SCHOLZ REPORT

Ausweichsysteme

04.04.1975

So ein verdammter .... schimpft man ärgerlich in jedem Rechenzentrum, wenn die ganze Hardware eines Rechenzentrums ausgefallen ist und man sehnsüchtig auf das Ende der

Reparatur wartet. Spätestens in diesem Augenblick fallen einem wieder alle Sünden der Vergangenheit ein, daß man es seit Jahren versäumt hat, sich gegen längere Gesamtsystemausfälle durch ein getestetes Ausweichsystem abzusichern

Ein getestetes Ausweichsystem ist selten vorhanden

In den seltensten Fällen findet man eine Situation dergestalt vor, daß eine vollkommene Absicherung eines Rechenzentrums durch ein leistungsfähiges System gleicher Art und Weise gegeben ist. Vielfach basieren die Ausweichkonzeptionen darauf, daß mündliche Vereinbarungen in Form sogenannter Freundschafts- oder Nachbarschaftshilfe getroffen worden sind. Alle derartigen Abmachungen führen jedoch im Ernstfall nicht zu der Absicherung, die man sich gerne wünscht: Ein Rechtsanspruch auf das System eines Ausweichsystem Partners, wenn das eigene System ausgefallen ist.

Ein Ausweichsystem-Vertrag muß abgeschlossen werden

Eine Ausweichsystem-Regelung ist eigentlich erst dann wirklich effizient, wenn eine entsprechende Vereinbarung mit rechtlicher Verbindlichkeit abgeschlossen wurde und etwa eine gegenseitige Benutzung zweier Systeme verbindlich geregelt ist. Im nächsten Scholz-Report wird ein in der Praxis realisierter Ausweichsystem-Vertrag abgedruckt, der als Anregung für die eigene Problematik dienen kann .

Wichtige Probleme im Zusammenhang mit einer Ausweichsystem-Regelung

Im folgenden seien die wesentlichen Punkte der Ausweichsystem-Problematik angeschnitten:

1. Wichtig ist, daß das Ausweichsystem nicht länger als etwa eine Stunde Fahrtzeit entfernt liegt. Ist diese Zeit wesentlich größer, wird der Aufwand für die Vorbereitung im Ausweichfalle überdimensional groß.

2. Ein Ausweichsystem muß mit den eigenen Programmen (am besten man testet mit den kritischen Jobs - siehe auch Scholz-Report Ausgabe 9/75) erfolgreich getestet werden. Als Richtschnur nehme man etwa eine vollständige Schicht.

3. Selbstverständlich sollte man einen derartigen Test etwa alle drei bis sechs Monate wiederholen.

4. Man sollte sich darüber verständigen, ab wieviel Uhr man im Notfalle das System des Ausweichsystem-Partners benutzen kann und hier eine generelle Regelung für den Notfall treffen.

5. Wichtig ist, daß man die zur Verfügung stehende Zeit für den Notfall genau fixiert. Dies gilt ebenfalls für die Wochenenden und Feiertage. Bei Systemen, die im Zwei-Schicht-Betrieb gefahren werden, kann durch das Einbeziehen der Wochenenden theoretisch beiden Partnern ein volles System zur Verfügung stehen, falls ein System über längere Zeit defekt ist. Naturgemäß muß man dann einige Reibungsverluste in Kauf nehmen, aber es besteht eine berechtigte Chance zum Überleben.

6. Über die Kosten für den Fall des Ausweichens sollte man sich vorher unterhalten, damit es im Falle der Inanspruchnahme keine Probleme gibt Generelle Empfehlungen für die Kalkulation der Ausweichsystem-Kosten können nicht gemacht werden. Man sollte jedoch die Kosten mit einer eventuell abgeschlossenen Mehrkostenversicherung abstimmen und auf die ständige Aktualität der Versicherungssumme achten.

7. Es muß geklärt werden ob ein Ausweichen nur in Form von Blockzeitmiete möglich ist oder ob eigene Arbeiten unter fremder Systemsteuerung denkbar sind. Hier können mitunter schwerwiegende Probleme auch aus der Sicht des Datenschutzes auf die Ausweichsystem-Partner zukommen. Denkbar wäre es jedoch, daß einzelne kritische Jobs unter fremder Systemsteuerung gefahren werden.

8. Schwierige Probleme treten dann auf, wenn ein TP-System abgesichert werden soll. Hier kann in den meisten Fällen nur durch ein konventionelles Back-up-System eine Lösung des Problems gefunden werden, da eine Hardware-Verträglichkeit nur schwer zu realisieren ist. Möglicherweise bietet sich ein leistungsfähiges Service-Zentrum als Notlösung dann an, wenn über Leitungen (also nicht lokales TP) gearbeitet wird.

9. Sowohl die Hardware- als auch die Software-Planung sollte mit dem Ausweichsystem-Partner abgestimmt sein, damit man sich vor überraschenden Querschüssen schützt.

10. Personelle Probleme sind im Zusammenhang mit der Ausweichsystem-Regelung zu beachten. Hierzu gehört die Gestellung eines Begleit-Operators. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem des Datenschutzes zu sehen. Eine Ausweichsystemregelung ist um so dringender, je enger der zeitliche Puffer für den einzelnen EDV-Benutzer ist. Systeme, die im Drei-Schicht-Betrieb gefahren werden, müssen sich aufgrund ihres Kapazitätsbedarfs zwangsläufig nach zwei Ausweichsystemen oder nach einem doppelt so schnellen System umsehen.