Das Mantra indischer Dienstleister

Automatisieren und Innovieren

10.08.2015
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Indien entdeckt das Digital-Business

Auch die indischen Service-Provider haben die Weichen für das digitale Zukunftsgeschäft gestellt. "Wir interessieren uns dabei für komplexe Aufgaben mit Front- und Backend-Integration", sagte kürzlich Anant Gupta, CEO von HCL Technologies, einem der großen Offshoring-Provider, in einem Interview. Doch solche Projekte, bei denen die Anbindung neuer FrontOffice-Techniken das Backend ganz anders fordert, seien je nach Region unterschiedlich weit fortgeschritten. Meistens bedeuteten sie eine große organisatorische Veränderung für Unternehmen und damit auch eine kulturelle Herausforderung.

Wie allen IT-Service-Providern bleibt auch den Indern gar nichts anderes übrig, als sich zu wandeln. Mit typischen Aufgaben wie klassischer Anwendungsentwicklung, Softwarewartung und Infrastruktur-Management lassen sich nicht mehr die Gewinne erzielen, die in den Jahren zuvor üblich waren. Der Grund dafür liegt weniger in den gerne zitierten schlechten Rahmenbedingungen, die zweifellos durch Währungsschwankungen, den Ölpreisverfall oder die einschneidenden Veränderungen in einigen bereits disruptiv digitalisierten Märkten, etwa dem Handel oder der Medienbranche, entstanden sind.

Die Probleme liegen tiefer und sind struktureller Art. So hat bei den Dienstleistern ein Automatisierungs-Wettlauf eingesetzt, der zum Ziel hat, einfache, repetitive Aufgaben beispielsweise beim Rollout und Upgrade von Software oder auch im Helpdesk mit möglichst wenig Manpower zu erreichen. Wer hier nicht mithalten kann, wird am Ende höhere Kosten und geringere Gewinnmargen hinnehmen müssen.

Zudem ändert sich das Kundenverhalten durch die gestiegene Akzeptanz von Cloud Computing: Je stärker sich dieses Bezugsmodell durchsetzt, desto schneller sinkt der Bedarf an Individualisierung, Wartung und Integration von Software. Anwendungen, Infrastrukturen und Entwicklungsumgebungen werden standardisiert und mit geringem Konfigurationsaufwand aus dem Netz bezogen. Dass dieser Trend real ist, belegen die Wachstumsstorys von Unternehmen wie Salesforce.com und Workday oder die Zuwachsraten, die Microsoft, IBM, Oracle oder SAP derzeit im Cloud-Business erzielen.

Hinzu kommt für die indischen Provider eine verschärfte Konkurrenzsituation durch eine Vielzahl kleiner, agiler und oft spezialisierter IT-Service-Provider, die ohne administrativen Overhead auskommen und besonders preiswert liefern können. Letztendlich hat sich auch das Kaufverhalten großer Konzerne verändert, die ihre Budgets in Richtung neuer SMAC-Technologien allokieren. Sie haben ihre Infrastruktur meist gut standardisiert und ihre Sourcing-Prozesse professionalisiert.