Kommentar

Autistentage tun gut

07.08.2008
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.

Kennen Sie das auch? Arbeitstage ohne - oder fast ohne - Termine? Sie sind selten wie dicke Südseeperlen. An diesen Tagen gibt es Stunden, in denen man sich ausschließlich auf eine Sache konzentrieren kann, ganz ohne Störung von außen. Man sitzt vor dem Bildschirm und bosselt an einer schwierigen Budgetfrage, an einem Architekturthema oder überlegt, wie sich die hohe Spannung zwischen den Teammitgliedern etwas senken lässt.

Finden Sie dann sogar noch eine Lösung für das knifflige Problem, kann Arbeit überhaupt nicht befriedigender sein: Man hat etwas getan, eine Idee entwickelt, ein Problem aus der Welt geschafft - statt in endlosen Meetings, in denen alle nur gut aussehen wollen, ständig um den heißen Brei herumzureden.

Warum machen wir das nicht öfter? Den Terminkalender leeren, nachdenken und dann erst handeln, anstatt wie ein Business-Kasper (danke, Bully Herbig!) von Meeting zu Meeting zu hetzen, abends ausgelaugt zu sein und nichts bewegt zu haben.

Für den Anfang dürfte ein Nachdenktag pro Monat ausreichen. Mehr halten wir ohne Training wohl ohnehin nicht aus. An diesem Tag agieren wir egoistisch und arbeiten wirklich an den Dingen, für die wir bezahlt werden. Sie bekommen Ihr hoffentlich überdurchschnittliches Gehalt doch schließlich nicht dafür, mit anderen hoch bezahlten Kollegen in einem Konferenzraum zu tagen, Powerpoints anzuschauen und heimlich mit dem Blackberry herumzuspielen.

Stellen Sie sich die Möglichkeiten vor! Vielleicht würden wir es ja mit Nachdenken schaffen, Business und IT besser zu verzahnen oder unsere Legacy-Probleme in den Griff zu bekommen, und der nächste Hype würde uns nicht mehr unvorbereitet treffen.

Utopie? Nicht unbedingt! Bei Google, einem der global am meisten bewunderten Unternehmen, dürfen Mitarbeiter mit zehn Prozent ihrer Arbeitszeit machen, was sie wollen. Wenn daraus neue Produkte entstehen, profitiert natürlich das Unternehmen. Diese beschränkte Zeithoheit der Mitarbeiter ist eine wichtige Ursache für die unbändige Innovationskraft des Suchmaschinenbetreibers. Ähnliches ist vom Chemiegiganten 3M bekannt. Dort dürfen die Forscher in ihrer "personal time" eigene Ideen verfolgen, auch Projekte, die ihre Vorgesetzten ablehnen. Die allgegenwärtigen "Post-it"-Klebezettel sollen aus so einem Projekt entstanden sein.

Wenn solche Freiräume in Ihren Unternehmen nicht angeboten werden, seien Sie ein bisschen anarchisch und nehmen Sie sich einfach diese Zeit. Wenn Sie Resultate vorweisen können, fragt sowieso niemand danach. Halten Sie es (ausnahmsweise) mit Ex-Kanzler Kohl: Wichtig ist, was hinten rauskommt!

Der Kolumnist verabschiedet sich mit diesem Beitrag in den Urlaub. Die nächste Herausgeber-Kolumne erscheint deshalb erst wieder in der Ausgabe 36.