Anwender-Bericht :

Automatische Korrespondenz im Hause Neckermann

24.10.1975

Frankfurt - Wir erhielten zwei Anstöße, die uns den Weg Richtung automatische Korrespondenz (AKO) wiesen: Seit 1955 haben wir mit Schreibautomaten verschiedener Konstruktionen und uns dabei mit diversen Problemen herumschlagen müssen:

a) zu geringer Lebensdauer

b) zu hoher Wartungsaufwand

c) zu häufiger Modellwechsel

d) zu geringe Selektionsmöglichkeiten

e) keine Kompatibilität mit unserer vorhandenen umfangreichen

Kundendatei

f) bedingt durch a-d ständige Neukonzeption unseres Textnummernsystems und unserer Texthandbücher.

1969 wurde in unserem Hause unter dem Begriff "Neue Versandabwicklung" ein großes Projekt in Angriff genommen, zu dem alle Fachabteilung aufgerufen waren, für sie berührende Arbeiten Lösungswünsche zu äußern.

Von unserem Briefaufkommen, das im Monatsschnitt fast1/2 Million Sendungen umfaßt, entfallen 95% auf Kundeninformationen, die sich aus der computergesteuerten Auftragsagsabwicklung ergeben (65% Postkarten inngriffen). Nur 5% verbleiben für die sogenannte Tagespost, die durch Kundenzuschriften ausgelöst wird.

Während wir bis zu unseren Umstellung auf die neue Versandabwicklung jedes Problem für sich erledigen mußten (die Adressierung wurde bereits überwiegend mit Hilfe der DV erledigt), wollten wir künftig kombinierte Informationen im Bausteinverfahren abhandeln und so aus mehreren getrennten Briefen oder Postkarten eine einzige Mitteilung machen und dabei natürlich auch den Formularwust abbauen.

Für beide Problemkomplexe bot sich das IBM-Lizenzprogramm AKO als die in unser DV -System voll integrierbare Lösung und damit unserer Weisheit letzter Schluß an. Allerdings mußten wir an das bestehende Standard -AKO-Programm höhere Anforderungen stellen. Im Wesentlichen handelte es sich um folgende Erweiterungswünsche:

1. Statt der gegebenen Einheits-Briefbogen Verwendung von drei in ihrem Aufbau verschiedenen Formularen

a)Brief herkömmlicher Art (wie von AKO-Standard vorgesehen)

b) sogenannte Adreßträger (d. h. Formulare zur Aufnahme aller kundenspezifischen Daten), denen ein gedruckter Text als Anlage beigefügt werden kann

c)Gutschriften, die mit Textinformationen ergänzt werden können

2. Abhängig von vorgenannten Formular-Typen, die eine unterschiedliche Weiterverarbeitung erfordern, und anderen Kriterien, die textnummernbezogen in der Textdatei verankert werden, sollte die Sortierfolge der Druckausgabe unterschiedlich sein.

3. Unsere AKO-Einrichtung sollte später auch von auswärtigen Stellen unseres Unternehmens benutzt werden können; deren Briefe sollten daher auch eigene Absenderangaben aufnehmen.

4. Wir wollten die Briefkopien unübersehbar kennzeichnen, um einen Doppelversand zu vermeiden (bekanntlich erstellt AKO die Kopien nicht im Durchschreib- sondern im Vervielfältigungsverfahren).

5. Wir wollten eine (z. Z. allerdings noch nicht auf dem Markt befindliche) Unterschriftsmaschine einsetzen können, die - abhängig von der variablen Länge jedes Briefes und etwaiger Folgeblätter - die Unterschrift im Endlosverfahren an gewünschter Stelle einsetzt, und zwar gesteuert durch eine Randmarkierung, die an bestimmte Textnummern (z. B. Grußfloskeln) koppelbar ist.

6. Bei Verwendung der Kunden-Nummer für den Adreßabruf aus unserer Kundendatei (der Anschluß dieser Datei war ebenfalls ein Bestandteil der AKO-Standard-Erweiterung) sollte ein in der Kundendatei gespeicherter Adreß- und Briefanrede-Schlüssel für die korrekte Anrede herangezogen werden.

7. Wir wollten - abgesehen von dem im AKO-Standard-Programm vorgesehenen Schreiben - auch auf Anrufe, persönliche Vorsprachen und Aufträge Bezug nehmen können und deshalb den Bezugsschlüssel erweitern.

8. Bei erbetener Antwort sollte der Empfänger ein mit den wesentlichen Such- und Postsortierkriterien versehenes Antwortformular mitgeschickt bekommen.

9. Zur vollautomatischen Verarbeitung der von dem Fakturierprogramm bereitgestellten Briefdaten mußten

a) ein besonderes Verbindungs- beziehungsweise Aufbereitungs-Programm für den AKO-Input

b) ein Modifikationsschema für die drei möglichen Formulararten geschaffen und

c) diverse Konstante tabellarisch erweitert und aus dem AKO-Standard-Programm in zwei Wartungsdateien (Rechnungstext-, Tabellen- und Variablendatei) ausgelagert werden.

Aufwand und Einsparungen

Unser Haus verfügt über zwei Anlagen 370/168 mit je 3000 KB Hauptspeicher. Als Eingabemedium für AKO dienen zwei IBM-Locher 129. Als Ausgabemedium benutzen wir einen unserer IBM-Schnelldrucker 1403/N 01 mit auswechselbarer Spezialkette für Groß- und Kleinschreibung. Der Kernspeicherbedarf für die Textdateiwartung beträgt 60 K, für die Briefabrufe 180 K.

Innerhalb einer Stunde verarbeitet unsere Anlage ca. 5000 Briefe. Die Stunde ist bei virtuellem Speicher für unsere Programmgröße und -Konfiguration mit ca. 500,- DM zu berechnen. Die CPU-Zeit beträgt gute 23 sek. pro 1000 Briefe. Für Fachleute gilt dieser Zeitbedarf als hoch; er ist nur mit dem hohen Aufwand an peripheren Zugriffen (allein 8 Adreßtürme) zu erklären.

Für 1000 Briefe (mit Ø 45 Schreibzeilen) benötigen wir eine Druckzeit von 45 Minuten im Offline-System (die Druckstunde ist mit 56,- DM zu verauslagen).

An Monatsmiete zahlen wir: 403,- DM für das AKO-Standard-Programm, 618 - DM 2x für die beiden IBM-Locher 129, 376,- DM für eine Spezial-Druckkette.

Die Programmerweiterung beanspruchte einen einmaligen Software-Aufwand von 130 000,- DM.

Die Korrespondenz aus der Auftragsbearbeitung erfordert keinen nennenswerten Eingabeaufwand; sie ist das Produkt vorgegebener Prüf-und Entscheidungsroutinen.

Es ist schwer, in unserem Fall von Einsparungen zu sprechen (obwohl allein in der Korrespondenz-Abteilung in den beiden letzten Jahren ca. 20 verwaiste Arbeitsplätze nicht mehr neu besetzt wurden), weil sich die Umstellung unserer Arbeitsabläufe nicht eindeutig aufgliedern läßt. Hauptziel unserer Umstellung war, unseren Kundenservice unter Verwendung des vorhandenen leistungsfähigen Maschinenparks zu verbessern und zu beschleunigen und dabei Routinearbeiten von Menschen auf Maschinen zu übertragen. Man darf nicht übersehen, daß unsere Projektierung zu Zeiten eines leergefegten und immens kostensteigernden Arbeitsmarktes anlief. Das Angebot an Schreibkräften und Korrespondenz-Sachbearbeitern im Frankfurter Raum läßt nach wie vor zu wünschen übrig. Wir sind Selbstausbilder.

Unistellungszeitpunkt und Prognose

Im Herbst 1973 haben wir mit der Tagespostverarbeitung über AKO begonnen. Die Umstellung vollzog sich Zug um Zug und ist noch nicht auf das ganze Haus ausgedehnt.

Im Januar 1975 setzte der AKO-Input aus unserer Auftrags-Abwicklung ein. Die Umstellung war nach 3 Monaten abgeschlossen. Es sind noch einige Schönheitskorrekturen notwendig, die im Rahmen einer Dringlichkeitsgewichtung erledigt werden sollen.

In die erwähnte Prioritätenliste fällt auch unser Wunsch, die Dateneingabe von Lochkarten auf Terminals umzustellen und mit ihr die Einspeicherung von Briefdatum, Briefnummer und Sachbearbeiterschlüssel in eine kundenbezogene Vorgangsdatei zu verbinden, in der geraffte Bestell-und Sachbearbeitungs-Daten für unsere Kundenbetreuung festgehalten werden - bei unserem notwendigen arbeitsteiligen Abwicklungsverfahren eine unentbehrliche Hilfe.

Angela Klemm ist Leiterin der Hauptabteilung Korrespondenz bei der NECKERMANN VERSAND KGaA, Frankfurt.