unternehmen oder Teile davon zu veräußern. Gerade letztere Variante scheint Pierre Everaert, Baans Interim-Chef, gut informierten Kreisen zufolge zunehmend zu favorisieren. Im Februar hatte der Konzern sich bereits von seinem Finanzbereich Coda getrennt, der für 50 Millionen Dollar an das britische Beratungshaus Science Systems ging (CW Infonet berichtete). Danach war gemunkelt worden, Baan wolle auch Caps Logistics, seine Transport-Management-Software, verkaufen. Der niederländische Konzern dementierte jedoch (CW Infonet berichtete). In Kürze soll nun die Aurum-Division in eine eigenständige Tochterfirma ausgelagert und an die Börse gebracht werden. Direkte positive Auswirkungen auf den Baan-Aktienkurs erwartet sich das Management durch das Going Public der Front-office-Einheit allerdings nicht.

Die Pechsträhne des einstigen Börsenstars begann vor zirka drei Jahren mit einem Bilanzierungsskandal und dem Ausscheiden des Firmengründers Jan Baan. Es folgten zwei CEOs (Chief Executive Officers), die es jeweils nicht einmal ein Jahr bei Baan aushielten - Tom Tinsley war nach knapp zehn Monaten im Amt gegangen, und Mary Coleman hatte Anfang dieses Jahres nach nur sieben Monaten das Handtuch geworfen. Zwar hatten auch andere ERP-Anbieter in den letzten zwei Jahren zu kämpfen; mit sieben defizitären Quartalen in Folge war es für Baan jedoch besonders bitter. Erst vor zwei Wochen wies das Unternehmen einen unerwartet hohen operativen Verlust von 75 Millionen Dollar aus - trotz der Veräußerung von Coda und von Beteiligungen an der spanischen Softwareschmiede Meta4. Und die Spirale scheint weiter nach unten zu gehen: Die Kunden verhalten sich seit Monaten abwartend, kaufen keine Produkte, die Umsätze schrumpfen.

Ende letzter Woche sank der Baan-Aktienkurs dann unter drei Euro. Dies wird als kritische Grenze in einem Finanzierungs-Deal mit Bear Stearns International gehandelt. Die Investment-Bank hatte sich bereit erklärt, für 150 Millionen Dollar schrittweise Baan-Anteile zu erwerben, solange ein gewisser Mindestpreis nicht unterschritten wird. Ein Baan-Sprecher erklärte jedoch, das vereinbarte Aktienkaufprogramm mit Bear Stearns werde fortgesetzt. An der Frankfurter Börse eröffnete das Papier heute mit 2,75 Euro, sank im morgendlichen Handel dann auf 2,71 Euro.