Kartellamt gibt grünes Licht

Autobauer können mit Datennetz Catena-X starten

02.06.2022
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Das Bundeskartellamt gibt grünes Licht für Catena-X. Damit wollen die Autobauer ein offenes, kollaboratives Datenökosystem auf Basis von Gaia-X aufbauen.
Die großen deutschen Autobauer und 100 Partner arbeiten an einem offenen Datennetzwerk für die automobilen Lieferketten.
Die großen deutschen Autobauer und 100 Partner arbeiten an einem offenen Datennetzwerk für die automobilen Lieferketten.
Foto: Mercedes-Benz

Ein offenes, skalierbares Datenökosystem für alle Beteiligten entlang der automobilen Wertschöpfungskette? Auf den ersten Blick klingt das wie Science-Fiction. Arbeiteten doch gerade die großen deutschen Autobauer in den letzten Jahren fleißig an ihren eigenen Industrie-Clouds - hier sei nur an die Industrial Cloud von VW mit Siemens und AWS als prominentes Beispiel erinnert. Nun soll Catena-X als offenes Datennetzwerk ein resilientes und flexibles Management der automobilen Lieferketten ermöglichen. Und die Plattformökonomie für die Industrie neu gedacht und umgesetzt werden.

Plattformökonomie neu gedacht

Die Zeichen dafür, dass es klappen könnte, stehen gut. So gab das Bundeskartellamt jetzt grünes Licht für den Aufbau des Datennetzwerkes für die Automobilbranche. Catena-X soll die Entwicklung einheitlicher Standards für die Datenweitergabe vorantreiben. Dazu sollen Daten, die bislang bei den Unternehmen isoliert in Form von Insellösungen vorliegen, miteinander vernetzt werden, um sie in der Wertschöpfungskette bestmöglich zu nutzen.

Die Big Player hinter Catena-X

Das Datenökosystem Datena-X.
Das Datenökosystem Datena-X.
Foto: Catena-X

Hinter Catena-X - die offizielle Bezeichnung ist Catena-X Automotive Network e.V. - stehen mittlerweile über 100 Unternehmen, darunter so prominente Player wie VW, Mercedes Benz, BMW, Ford, ZF Friedrichshafen, Bosch, Hella, Schaeffler, Trumpf, DMG Mori, Siemens, BASF, Henkel, SAP, IBM oder die Telekom. Einziger Wermutstropfen an der Idee: Das Datennetzwerk soll auf Gaia-X basieren. Schließlich glänzte die europäische Cloud-Initiative in letzter Zeit nicht unbedingt mit Erfolgsmeldungen.

Leuchtturmprojekt für Gaia-X?

Aber vielleicht ist Catena-X auch das Leuchtturmprojekt, das Gaia-X zum Durchbruch verhilft. So lobte Andrea Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, anlässlich der Kartellprüfung; "Catena-X ist ein erster großer Baustein der Initiative Gaia-X zur Schaffung einer wettbewerbsfähigen Dateninfrastruktur in Europa. Richtig aufgesetzt sind Initiativen wie diese vielversprechend, weil sie in der Zukunft zu einer Wettbewerbsbelebung bei Cloud-Services führen könnten, was wir sehr begrüßen würden."

Erste Services noch 2022

Noch in diesem Jahr will Catena-X mit ersten Services an den Start gehen. Im Gespräch sind Dienste für Anwendungsfälle wie "Geschäftspartner Datenmanagement" und "Kreislaufwirtschaft". Im Anwendungsfall "Geschäftspartner Datenmanagement" soll eine 360-Grad-Sicht auf den Geschäftspartner etabliertwerden. Durch die Nutzung externer Daten und den Datenaustausch innerhalb des Catena-X Netzwerks wird eine eindeutige Geschäftspartneridentität geschaffen. Beim Use Case "Kreislaufwirtschaft" steht ein datengeneriertes Abbild von Fahrzeugkomponenten im Vordergrund. Es bietet laut Catena-X die Möglichkeit, nachzuvollziehen, welche Rohstoffe in welcher Menge, in welchem Teil verbaut sind. Am Ende eines Lebenszyklus' eines Teils sollen die Daten Verwertungsunternehmen bei ihrer Entscheidung unterstützen, ob sie eine Komponente recyceln, aufbereiten oder wiederverwenden.

Die Technik hinter Catena-X

So funktioniert der Datenaustausch im Automotive Network via Eclipse Dataspace Connector.
So funktioniert der Datenaustausch im Automotive Network via Eclipse Dataspace Connector.
Foto: Catena-X

Gerade der letzte Anwendungsfall verdeutlicht die Vision, die hinter Catena-X steckt: Alle Akteure in durchgängigen Wertschöpfungsketten zu vernetzen. Das Daten-Ökosystem basiert dabei auf einer Systemarchitektur, die auf Basis der Vorarbeiten von Gaia-X und der International Data Space Association (IDSA) folgende technische Aspekte erfüllt:

  • Datensouveränität und -sicherheit sowie Interoperabilität.

  • Bereitstellung von Netzwerk-Dienstleitungen für das Auffinden und Vermitteln von Daten sowie zertifizierten Anwendungen auf Basis vertraglicher Vereinbarungen (Broker).

  • Richtlinien und Dienste für die Identifizierung, Autorisierung für firmenübergreifende Kooperationen (föderativer Dienst).

  • Benutzerfreundliche Umgebungen für Aufbau, Betrieb und die kollaborative Nutzung.

  • Vertraglich abgesicherte Peer-to-Peer-Kommunikation mit durchgängiger Semantik mit dem Eclipse Dataspace Connector (EDC) als zentrale Kommunikationskomponente.

Der Konnektor ist letztlich die wesentliche Softwarekomponente von Catena-X. Der Eclipse Data Space Connector teilt die Kommunikation in einen Kanal für die Metadaten (Control Plane) und einen für den eigentlichen Datenaustausch (Data Plane) auf. In der Data Plane werden unterschiedliche Kommunikationsprotokolle wie https, S3 File Transfer und REST über die "Channel Extension" integriert. Die Control Plane besteht aus Komponenten für die Behandlung von Verträgen und dem "EDC Standard API", das die Schnittstelle für jegliche Interaktion des Konnektors bildet, also zu den Backend-Data-Services und dem Datentransfer.