IT im Handel/Beispiel: Shoplösung für den Teileverkauf

Autoteilehandel: Virtueller Laden floriert neben traditionellem Mutterunternehmen

21.07.2000
Autoteile-Direkt.de hat sich etabliert. Die virtuelle Shop-Tochter eines Münchner Autoteilehändlers vertreibt Kfz-Zubehör: Rund 2500 Artikel sind im Portfolio enthalten, darunter Pflegemittel, Dachgepäckträger und Reparaturbücher. Christine Ryll* schildert, wie der Web-basierte Laden am Laufen gehalten wird und mit welchen Problemen er zu kämpfen hat.

Gerade mal ein halbes Jahr alt, erwirtschaftet der virtuelle Autoteilemarkt bereits 65 Prozent des Umsatzes, den seine reale Mutter mit derselben Produktpalette erzielt. Damit hat er die Erwartungen seines Initiators, des Projektleiters Ralf Perdacher, erfüllt: "Wir hatten uns vorgenommen, nur online zu bleiben, wenn wir von Anfang an schwarze Zahlen schreiben."

Autoteile-Direkt war im Februar als Pilotprojekt eines Münchner Autoteilehändlers ans Netz gegangen. Der Web-Shop sollte die Umsatzzahlen des mit mehreren Niederlassungen in der bayerischen Landeshauptstadt vertretenen Kaufmanns erhöhen, ohne gleichzeitig mit teuren Mietkosten zu Buche zu schlagen. "Im virtuellen Business kann man das Lager dorthin verlegen, wo die Mieten günstiger sind, und zudem auf Just-in-Time-Lieferung zurückgreifen", begründet Perdacher die Entscheidung, mit E-Commerce zu starten. Über das Internet erreiche man zudem nicht nur die regionale Kundschaft, sondern könne bundesweit agieren. "Um dieses Ziel mit Ladengeschäften zu erlangen, müssten wir eine Franchise-Kette aufbauen. Das ist viel teurer." Die Online-Lösung biete schließlich Zugriff auf ein derart umfangreiches Sortiment, dass jeder normale Betrieb damit überfordert wäre. "Und nicht zuletzt eröffnet das Web insbesondere kleinen Firmen die Möglichkeit, eingefahrene Strukturen zu durchbrechen. Sie können die Lagerkosten relativ gering halten und mindestens eine Handelsstufe überspringen. Der einzige Nachteil: Der Kunde muss ein, zwei Tage warten, bis die Ware bei ihm ist."

Als Shop-Software installierte das Haus zunächst die 5900 Mark teure "Web-Piazza-Standard-Edition" des in München ansässigen Herstellers Hybris. Basislösungen zum Preis von wenigen hundert Mark hatten wegen der zu geringen Kapazität nicht zur Debatte gestanden. Größere Systeme waren am Preis gescheitert. Eine Alternative von Intershop wurde nicht zuletzt deshalb abgelehnt, weil der Autoteilehändler einen Partner vor Ort vorzog. Auch die Möglichkeiten, das Programm unter Nutzung bereits installierter Module problemlos erweitern und ein externes Warenwirtschaftssystem anbinden zu können, sprachen für das Münchner Produkt. Dadurch ließen sich die Anfangsinvestitionen auf einem kalkulierbaren Level halten, ohne dass sich die Möglichkeit zur Erweiterung verbaut hätte. Weitere Pluspunkte lagen in der Fähigkeit des Cross-Plattform-fähigen Produkts, verschiedene Preise parallel darzustellen und international auszuliefern.

Obwohl Autoteile-Direkt keine Werbung schaltete, strömten die Besucher von Anfang an in den "Laden". Im Februar kamen 5000, im April knapp 10000, im Juni über 20000 Surfer - die sich durchschnittlich 15 Minuten auf der in ASP verfassten Page aufhielten. Nur die Verkaufszahlen ließen anfänglich zu wünschen übrig. Mit der Einführung von Zahlungsvarianten wie Lastschrift, Vorkasse, Kreditkarte und Nachnahme besserte sich jedoch auch das Geschäft.

In den Umsatzzahlen bemerkbar machte sich zudem die Installation von SSL zur Verschlüsselung der online gesendeten Daten im Monat März und die Verleihung des Gütesiegels EHI im Mai.

Noch hält der virtuelle Shop nicht das komplette Angebot der Ladenkette bereit. Lediglich fünf Prozent des Umsatzes resultieren aus Autozubehörteilen. Die restlichen 95 Prozent erwirtschaftet der Dienstleister mit Verschleißteilen wie Bremsbelägen, Zündkerzen und Auspufftöpfen. Doch das Unternehmen wollte sich zunächst auf kein zu großes finanzielles Risiko einlassen und erste Online-Erfahrungen lieber im Kleinen machen. So hoffte es potenzielle Verluste niedrig zu halten und eventuell auftretende technische wie logistische Probleme im kleinen Rahmen angehen zu können.

Ein halbes Jahr später zieht Perdacher Bilanz: "Man kann das stationäre Geschäft nicht mit dem Online-Business vergleichen. Es ist viermal so intensiv. Wir denken inzwischen in Quartalen. Ein Quartal entspricht einem Jahr stationärem Geschäft." Weil der Laden so gut läuft, ist der Initiator dabei zu vergrößern. Im August soll eine neue Shop-Version in der Testphase anlaufen. Auf Wunsch der Käufer will der Autoteilehändler damit auch Verschleißteile online vertreiben. Bis Ende des Jahres will er 50000, irgendwann sogar 100000 Artikel ins Portfolio aufgenommen haben. Ein Großteil der Waren soll mit Bildern dargestellt werden. Auch Zusatzangebote wie ein schwarzes Brett, über das Kunden gebrauchte Teile anbieten können, sind geplant. Daneben ein Forum mit Fachleuten, die Einbautipps für Kfz-Teile geben. Kooperationen mit Lieferanten und anderen Web-Anbietern sind ebenfalls angedacht. Schon heute zeigt die Homepage von Autoteile-Direkt auch eine Offerte von Autoscout 24, über die sich Surfer nach gebrauchten Autos umsehen können. Im Gegenzug ist das Unternehmen selbst auf der Seite des Partners präsent.

Für das zusätzliche Geschäft reichen die Kapazitäten des ursprünglich implementierten Programms technisch nicht mehr aus. Daher rüstet Autoteile-Direkt auf. Anfang Mai hat das Haus die mittlerweile zur Professional Edition aufgerüstete Version durch die Enterprise Edition ausgetauscht. Sie läuft auf einem Windows 2000 Advanced Server mit 512 MB Speicher und 600-Megahertz-Pentium-III-Prozessor. Damit verbunden ist ein SQL-Server, der bei dem Münchner Internet-Provider Gedik installiert ist. Dieser soll demnächst durch die Oracle-8i-Datenbank ersetzt werden. Ab dieser Ausbaustufe ist der Server für Besucherzahlen zwischen 60000 und 70000 pro Monat ausgelegt. Als Zahlungssystem dient das Modul "Poseidon IPS" von der Atos-Group. Die City-Bank fungiert als Clearing-Center.

Der neue Online-Laden basiert auf einem System, bei dem jeder Kunde mit wenigen Angaben zunächst sein Fahrzeug identifiziert. Anhand dieser Daten wird er für ein virtuelles Lager freigeschaltet, in dem er nur Ersatzteile findet, die zu seinem Auto passen. So hofft der Autoteilehändler Rückfragen und Fehlbestellungen zu vermeiden.

Dem Ladengeschäft hat der virtuelle Zuwachs nicht geschadet. Die Kunden, die online ordern, sind nicht die gleichen, die vor Ort kaufen. "Kein einziger alter Kunde hat gewechselt", erzählt Hoffmann. Während das reale Geschäft Ortsansässige anspräche, würde das virtuelle Verbraucher aus ganz Deutschland anziehen. Sogar nach Österreich, Schweiz und Frankreich haben die Münchner schon geliefert. Immerhin können sie ihre Produkte dank der geringeren Personal- wie Mietkosten im Internet um zehn bis 20 Prozent billiger anbieten als im Laden. Neben Geld spart der Kunde Zeit.

Dank des Soft-Einstiegs haben sich auch die Anfangsprobleme in Grenzen gehalten. Die Online-Verifizierung von Kreditkarten ist inzwischen möglich. Nicht so die Online-Verifizierung von Lastschriften. Hier fehlen (noch) Standards. Zudem habe man die Anfragen per E-Mail unterschätzt, klagt Perdacher. "Scheinbar will der Kunde doch mehr als nur bestellen. Ihm fehlen die Benzingespräche. Also schreibt er eine E-Mail und bittet um ein Angebot, statt es sich selbst auszurechnen."

Lediglich eine Sache macht den Münchnern wirklich zu schaffen. Der potenzielle Neid der realen Konkurrenz. So fürchtet der Autoteilehändler etwa, den eigenen Namen oder den des Werkszulieferers bekannt zu geben. "Wir als kleines Unternehmen machen ja mit dem Web-Shop auch namhaften Firmen Konkurrenz. Die wiederum haben aufgrund ihrer Bestellmenge eine Einkaufsmacht gegenüber den Zulieferern. Und das könnte darin münden, dass sie die Belieferung des Internet-Shops zu unterbinden suchen."

*Christine Ryll ist freie Autorin in München.